Frage an Bettina Hagedorn von Thorsten D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Hagedorn,
würden Sie auf eine weitere Amtszeit verzichten wenn Ihnen bekannt wird, dass ein Teil Ihrer Wähler sich durch Ihre Afghanistanpolitik bedroht fühlt ? Sind Sie überzeugt , dass Sie mit Ihren sogenannten Informationen über Afghanistan die Lage in diesem Land einschätzen können ? Sie reden immer von der Nicht - Glaubwürdigkeit der Kommunisten. Ich bin kein Kommunist sondern Kapitalist. Sind Sie der Meinung , dass eine Frau mit roter Vergangenheit ein Land in diesen Krieg führen darf?
Wenn Sie die Meinung Ihrer Wähler akzeptieren, warum setzten Sie sich dann nicht für einen Volksentscheid bezüglich der Afghanisatan - Mandate ein ? Haben Sie Angst vor Terror in Deutschland ? Wem würden Sie die Schuld geben?
Sehr geehrter Herr Dickhuth,
Es fällt mir zunehmend schwer, Ihnen zum wiederholten Male Fragen vor dem Hintergrund der Parlamentsentscheidung zum Afghanistaneinsatz zu beantworten -- zuletzt tat ich dieses im Oktober 2007. Schwer fällt es mir deshalb, weil ich Ihnen bereits mehrfach sehr ausführlich und offen meine Position dazu erläutert habe, die Sie ganz offenbar weder teilen noch nachvollziehen können. Das ist völlig in Ordnung. Ihre Fragen jedoch werden aus meiner Sicht immer absurder.
1. Sie fragen, ob ich auf eine "weitere Amtszeit" verzichten würde, wenn mir bekannt würde, dass ein Teil meiner Wähler sich durch meine Afghanistanpolitik bedroht fühlte -- natürlich NICHT! Zunächst einmal habe ich als Bundestagsabgeordnete keine "Amtszeit" wie ein Mitglied der Regierung, sondern als _direkt_ gewählte Bundestagsabgeordnete ein Mandat der Bürgerinnen und Bürger, welches ich als Ergebnis eines demokratischen Willensbildungsprozesses mit Freude und Verantwortung zeitlich befristet für eine Wahlperiode ausüben darf. Nachdem ich 2002 und 2005 DIREKT in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, bin ich am 1.10.08 in einem Akt der innerparteilichen Demokratie erneut für meinen Wahlkreis für die kommende Bundestagswahl als SPD-Kandidatin aufgestellt worden. Damit werden die Bürgerinnen und Bürger im September 2009 mit ihrer Erststimme erneut die Gelegenheit haben zu entscheiden, ob sie mir persönlich als Wahlkreisabgeordnete weiter ihr Vertrauen schenken. Ich stelle mich mit meiner Meinung -- auch zum Afghanistan-Einsatz -- jeder kritischen Debatte und habe bereits drei öffentliche Veranstaltungen zwischen April 2007 und Oktober 2008 zu diesem Konflikt beladenen Thema selbst veranstaltet. Weder halte ich mit meiner Meinung "hinter den Berg" noch rede ich den Menschen "nach dem Mund". Selbstverständlich akzeptiere ich es auch, wenn Menschen sich äußern, dass sie mich wegen meines Abstimmungsverhaltens zu diesem Thema NICHT wählen können. Allerdings lasse ich mich von niemandem -- auch nicht von meinen Wählerinnen und Wählern oder Parteitagsbeschlüssen -- in Fragen der echten Gewissensentscheidung "unter Druck setzen". Ich kann Ihren Einwand daher nicht verstehen, warum Sie es überhaupt für diskussionswürdig halten, ob ich die Meinung meiner Wähler ernst nehme, da sich deren Meinung in der Bestätigung oder gegebenenfalls in der Abwahl meines Mandats äußert - so wie es im Falle einer repräsentativen Demokratie natürlicherweise geschehen soll.
2. Ich denke, dass Volksentscheide zwar grundsätzlich eine sinnvolle Ergänzung zur Parlamentarischen Ebene sein können - in Schleswig-Holstein war es die SPD, die in den 90er Jahren die Chance zu Bürgerentscheiden gesetzlich verankert hat. Auch die SPD im Bund hat mehrfach Anläufe unternommen, Volksentscheide unter bestimmten Bedingungen möglich zu machen -- es hat dafür aber mangels Unterstützung aus CDU/CSU und FDP nie die notwendigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat gegeben. Obwohl ich persönlich also die Möglichkeit von Volksentscheiden positiv sehe, widerspreche ich Ihrer Ansicht, dass fehlende Volksentscheide die demokratische Legitimität von Entscheidungen grundsätzlich in Frage stellen. Ich finde unser Demokratie- und Sozialstaatmodell in Deutschland ganz hervorragend und möchte mit keinem anderen System in der Welt tauschen. Die Bürger haben durch Ihr Wahlrecht die Möglichkeiten, die Repräsentanten in die Parlamente zu wählen, die ihr Vertrauen haben (und die Öffentlichkeit verfügt über die Informationsquellen, um zu kontrollieren, ob diese Kandidaten ihr Vertrauen auch wirklich verdienen!). Dass leider immer weniger Bürgerinnen und Bürger dieses Wahlrecht ausüben, ist in der Tat ein Trauerspiel -- fragt sich nur: für wen? Ich tue alles in meiner Macht stehende, um für mehr Wahlbeteiligung zu werben -- gerade bei den jungen Menschen, um deren Zukunft es geht. Durch Wahlenthaltung verhindert man NICHT, dass bestimmte Politiker in bestimmte Ämter kommen (die niedrige Wahlbeteiligung bei Landratsdirektwahlen ist dafür ein beredtes Beispiel) -- man trägt aber dazu bei, dass die Demokratie ausgehöhlt wird.
3. Selbst, wenn es also das Instrument des Volksentscheides in Deutschland auf nationaler Ebene gäbe, wäre ich dagegen, z.B. die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Gegenstand eines Volksentscheides zuzulassen. In Deutschland haben wir eine Parlamentsarmee, was ich ausdrücklich befürworte und auch im internationalen Vergleich für vorbildlich halte - das wissen Sie aus meinen Antworten auf Ihre vorhergegangenen Fragen. Auslandseinsätze in Afghanistan, dem Kosovo, Bosnien, im Libanon oder Kongo sind differenziert zu betrachten und erfordern eine Fülle von Hintergrundinformationen zu sensiblen Fragen, um in der Abwägung aller Argumente zu einer fundierten Meinung gelangen zu können -- es wäre unverantwortlich solche Themen in einer - auch von den Medien - emotional aufgeheizten Stimmung zu entscheiden. Man stelle sich nur vor, welche Versuchung damit für Terroristen verbunden wäre, über gezielte Anschläge die öffentliche Stimmung in der gewünschten Weise beeinflussen zu können -- und welche Macht man denen geben würde, die aus niederen Motiven vor Attentaten zur Manipulation der Abstimmung nicht zurückschrecken würden.
4. Ihre abschließende pauschale Frage, ob ich Angst vor dem Terror in Deutschland habe und wem ich dafür die Schuld geben würde, kann ich leider nur ebenso pauschal beantworten: Ich habe keine Angst und ich gebe die Schuld am Terror den Terroristen. Wenn ich in Folge unserer Afghanistanpolitik und den Drohgebärden von Terroristen reale Angst entwickeln würde, müsste ich zu dem Schluss kommen, dass es eine sicherere und im bessere Politik wäre, auf die Forderungen der Terroristen einzugehen. Die Folgen eines solchen Handelns habe ich Ihnen bereits in einer früheren Antwort dargelegt. Mit einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan würden wir gleichzeitig das langfristig angelegte Projekt des Zivilen Aufbaus aufgeben müssen, da ohne einen militärischen Schutz solche Herausforderungen zur Herstellung einer stabilen politischen Ordnung in Afghanistan nicht zu bewältigen sind. DANN hätten die Terroristen ihr Ziele erreicht - was weder in unserem Sinne noch in dem der Menschen Afghanistans sein kann.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn