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Bettina Hagedorn
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Frage von Simon H. •

Frage an Bettina Hagedorn von Simon H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

wie stehen Sie als Vertreterin meines Wahlkreises zu den geplanten Einsätzen von RFID und der geplanten heimlichen Online-Durchsuchungen mit Hilfe des „Bundestrojaners“?

Durch den Einsatz von RFID lassen sich sehr einfach, sehr ausführliche Profile über die einzelnen Bürger erstellen und es können sehr viele personenbezogene Daten gespeichert und genutzt werden, was die Missbrauchsgefahr sehr steigert, da diese Daten sehr leicht von Unbefugten ausgelesen werden können.

Des weiteren stellt in meinen Augen die heimliche Online-Durchsuchung einen sehr tief greifenden Eingriff in den Kernbereich der privaten Lebensführung dar, wie es auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat.

In einem Interview mit der taz hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bekräftigt, dass es bei der geplanten verdeckten Online-Durchsuchung keine privaten Bereiche auf der Computerfestplatte geben kann, die im Sinne des "Kernbereichs privater Lebensführung" geschützt sind.

Mich würde ebenfalls interessieren wie Sie als Abgeordnete zu dieser heimlichen „Durchsuchung“ von sehr privaten Daten stehen und ob Sie der Meinung sind, dass diese Eingriffe in die Privatsphäre zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus unbedingt notwendig sind.

Ich bedanke mich im Vorraus für Ihre Bemühungen und freue mich auf eine baldige Antwort.

Mit freundlichen Grüßen,

Simon Hamelau

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hamelau,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie mich um Stellungnahme zum Einsatz von RFID-Chips und Online-Durchsuchungen bitten.

Nicht erst seit dem Fund der Kofferbomben Ende Juli in zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn wird immer deutlicher, dass das Thema innere Sicherheit von besonderer Bedeutung ist, welches mit dem nötigen Ernst und der nötigen Ruhe diskutiert werden muss. Der internationale Terrorismus und die organisierte Kriminalität stellen uns im neuen Jahrtausend vor große Herausforderungen. Wir müssen unsere Sicherheitsorgane mit der nötigen Technik ausrüsten, um dieser Gefahr begegnen zu können. Gleichzeitig wollen wir keinen Überwachungsstaat. Natürlich sind viele Maßnahmen für mehr innere Sicherheit immer eine Gratwanderung und auch unter Sozialdemokraten umstritten.

Die Nutzung moderner Techniken zur Speicherung von erkennungsdienstlich relevanten Daten und den Einsatz der RFID-Technologie auf Ausweisdokumenten halte ich insgesamt für sinnvoll. Eine schnellere Identitätsüberprüfung wird dadurch ermöglicht. Zudem wird durch diese Technik ein Höchstmaß an Fälschungssicherheit von Ausweisdokumenten erreicht. Gleichwohl gilt es, auch auf internationaler Ebene, sicherzustellen, dass die Daten ausschließlich auf den Pässen und nicht in externen Dateien gespeichert werden. Dass ein Datenmissbrauch ausgeschlossen wird, ist erklärtes Ziel der SPD-Bundestagsfraktion. Das Bedrohungsszenario eines unbefugten Auslesens der Daten auf den Dokumenten halte ich in diesem Zusammenhang für eher theoretisch. Insbesondere stünde der aufzubringende Aufwand in keinem Verhältnis zum dadurch erzielten Informationsgewinn. Biometrische Daten werden in der Bundesrepublik sowohl zum jetzigen Zeitpunkt als auch in der Zukunft ausschließlich für hoheitliche Zwecke ausgelesen und gespeichert. Eine andere Vorgehensweise verstieße gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ebenso wenig ist es gesetzlich zulässig, Dokumentendaten zentral zu speichern. Letzteres wäre jedoch die notwendige Voraussetzung für eine Weitergabe von den in den biometrischen Personalausweisen enthaltenen persönlichen Daten.
In Ihrer Anfrage haben Sie mich gebeten, Stellung zu den von Bundesinnenminister Schäuble geforderten Gesetzesänderungen, die eine Online-Durchsuchung von Festplatten ermöglichen, zu beziehen. Der Bundesgerichtshof hat am 31.01.2007 ein solches Vorgehen wegen fehlender rechtlicher Grundlagen verboten. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, begrüßte diese Entscheidung und bezeichnete Online-Durchsuchungen als „gravierenden Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht“.

Grundsätzlich stehe ich der technischen Weiterentwicklung von Fahndungsmaßnahmen nicht ablehnend gegenüber. Die Online-Durchsuchung sehe ich allerdings sehr kritisch. Die meisten Menschen bewahren persönlichste Computerunterlagen wie E-Mails, Kontoauszüge oder Krankenunterlagen zu Hause auf, weil dort der Computer steht. Mithilfe der Online-Durchsuchung könnte der Staat faktisch in die Wohnung eindringen, die aber laut Bundesverfassungsgericht als "letztes Refugium zur Wahrung der Menschenwürde" zu gelten hat.

Zudem müssen die Befürworter einer Online-Durchsuchung die Notwendigkeit der Maßnahme nachweisen. Denn, wer die Verfassung ändern und das „staatliche Hacken“ erlauben will, der trägt die Darlegungslast. Die Befürworter müssen also sehr überzeugend nachweisen, dass dieser tiefe Eingriff in die bürgerliche Freiheit zu enormen Vorteilen bei der Bekämpfung schwerster Verbrechen führt. Vor diesem Hintergrund sehe ich im Moment keinen Anlass zu der Befürchtung, dass ein parlamentarisches Verfahren zugunsten der Online-Durchsuchung auf den Weg gebracht wird.

Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position durch meine Antwort näher bringen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn

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