Frage an Bettina Hagedorn von Guido K. bezüglich Wirtschaft
Als Einwohner Ihres Wahlkreises wende ich mich heute an Sie.
Als Zollbeamter gehöre ich organisatorisch der gleichen Zollverwaltung an, die ihre papiermäßig Beteiligten seit geraumer Zeit "Kunden" nennt. Diese an sich sehr begrüßenswerte Änderung im Ton steht im absoluten Gegensatz zu meinem beruflichen Alltag und dem aller im Zollvollzug eingesetzten Beamten.
Die sich ergebenden Konflikte liegen auf der Hand. Firmen, die wir im Visier haben, verschaffen anderen bei uns ihre Arbeit. Das kann nicht gut gehen. Dabei wird für alle Bereiche das Personal nach den gleichen Kriterien ausgewählt.
Das heißt in der Praxis, dass ein ausgebildeter Zollbeamter genauso gut einen hochkomplizierten Steuerbescheid unter Berücksichtigung von EU-Normen fertigen können soll wie den Zugriff auf einen hochgewaltbereiten Rauschgift- oder Zigarettenschmuggler.
Eine schlichte organisatorische Änderung zu einer "Bundesfinanzpolizei" unter dem Dach des BMF könnte diese Problematik beseitigen.
Wie stehen Sie dazu?
Sehr geehrter Herr Kubsch,
vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich mit dem Vorschlag, eine Bundesfinanzpolizei einzurichten, beschäftigen.
Ihr Vorschlag ist mir bekannt und wurde auch schon im Bundesministerium der Finanzen intensiv diskutiert. Die Gewerkschaft der Polizei favorisiert seit langem die Zusammenführung der Vollzugsbereiche der Zollverwaltung - in Betracht kämen der Grenzzolldienst, die Mobilen Kontrollgruppen, der Zollfahndungsdienst und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit - zu einer "Bundesfinanzpolizei". Letztlich ist im Bundesministerium der Finanzen eine Entscheidung gegen eine solche Lösung getroffen worden. Ich finde die Gründe, die dabei genannt wurden, überzeugend und schließe mich in diesem Fall dem Ministerium an.
In den für eine Zusammenführung in Frage kommenden Arbeitsbereichen werden klassische Zollaufgaben erledigt. Dass die Beamten in diesem Zusammenhang mit den gleichen Rechten zur Durchsetzung der zollrechtlichen Befugnisse wie die Polizei ausgestattet sind, dient als "Annex" der Aufgabenerfüllung und ändert nichts an ihrem Status als Finanzbeamte.
So gehört zu den primären Aufgaben des Grenzzolldienstes und der Mobilen Kontrollgruppen die zollamtliche Überwachung des Warenverkehrs auf Grundlage des Zollkodex, der Zollkodex-Durchführungsverordnung, des Zollverwaltungsgesetzes, der Abgabenordnung und der Verbrauchsteuergesetze sowie der Bestimmungen für Verbote und Beschränkungen. Dementsprechend bildet im Grenzzolldienst das Recht des grenzüberschreitenden Warenverkehrs, das Zolltarifrecht und das Steuerrecht den fachlichen Schwerpunkt der Ausbildung.
Entsprechendes gilt für den Zollfahndungsdienst und das Zollkriminalamt, die von ihrer Aufgabenstellung her Finanzbehörden, aber auch Überwachungsbehörden und strafprozessuale Ermittlungsbehörden der Zollverwaltung sind. Dabei gründet sich die Fachkompetenz des Zollfahndungsdienstes insbesondere auf die fundierte zollspezifische Ausbildung und die Erfahrungen des Personals in der allgemeinen Zollverwaltung. Darüber hinaus hat der Zollfahndungsdienst aufgrund der Verzahnung mit der allgemeinen Zollverwaltung die Möglichkeit, Erkenntnisquellen zu nutzen, die anderen Behörden auf Grund des Steuergeheimnisses nicht in gleicher Weise zugänglich sind.
Auch die erfolgreiche Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung kann nicht allein durch vollzugspolizeiliche Aufgabenstrukturen gewährleistet werden, sondern benötigt einen Verfolgungsansatz, der auf Risikoanalyse und umfassenden Prüfungen der Geschäftsunterlagen beruht. Die in diesem Arbeitsbereich eingesetzten Beschäftigten des gehobenen Dienstes sind aufgrund ihres qualifizierten Fachhochschulstudiums, das auch Kenntnisse des betrieblichen Rechnungswesens vermittelt, und ihrer Berufserfahrung in der Zollverwaltung bzw. der Arbeitsverwaltung besonders qualifiziert, die häufig anzutreffenden komplexen Tat- und Täterstrukturen zu erkennen. Durch die Eingliederung dieses Arbeitsbereichs in die Zollverwaltung ist es möglich, jederzeit auch Experten aus anderen Arbeitsbereichen heranzuziehen.
Im Gegensatz zu den Ermittlungshandlungen des Zollfahndungsdienstes setzen die Kontrollen des Grenzzolldienstes, der Mobilen Kontrollgruppen und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit keinen strafprozessualen Anfangsverdacht voraus; diese verdachtsunabhängigen Kontrollen sind damit weder polizeiliche Ermittlungs- noch polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahmen. Gerade weil bei vollzugspolizeilichen Maßnahmen nicht ohne weiteres Geschäftsräume zu Prüfungszwecken betreten werden dürfen, verbietet sich jede weitergehende Vermischung mit polizeilichen Strukturen. Es liegen also gewollte und beabsichtigte Differenzierungen vor.
Auch aus organisatorischer Sicht weist der Vorschlag keine Vorteile gegenüber dem Status quo auf. Bei Abtrennung der "Vollzugsdienste" würde die notwendige "Verzahnung" zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen der Zollverwaltung, in denen Folgetätigkeiten anfallen (z.B. Aufgriff mit steuerrechtlicher Relevanz durch eine Mobile Kontrollgruppe, Seite 3 steuer-, straf- bzw. bußgeldrechtliche Würdigung und ggf. Vollstreckung durch ein Hauptzollamt), aufgegeben. Eine effektive und effiziente Aufgabenwahrnehmung wäre damit nicht mehr gewährleistet. Dem angeblichen Interessenkonflikt zwischen Abfertigung und Kontrolle kann mit den modernen Steuerungsinstrumenten, insbesondere im Rahmen des Controlling, angemessen Rechnung getragen werden.
Für die von Ihnen angesprochenen besonders gefährlichen Aufgriffslagen verfügt der Zollfahndungsdienst über entsprechend ausgebildete Bedienstete.
Meiner Meinung nach ist es die richtige Lösung die bisherige Struktur der Arbeitsbereiche beizubehalten, um die "Verzahnung" der verschiedenen Arbeitsbereiche und die Leistungsfähigkeit des Zolls zu erhalten.
Ich hoffe, dass ich Ihnen damit meine Position deutlich machen konnte, auch wenn ich Ihrer Anfrage nicht positiv entsprechen konnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre
Bettina Hagedorn