Frage an Bettina Hagedorn von Thorsten D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Hagedorn !
Nochmals zu meiner Frage ob Sie den Kriegstreibern folgen wollen oder nicht ?
Ich mache hier ganz deutlich nochmals klar, dass ich gegen den Einsatz von Kriegsgerät ( Tornados ) und nicht gegen die militärische Unterstützung für die Aufbauhilfe der ISAF kämpfe. Eigentlich müssten Sie diverse E-mails, die an den Bundestagsverteiler gegangen sind gelesen haben. Ansonsten, meinen Namen unter Google eingeben.
Meine Fragen .
Warum hat das Bundeskabinett , ISAF und die Tornados zusammengelegt ? Warum kümmern wir uns nicht nur um die Aufbauhilfe ? Wird der Weg freigemacht für weitere Anfragen nach deutschen Kampftruppen und Kriegsgerät !
Zu Ihren letzten Ausführungen. Bitte erzählen Sie mir nicht was in solchen Ländern los ist. Ich bin im Konvoi zwischen Irak und Iran mit einem Tanker gefahren. Ich bin in Ostafrika von Partisanen beschossen worden. In Guatemala sind wir täglich mit einer Decke über dem Kopf (um uns vor Snippers zu schützen) ins Hinterland gefahren . Neben mir in Guatemala City ist ein Auto mit einem Minister in die Luft gejagt worden. In Alexandria hat man schnell mal ein paar Rebellen im Hafen umgenietet. 50 Meter neben uns ! Ich habe aber auch eine Menge Freunde in der ganzen Welt und die haben Angst vor den Deutschen ! Ist das unser Ziel !
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Dickhuth, ein für den Frieden kämpfender Deutscher
Sehr geehrter Herr Dickhuth,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage zur Verlängerung der Afghanistan-Mandate.
Bereits am 11.10.2007 habe ich auf Ihre Anfrage vom 09.10. ausführlich geantwortet und dabei meine Position zur Abstimmung über den Isafeinsatz und den der deutschen Aufklärungstornados deutlich gemacht. Offensichtlich haben Sie und ich verschiedene An- und Einsichten zu diesem Thema. Wie schon in meiner letzten Antwort verwehre ich mich entschieden dagegen, dass Sie indirekt die deutsche Regierung als „Kriegstreiber“ bezeichnen – Ihre Wortwahl im Hinblick auf unsere demokratisch gewählte Regierung ist für mich vollkommen unakzeptabel. Ich erwarte nicht, dass ich mit meiner Antwort vom 11. Oktober Sie in Ihrer Grundeinstellung zum Afghanistaneinsatz argumentativ ernsthaft erreichen konnte, hätte mir aber den selben Respekt mir gegenüber von Ihnen erhofft, den ich selbst allen Andersdenkenden entgegenbringe. Ihre Wortwahl lässt mich daran zweifeln. Als Abgeordnete nehme ich bei jeder Abstimmung zu Auslandseinsätzen für mich eine freie Gewissensentscheidung in Anspruch.
Ich stelle mich in Veranstaltungen in meinem Wahlkreis der kritischen Diskussion allen, die interessiert sind, sich über die Situation in Afghanistan zu informieren und konstruktiv kritisch auszutauschen. Zuletzt habe ich am 30.Oktober und am 2. April 2007 jeweils in Eutin bei Informationsveranstaltungen zu Afghanistan mit namenhaften Referenten – unter anderem Hans-Hermann Dube als Leiter des GtZ-Büros in Kabul und MdB Jörn Thießen als Mitglied des Verteidigungsausschusses und der SPD internen Arbeitsgruppe zu Afghanistan – eingeladen, und 70 bis 100 Personen aller Generationen sind diesen Einladungen gefolgt. Ich werde auch weiterhin den Bürgerinnen und Bürgern in meinem Wahlkreis die Möglichkeit geben, sich aus erster Hand über die Situation in Afghanistan zu informieren und zu diskutieren und sich dadurch eine fundierte unabhängige Meinung zu bilden. Darüber hinaus nehme ich gerne die Gelegenheit wahr, mit anderen Referenten, die die Situation in Afghanistan durch persönliches Erleben beurteilen können, zu diskutieren - wie zum Beispiel mit Reinhard Erös (Ärztlicher Leiter einer deutschen Hilfsorganisation im afghanischen Kriegsgebiet) als Gast der beruflichen Schulen in Ostholstein im Sommer 2007. Auch wenn wir andere Auffassungen haben, konnten wir uns bei dieser Veranstaltung sehr sachlich und fundiert austauschen. Des Weiteren tausche ich mich intensiv mit den deutschen Soldaten aus, die in Afghanistan im Einsatz waren – 104 junge Leute aus der Eutiner Rettbergkaserne sind im November erneut nach Mazar-i-Sharif aufgebrochen.
Nach einem langen Diskussionsprozess auch mit kritischen Bundestagskollegen in Berlin habe ich am 15. November auch dem OEF-Mandat zugestimmt. Ich trage die volle Verantwortung für meine Entscheidung – die kann mir niemand abnehmen. Mir ist bewusst, dass es viele Bürgerinnen und Bürger geben mag, die diese Entscheidung missbilligen und mir deshalb möglicherweise bei künftigen Wahlen ihre Stimme nicht geben können. Von solchen wahltaktischen Gesichtspunkten sollte man sich meiner Meinung nach als Abgeordnete jedoch bei Gewissensentscheidungen niemals leiten lassen. Ich prüfe vor einem "Ja" zu Auslandseinsätzen mein Gewissen stets vor allem darauf, ob ich meine Entscheidung vor den Soldatinnen und Soldaten, die in den Einsatz gehen, verantworten kann, und vor ihren Lebenspartnern, Kindern und Eltern. Und ich frage mein Gewissen auch, ob ich ein "Nein" eigentlich verantworten könnte gegenüber den in diesen Krisengebieten auch eingesetzten deutschen zivilen Sicherheitskräften und Entwicklungshelfern und vor allem auch gegenüber der dort heimischen Bevölkerung, die sich in großer Mehrheit nach Stabilität und einer Zukunftsperspektive sehnt, die sie beim Abzug der internationalen Soldaten mit Sicherheit nicht hätte.
Selbstverständlich erhalte ich – wie alle meine Kollegen – diverse E-Mails, die über den Bundestagsverteiler versandt werden. Solche Massenmails beeindrucken aber offengestanden nicht. Individuelle Post von Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis hat für mich einen viel bedeutsameren Stellenwert.
Seien Sie versichert, Herr Dickhuth, dass Sie nicht der einzige Mensch sind, der Freunde in der ganzen Welt hat. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich jedoch nicht einmal ansatzweise die Wahrnehmung, dass man „in der Welt Angst vor den Deutschen“ hat – das ist einfach absurd. Ich bin ganz im Gegenteil davon überzeugt, dass die Deutschen in den Krisengebieten - und zwar auch die deutschen Soldaten – zu Recht einen hervorragenden Ruf genießen. Dazu leistet die differenzierte Ausbildung, das intensive Einstimmen auf Kultur, historische Wurzeln, Religion und Traditionen der Völker, in deren Ländern die Einsätze stattfinden, einen hervorragenden Beitrag. Von der hohen Qualität der Menschenführung bei der Bundeswehr konnte ich mich bei diversen Besuchen unter anderem 2004 und 2005 in Bosnien und im Kosovo sowie 2006 in Afghanistan überzeugen. Ich plane, im Frühjahr 2008 wieder Afghanistan zu besuchen, auch um mich zu informieren über die Entwicklungen vor Ort im Vergleich zu meiner Reise 2006.
Zu Ihrer Frage, was die Zusammenlegung der Abstimmungen über ISAF und die Aufklärungstornados anbelangt, stelle ich fest, dass dieses legitimer Weise eine Kabinettsentscheidung war. Für mich persönlich war diese Zusammenlegung auch unproblematisch, da ich auch bei getrennter Abstimmung beiden Einsätzen zugestimmt hätte.
Sie stellen die Frage, wieso wir uns in Afghanistan nicht deutlich stärker im Rahmen der zivilen Hilfe engagieren. Im Vergleich zu den über 30.000 zivilen deutschen Helfern ist die Zahl von 3.500 Soldaten klein und dieses Verhältnis spiegelt auch den Schwerpunkt der deutschen Strategie in Afghanistan wieder – den zivilen Wiederaufbau. Vergleicht man das Kontingent im Kosovo, auch 3500 Soldaten, mit dem in Afghanistan, müsste man konsequenterweise angesichts der Größe des Landes und der herausfordernden Probleme eher mehr als weniger Soldaten in Afghanistan und gleichzeitig vor allem eine Aufstockung der Polizeikräfte zur Stabilisierung eines verstärkten zivilen Wiederaufbaus fordern. Genau wie Sie sehe ich die zivile Aufbauhilfe als das zentrale und wichtigste Instrument für Frieden, wirtschaftlichen und zivilen Aufbau in Afghanistan an. Militärische Präsenz allein kann unbestreitbar keinen Frieden bringen, sie ist aber nach meiner festen Überzeugung die Voraussetzung für eine erfolgreiche, nachhaltige zivile Aufbauarbeit. Wie ich eingangs erwähnt habe, hat es eine Arbeitsgruppe innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion gegeben, in der nicht nur Verteidigungspolitiker sondern auch Abgeordnete aus den Fachbereichen Innen- und Außenpolitik sowie Fachleute für humanitäre und Entwicklungshilfe sowie internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit zusammengearbeitet haben. Diese Gruppe aus Experten hat fast ein Jahr lang die Situation in Afghanistan und die Folgen der bisherigen internationalen Arbeit analysiert und Perspektiven für eine Neuausrichtung in der Afghanistanstrategie entwickelt. Die Konsequenzen aus dieser Arbeit können Sie einem hervorragenden Abschlusspapier entnehmen. Dieses Papier ist mehrheitlich eine konsensuale Standortbestimmung der SPD-Bundestagsfraktion, die Sie unter folgendem Link im Detail nachlesen können.
http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_dok/0,,41984,00.html
Sehr geehrter Herr Dickhuth, Sie bezeichnen sich selbst als „einen für den Frieden kämpfenden Deutschen“. Ich hoffe sehr, dass Sie tolerant genug sind, diese Attribute nicht ausschließlich für sich selbst und für Menschen, die Ihre Ansichten teilen, in Anspruch nehmen zu wollen. Seien Sie versichert, dass auch ich – wie auch meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, die den Auslandseinsätzen zugestimmt haben – für uns in Anspruch nehmen, dieses im Geiste des Friedens und der Verantwortung innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft für die Menschen in Krisengebieten zu tun. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass gerade diejenigen in Deutschland, die unterschiedlicher Auffassung zu diesem Engagement sind, miteinander im Dialog bleiben.
In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn