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Bettina Hagedorn
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Bettina Hagedorn von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

es geht um wirtschaftliche Günde für den Afghanistankrieg.
Auf eine entsprechende Frage von Frau Scheer hatten Sie am 26.3.08 mit folgendem Satz reagiert: "Welche wirtschaftlchen Gründe sollten das denn bitte schön sein?"
Frage: Werden Sie nach dem Lesen des folgenden Auszugs Ihre Meinung über die Kriegsbeteiligung der Bundeswehr ändern?

Auszug aus jungeWelt vom 3.7.08:

Noch in diesem Jahr soll mit den Vorbereitungen für die Pipeline TAPI(Gas von Turkmenistan durch Afghanistan nach Pakistan und Indien) begonnen werden. Das vom US-Energiekonzern
Unocal entwickelte Projekt genießt die tatkräftige Unterstützung Washingtons - es war schon lange vor 2001 geplant.

Jetzt will Washington das TAPI-Projekt forcieren. Laut der kanadischen Globe and Mail hat die afghanische Regierung in Kabul bereits Mitte des letzten Monats ein entsprechendes Abkommen mit den drei Ländern unterzeichnet.

Bereits 1998 hatte ein von Unocal geführtes Konsortium mit der damaligen Taliban-Regierung einen Pipeline-Deal vereinbart, der dann aber scheiterte. Washington war äußerst verärgert und begann Vorbereitungen, die Lage zu "korrigieren". Wie 2003 bekannt wurde, hatte die Regierung Bush 6 Monate vor dem 11. September 2001 die Entscheidung getroffen, in Afghanistan zu intervenieren.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Reth,

in Ihrer Anfrage vom 11. Juli 2008 zum Thema Afghanistan reißen Sie bedauerlicherweise mein Zitat aus dem Zusammenhang. In Frau Scheers Antwort habe ich geschrieben: „Ich kann Ihnen versichern, dass wirtschaftliche Gründe bei der deutschen Entscheidung für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan keinerlei Rolle gespielt haben. Welche wirtschaftlichen Gründe sollten das denn bitte schön sein?"

Dabei bleibe ich auch heute! Die Entscheidung der Bundestagsabgeordneten, deutsche Soldaten nach Afghanistan zu entsenden, war zu keinem Zeitpunkt von wirtschaftlichen Interessen geprägt!

Ich bestreite nicht, dass wirtschaftliche Interessen bei Kriegen eine Rolle spielen können. Bei der Entscheidung über die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan waren aber einzig die bereits geschilderten Gründe entscheidend – Bekämpfung des Terrorismus, Aufbau demokratischer und zivilgesellschaftlicher Strukturen, Stabilisierung und Schutz von Aufbauhelfern (siehe meine Antworten auf Ihre Anfrage vom 8. September 2007 und die Anfrage von Frau Scheer vom 19. Februar 2008).

Als Beleg für Ihre These führen Sie einen Artikel von Rainer Rupp aus der Jungen Welt an. Ein verurteilter DDR-Spion, der in einer Zeitung schreibt, die dafür bekannt ist, wohlwollend über Gewalt als Mittel gegen den Kapitalismus zu berichten, ist wohl kaum als aussagekräftige Quelle geeignet.

Das in dem Artikel angeführte Beispiel (TAPI-Projekt) belegt in keinster Weise Ihre Unterstellung. Im Gegenteil: Es gibt keinen plausiblen Grund, warum deutsche Soldaten durch den Deutschen Bundestag in Gefahr gebracht werden sollten, um einer US-Firma wirtschaftliche Vorteile zu sichern. Bis zur Lektüre Ihrer Frage habe ich noch nie vom TAPI-Projekt gehört, auch die Firma Unocal war mir bis dahin unbekannt, weshalb diese auch nicht Grundlage meiner Entscheidung für einen Auslandseinsatz der Bundeswehr gewesen sein können. Leider erwähnen Sie nicht, dass in dem von Ihnen zitierten Zeitungsartikel auch von einem Konkurrenzprojekt eines argentinischen Konsortiums (IPP-Projekt) berichtet wird. Der Artikel unterstellt, dass der Afghanistan-Krieg vom Zaun gebrochen wurde, um dem amerikanischen Projekt Vorteile zu verschaffen gegenüber den Argentiniern. Dadurch wird doch nur deutlich, dass überall in der Welt verschiedenste Länder wirtschaftliche Interessen verfolgen, was unbestritten so ist. Sie aber stellen einen Zusammenhang zur Entscheidung von Bundestagsabgeordneten her, der absurd ist.

Herr Rupp setzt in seinem Artikel die wirtschaftlichen Interessen der USA im Mittleren Osten und die Anschläge vom 11. September 2001 in einen ursächlichen Zusammenhang. Solche Behauptungen gibt es immer wieder. Ein Großteil dieser Argumentationskette gehört aber aus meiner Sicht eher ins Reich der Verschwörungstheorien und Legenden.

Ich versichere Ihnen, dass sich kein Bundestagsabgeordneter die Entscheidung, deutsche Soldaten ins Ausland zu entsenden, leicht macht. Meine Kolleginnen, Kollegen und ich sind uns unserer Verantwortung sehr bewusst. Die Entscheidung über einen Auslandseinsatz kommt nach einem gründlichen Abwägen des Fürs und Widers zustande, für das uns hervorragende differenzierte Informationsquellen zur Verfügung stehen. Alle Mandate zu Auslandseinsätzen fanden eine überwältigende fraktionsübergreifende Mehrheit im Bundestag und stehen somit auf der Basis eines breiten demokratischen Konsens. Zu unterstellen, die Abgeordneten würden leichtfertig das Leben der Soldaten aus wirtschaftlichen Gründen aufs Spiel setzen, ist eine Beleidigung der demokratisch gewählten Abgeordneten.

In einem Leserbrief im Ostholsteiner Anzeiger vom 25.9.2008 zu meiner Tätigkeit als MdB und zu meinem Abstimmungsverhalten zu Afghanistan-Einsätzen schreiben Sie, ich sollte „erklären, warum [ich] der deutschen Beteiligung am Afghanistankrieg zugestimmt“ habe. Sehr geehrter Herr Reth, das habe ich viele Male – auch in von mir selbst initiierten Diskussionsveranstaltungen in Eutin, im April und Oktober 2007 und erst jüngst am 6. Oktober 2008 mit Niels Annen als Referent – getan. Auf dieser Veranstaltung haben Sie gemeinsam mit vielen anderen Gästen die Gelegenheit zur kritischen Diskussion mit Niels Annen und mir genutzt. Diese Möglichkeit zum persönlichen Austausch – und nicht nur über Leserbriefe und abgeordnetenwatch.de – halte ich für überaus sinnvoll. Daher werde ich meine Diskussionsreihe zu der Situation in Afghanistan wie angekündigt im Frühjahr 2009 fortsetzen. Ich würde mich sehr freuen, Sie dort wieder begrüßen zu dürfen!

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn

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