Eine Impflicht macht bei SarsCov2 so wenig Sinn wie bei Grippe, sagte Lauterbach. Warum soll das nicht mehr gelten? Glaubwürdigkeit der SPD?
https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1261557202571145216?s=20
Lauterbach:
Eine Impflicht macht bei SarsCov2 so wenig Sinn wie bei Grippe. Wenn die Impfung gut wirkt wird sie auch freiwillig gemacht. Dann keine Impflicht nötig. Wenn sie viele Nebenwirkungen hat oder nicht so gut wirkt verbietet sich Impflicht. Daher nie sinnvoll
Sehr geehrte Frau F.,
ich beantworte Ihnen zwar gerne Ihre Frage, habe mich allerdings sehr gewundert, dass Sie sich auf einen 20 Monate alten Tweet von Karl Lauterbach (vom 16. Mai 2020) beziehen, der deswegen weder aktuell noch aussagekräftig in Bezug auf die aktuelle Situation in der globalen Pandemie ist. Einen Bezug zur „Glaubwürdigkeit der SPD“ kann ich darin auch nicht erkennen, denn am 26. September 2021 ging die SPD als stärkste Partei aus demokratischen Bundestagswahlen hervor und wurde damit von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler mit der Regierungsbildung beauftragt. Gerade Karl Lauterbach genoss und genießt in allen seriösen Umfragen die höchsten Vertrauenswerte in Bezug auf seine anerkannte fachliche Kompetenz und wurde unter großem Beifall der Öffentlichkeit als Bundesgesundheitsminister ernannt. Der Tweet vom 16. Mai 2020 von Karl Lauterbach bezog sich im Übrigen auf den Spiegel Artikel „Kanzleramt schließt Impfpflicht gegen Corona aus“. Ich bin selbst nicht auf Twitter, aber grundsätzlich sollten aus meiner Sicht etwaige Tweets immer von denjenigen kommentiert werden, die sie verfasst haben. Da beide Politiker – Karl Lauterbach und Helge Braun – dem Deutschen Bundestag auch in dieser Wahlperiode angehören, wäre es darum sinnvoll, wenn Sie Ihre Frage direkt an die beiden betroffenen Abgeordneten adressieren.
Auch wenn ich Ihre Sorgen und Vorbehalte zu einer allgemeinen Impfpflicht nachvollziehen kann, halte ich einen 20 Monate alten Tweet nicht für diskussionswürdig. Die globale Pandemie war im Mai 2020 erst wenige Monate bekannt und ebenso ihre weltweiten gesundheitlichen, volkswirtschaftlichen, gesellschaftspolitischen und sozialen Folgen. Es gab 2020 noch keinen Impfstoff und niemand wusste, wann er mit welchem Erfolg und welchen Risiken einsetzbar sein würde. Viele Prognosen von allen möglichen Experten mussten seitdem revidiert werden, weil die Entwicklungen entweder komplett unter- oder überschätzt wurden. Das ist vollkommen normal in einer Pandemie, für die es keine „Blaupause“ gibt und in der es jederzeit durch neuartige Virus-Mutationen zu bis dato unvorhersehbaren neuen Risiken und Herausforderungen kommen kann. Dass wir im Deutschen Bundestag und in der Öffentlichkeit das mögliche Erfordernis einer Allgemeinen Impfpflicht heute anders diskutieren als vor 20 Monaten, als noch nicht einmal ein wirksamer, zugelassener Impfstoff für die breite Bevölkerung existierte, ist darum logisch.
Mein eigener Bruder ist im Januar 2021 an Corona (und nicht etwa „mit“ Corona) gestorben, als er noch nicht geimpft werden konnte. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Impfung bei ihm einen milderen Verlauf ermöglicht hätte und verstehe darum all jene Erwachsenen in Deutschland nicht, für die eine Impfung in Frage käme und die sich dennoch dagegen entscheiden. Über eine „allgemeine Impfpflicht“ diskutieren wir in Deutschland doch nur deswegen, weil die Impfquote bei uns (Stand 21.01.22 vollständig Geimpfte) mit 75,0 Prozent leider nicht einmal ansatzweise so hoch ist wie z.B. in Spanien mit 85,7%, in Dänemark mit 83,1% und in Portugal sogar mit 92,7 %. Ich empfehle Ihnen die Orientierungsdebatte zur allgemeinen Impfpflicht am 26. Januar im Deutschen Bundestag, die auf Phönix in voller Länge übertragen wird und die man auch nachträglich in der Mediathek des Bundestages anschauen kann. Aus meiner persönlichen Sicht gibt es seit dem letzten Sommer genug zuverlässigen Impfstoff für alle und keinen wirksameren Weg aus der Corona-Pandemie als das Impfen.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn