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Bettina Hagedorn
SPD
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Frage von Johannes L. •

Sehr geehrte Frau Hagedorn, die parteiübergreifende Haltung zum Thema "Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr" ist derzeit ambivalent. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Vielen Dank.

Sehr geehrte Frau Hagedorn,
meine Frage zielt auf die aktuelle Positionierung der Bundes-SPD hinsichtlich der Bewaffnung von unbemannten Luftfahrzeugen ab. Der Koalitionsvertrag der aktuellen BReg spricht von einer intensiven Auseinandersetzung (ethisch-moralisch, geostrategisch, etc.)mit dieser Thematik. Dies geschah in der aktuellen Legislaturperiode auf vorbildliche Art und Weise, sogar unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Letztendlich schien es so, dass eine Entscheidung für die Bewaffnung von Drohnen, unter zwingender Einhaltung humanitärer/ethischer Gesichtspunkte, auch von der SPD befürwortet würde. Dies wurde im weiteren Verlauf der gesellschaftlichen Debatte wieder revidiert und dies seitens Parteiführung mit einer unzureichende Debattenführung begründet. Am 25.06.2021 wurden 12 deutsche MUNUSMA Soldat*innen durch einen fahrzeuggesteuerten Selbstmordanschlag verletzt. Ist dies nicht eben jenes Einsatzszenario, welches den Einsatz bewaffneter Drohnen rechtfertigen sollte?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr L.,

herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 29. August 2021 hinsichtlich meiner Haltung zur Bewaffnung von Drohnen. Gerne möchte ich im Folgenden auf Ihre Punkte eingehen.

Sie sagen, dass die Debatte über die Bewaffnung „in der aktuellen Legislaturperiode auf vorbildliche Art und Weise geschah, sogar unter Beteiligung der Öffentlichkeit“. Hier muss ich Ihnen vehement widersprechen. Diese Diskussion konnte in den letzten 1 ½ Jahren – angesichts der Corona-Pandemie – in keiner Weise mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und Tiefe öffentlich geführt werden. Wichtig ist, dass wir in der kommenden Legislaturperiode mit den Befürwortern und Gegnern offen, seriös, fair und selbstverständlich auch kontrovers diskutieren, bevor wir über diese Frage im Bundestag abschließend entscheiden. Dazu ist es eben auch nötig, Vertreterinnen und Vertreter aus allen Bereichen – wie der Kirche, Nichtregierungsorganisationen und natürlich auch der Bundeswehr – an „einen Tisch zu bekommen“ und sachlich zu diskutieren. Hierzu möchte ich betonen, dass ich seit über 20 Jahren in sehr engem Kontakt mit den Soldatinnen und Soldaten der Oberst-Herrmann-Kaserne in Eutin stehe (6 km von meinem Wohnort Kasseedorf entfernt, wo ich seit über 40 Jahren lebe) und diese bei meinen Veranstaltungen zu verteidigungspolitischen Themen immer miteinbeziehe. Eutin ist traditionell ein Standort der Aufklärer, die seit über 20 Jahren regelmäßig in allen Auslandseinsätze in Bosnien, im Kosovo, in Afghanistan und Mali mit einem großen Kontingent vertreten sind. Und genau deshalb ist Eutin auch ein „Drohnenstandort“. Ich habe unsere Eutiner Soldaten 2006 und 2008 in ihrem Einsatz in Afghanistan besucht und dort auch nachts mitverfolgen dürfen, wie die Aufklärung durch Drohnen konkret durchgeführt und ausgewertet wird. Ich habe auch genau deswegen in Eutin zwischen 2008 und 2015 insgesamt sechs öffentliche Diskussionsveranstaltungen zum Einsatz in Afghanistan mit namhaften Referenten organisiert. SO stelle ich mir lebendige Demokratie vor Ort vor. Ich konnte allerdings bislang keine einzige öffentliche Veranstaltung zum Thema „Bewaffnung von Drohnen“ in Eutin aufgrund von Kontaktbeschränkungen und Lockdown durchführen. Das zeigt doch eindeutig, dass die Debatte eben nicht in „vorbildlicher Art und Weise“ geführt worden ist, weil es in der Pandemie gar nicht möglich war.

Sie behaupten weiterhin, dass (angeblich!) „eine Entscheidung für die Bewaffnung von Drohnen von der SPD befürwortet würde“ beziehungsweise diese Position anschließend „wieder revidiert“ wurde. Diese Aussage ist allerdings ebenfalls falsch, denn – wie bereits oben beschrieben – die Debatte über die Bewaffnung von Drohnen wurde auch in der SPD überhaupt noch nicht abschließend geführt. Die fehlende Debatte ist daher auch der Grund dafür, warum der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags in seinem Beschluss vom 14. April 2021 vorerst auch nur einer unbewaffneten „Eurodrohne“ zugestimmt hat, die als europäische Eigenentwicklung präzise Aufklärungsergebnisse in der Landes- und Bündnisverteidigung übernehmen soll. Dabei muss man feststellen: Mit der Freigabe von 3,1 Milliarden Euro steuert die Bundesregierung einen ganz erheblichen Teil zur Entwicklung dieses gemeinsamen europäischen Projekts bei, was uns gemeinsam mit Frankreich, Spanien und Italien künftig unabhängig von den Leasing-Drohnen Heron 1 und German Heron TP machen wird. Das ist ein starkes Bekenntnis des Bundestages zu einer europäischen, gemeinsamen Verteidigungsstrategie für mehr Souveränität in Europa und zeigt, dass die jetzige Bundesregierung mit Finanzminister Olaf Scholz sehr wohl zu dieser massiven Aufstockung der Mittel im Verteidigungsetat bereit war, um einen ganz entscheidenden Beitrag zur Modernisierung der Bundeswehr innerhalb Europas zu leisten.

Ganz konkret bedeutet das nun, dass das Projekt entwickelt werden kann. Das heißt aber auch: Diese Eurodrohne gibt es noch gar nicht und auch, wenn sich der Bundestag FÜR eine sofortige Bewaffnung entschieden hätte, wäre diese überhaupt noch nicht zeitnah „einsatzbereit“ und hätte darum in aktuellen Einsätzen der Bundeswehr auch nicht die Gefährdungslage für unsere Soldatinnen und Soldaten möglicherweise positiv verändern können. Daher ist auch Ihr Argument bzw. das von CDU/CSU nicht richtig, mit einer Bewaffnung der Eurodrohne sofort die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen, weil Fakt ist, dass die Eurodrohne noch nicht existiert. Und das heißt eben auch, dass keine Eile bei der Abstimmung des Bundestages zur möglichen Bewaffnung geboten ist, da die Drohnen eben erst noch entwickelt und produziert werden müssen und auch nachträglich bewaffnungsfähig sind.

Ich bin darum der Meinung, dass wir in der kommenden Legislaturperiode – und nach einer ausführlichen Debatte – definitiv eine Entscheidung zur möglichen Bewaffnung von Drohnen brauchen. Das wird nach der Bundestagswahl – auch angesichts der aktuellen Geschehnisse in Afghanistan - mit Sicherheit zu ernsten und intensiven Debatten führen. Andere Konflikte – wie beispielsweise kürzlich der Drohnenkrieg zwischen Armenien und Aserbaidschan – haben uns aber auch deutlich gezeigt, was für ein negatives, eskalierendes Potenzial Drohnen als Kriegswaffen besitzen können und dass wir darum über die Beschaffung von bewaffneten Drohnen auf keinen Fall leichtfertig, sondern gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn nach intensiver Abwägung des Pro und Kontra und angesichts der Gefährdungslage in der Welt entscheiden müssen.

Sie beziehen sich in Ihren Fragen auf den Koalitionsvertrag der Großen Koalition vom März 2018 und darum will ich daraus zitieren (Seite 159):

„Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Eurodrohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten. Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen. Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch Drohnen.“

Fakt ist, dass Drohnen seit ihrer Entwicklung nicht mehr aus den modernen Streitkräften wegzudenken sind. Die Bundeswehr verfügt über eine ganze Reihe unterschiedlicher Typen von Drohnen, mit verschiedenen Fähigkeiten. Sie dienen aber bisher ausschließlich als Aufklärungsinstrument für unsere Soldatinnen und Soldaten – wie auch in Eutin bei unserem hiesigen Aufklärungsbataillon. Als reine Aufklärungsdrohnen haben diese Geräte eine wichtige Funktion zum Schutz der von unserem Bundestag in Auslandseinsätze entsandten Soldatinnen und Soldaten. Da die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist und jeder Einsatz von den Bundestagsabgeordneten mandatiert werden muss, versuchen wir in der SPD eine große Transparenz, eine gesellschaftliche Debatte und einen größeren Konsens zu schaffen, um eine verantwortungsbewusste Entscheidung zur Bewaffnungsfähigkeit von Drohnen herbeiführen zu können. Denn bewaffnete Drohnen sind kein „Ausrüstungsgegenstand“, der mit anderen gleichzusetzen ist. Wenn man über eine Bewaffnung von Drohnen spricht, denken viele Menschen sofort an Negativbeispiele aus anderen Staaten, in denen diese Drohnen oftmals für gezielte Tötungen verwendet und dabei auch zivile Opfer als (angeblicher) „Kollateralschaden“ in Kauf genommen wurde. Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung bewerten solche Praktiken allerdings eindeutig und einhellig als völkerrechtswidrige Praxis.

In Abwägung dieser Argumente existieren auch innerhalb der SPD verschiedene Positionen zum Thema bewaffnete Drohnen. Ich sehe dies allerdings nicht als Schwäche, sondern – im Gegenteil – als Stärke, dass unsere Partei solche Themen breit und kritisch ausdiskutiert. Zum Vergleich erinnere ich z.B. an die lebhafte Debatte vor über 15 Jahren zur Abschaffung der Wehrpflicht, die ähnlich kontrovers (nicht nur in der SPD!) diskutiert wurde. Ich erinnere mich gut, dass ich z.B. zu diesem gesellschaftspolitisch weitreichenden Thema „Abschaffung von Wehrpflicht und Zivildienst?“ am 25. August 2005 in Ahrensbök eine Veranstaltung organisierte, zu der ich prominente Vertreter über „Pro und Contra“ referieren und mit den Gästen kontrovers diskutieren ließ: Das „Pro“ vertraten damals der Juso-Bundesvorsitzende Björn Böhning, während das Contra von dem SPD-Verteidigungsexperten und  späteren Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Dr. Hans Peter Bartels aus Kiel sowie dem damaligen „Chef“ der Bundeswehrkaserne in Eutin kritisch beleuchtet wurde. Der Unterschied zwischen SPD und CDU/CSU war damals und ist bis heute: Auch in der CDU/CSU gab es über die Abschaffung der Wehrpflicht ein breites Meinungsspektrum – dennoch wurde die Wehrpflicht dann 2011 im Deutschen Bundestag in einem Hau-Ruck-Verfahren durch die Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP „ausgesetzt“, ohne dass das Thema ernsthaft öffentlich von der Union ausdiskutiert wurde. Ich halte ein solches Verfahren – unabhängig vom Ergebnis – in einer lebendigen Demokratie für falsch.

Hier zeigt sich doch: Wir brauchen in Deutschland eine ausführliche Diskussion statt einer überstürzten Abstimmung mit künstlich geschaffenem Zeitdruck. Während der Corona-Pandemie war es leider unmöglich diese Debatte offen, breit und mit der gesamten Gesellschaft zu führen und dabei neben dem notwendigen Schutzgedanken auch die Risiken der Bewaffnung von Drohnen kritisch abzuwägen.

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn

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