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Bettina Hagedorn
SPD
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Frage von Jens H. •

Frage an Bettina Hagedorn von Jens H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

können Sie mir sagen, warum Sie die USA bei ihren Kriegen unterstützen und für eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes gestimmt haben?

Die USA haben keine Hemmungen Kriegsgründe zu erfinden, wie z.B. beim Irak-Krieg?
Anders als behauptet unterstützte der Irak keine Terrorristen, hatte keine Massenvernichtungswaffen, hatte keine Verbindung zu Al-Qaida und Bin Laden und hatte keine Verbindung zu den Anschlägen des 9/11.
Siehe Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Begr%C3%BCndung_f%C3%BCr_den_Irakkrieg

Durch den Irak-Krieg haben 1,4 Millionen Menschen ihr Leben verloren.
Der Krieg selbst war völkerrechtswidrig, siehe hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Irakkrieg

So ist es also möglich, dass auch die Gründe für den Afghanistaneinsatz erlogen sind.

Dazu kommen dann noch diverse Kriegsverbrechen der USA, wie z.B. bei diesem Link bei dem u.a. Journalisten von Reuters umgebracht wurden.
http://www.youtube.com/watch?v=5rXPrfnU3G0

Die USA haben international geächtete Phosphorbomben im Irakkrieg eingesetzt.
http://www.news.at/a/usa-phosphor-irak-kaempfer-brandwaffen-falluja-126027

Dazu haben die USA auch noch weite Landstriche im Irak mit Uranstaub, durch den Einsatz von Uranmunition, verseucht.

Auch lässt die USA an verschiedenen Orten der Welt foltern (z.B. Guantanamo)?

Für den Fall, dass US-Bürger vor dem internationalen Gerichtshof aussagen müssten, haben die USA sich das Recht gegeben, diese Bürger mit militärischen Mittel zu "befreien".
http://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Strafgerichtshof

Mit ist es schleierhaft, wie man die USA bei ihren Kriegen unterstützen kann.

Können Sie sagen, warum wir, die BRD oder auch Sie, die USA bei Ihren Verbrechen unterstützen?
Müsste den USA (und den Mittätern) nicht vor dem Internationalen Kriegsgericht in Den Haag der Prozess gemacht werden?
Wenn heute wieder die Frage wäre, ob wir zusammen mit den USA in andere Länder einmarschieren wollen, wie würden Sie entscheiden?

MFG
Jens Helmcke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Helmcke,

vielen Dank für Ihre siebte Anfrage binnen zwei Jahren via abgeordnetenwatch.de an mich, die ich Ihnen wiederum gerne beantworte. Wie Sie korrekt schreiben, habe ich am 20. Februar zusammen mit 497 weiteren Parlamentariern in namentlicher Abstimmung für die letztmalige Verlängerung des ISAF-Mandates in Afghanistan gestimmt – wie Ihnen sicher bekannt ist, gehöre ich dem Deutschen Bundestag seit September 2002 an und ich kann ergänzen: ich habe bei ALLEN Abstimmungen zu ISAF-Einsätzen in Afghanistan seitdem mit "Ja" gestimmt. Insofern erstaunt mich Ihre Frage - warum ich am 20. Februar mit "Ja" gestimmt habe - sehr, denn dieses Mal ging es um den letzten Einsatz dieser Art vor Ende des international vereinbarten Einsatzendes 2014. Hätten Sie es auch nur ansatzweise für logisch gehalten ausgerechnet diesem letzten Einsatz meine Zustimmung zu verweigern?
Sie unterstellen mit Ihrem Schreiben, dass ich mit meinem "Ja" "die USA bei ihren Kriegen unterstützen“ würde - mit Verlaub: das ist hanebüchen und nicht einmal ansatzweise seriös argumentiert. Ganz absurd wird Ihre Argumentation, wenn Sie ausgerechnet mir als einer SPD-Abgeordneten gegenüber den Afghanistan-Einsatz im gleichen Atemzug mit dem Irak-Krieg und dortigen USA-Kriegsverbrechen argumentieren... Ich verwahre mich aufs Schärfste gegen Ihre Unterstellung, die „BRD“ oder ich selbst würden die USA bei Kriegsverbrechen jedweder Art unterstützen. Sie sollten zu so viel Differenzierung fähig sein, um zu erkennen, dass das internationale ISAF-Mandat unter deutscher Beteiligung mit dem Vorgehen der USA im Irak ab März 2003 nicht ansatzweise vergleichbar ist: der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte 2003 - nicht nur aus heutiger Sicht völlig zurecht - eine deutsche Beteiligung an einer militärischen Operation im Irak strikt abgelehnt. Als Sozialdemokratin bin ich bis heute stolz darauf, dass sein mutiges Vorgehen damals dazu geführt hat, dass deutsche Soldaten bis heute NICHT im Irak sind... Wofür sich die heutige Bundeskanzlerin Merkel damals in Washington bei Präsident Bush quasi öffentlich entschuldigt hat.
Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages bin ich für Ihre Kritik an der US-amerikanischen Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik zudem schlichtweg die falsche Ansprechpartnerin. Mein Abstimmungsverhalten zum ISAF-Mandat hingegen möchte ich Ihnen im Folgenden gerne ausführlich darlegen - wie in den letzten Jahren übrigens bereits mehrfach via abgeordnetenwatch.de geschehen.
Im Zentrum meiner Entscheidung, mit "Ja" zu stimmen, standen und stehen - wie bereits bei den vorangegangenen Abstimmungen zum ISAF-Mandat und zu allen Entscheidungen für oder gegen einen Auslandseinsatz der Bundeswehr - stets die Menschen, die direkt von meinem Abstimmungsverhalten betroffen sind: Ich prüfe vor einem "Ja" zu Auslandseinsätzen mein Gewissen stets vor allem darauf, ob ich meine Entscheidung vor den Soldatinnen und Soldaten, die in den Einsatz gehen, und ihren Familien verantworten kann. Ich frage mein Gewissen aber auch, ob ich ein "Nein" eigentlich verantworten könnte – nicht nur gegenüber den in diesen Krisengebieten auch eingesetzten deutschen zivilen Sicherheitskräften und Entwicklungshelfern, sondern vor allem gegenüber der afghanischen Bevölkerung, die sich in großer Mehrheit nach Stabilität und einer Zukunftsperspektive sehnt, und deshalb dem bevorstehenden schrittweisen Abzug der internationalen Soldaten teils mit Sorge entgegensieht. Und schließlich ist Kriterium meiner Gewissensentscheidung auch stets der Grundsatz der internationalen Solidarität, dem sich die SPD seit über 150 Jahren verpflichtet fühlt.
2006 und 2008 war ich selbst in Afghanistan – ich kann Ihnen versichern, dass eine solche Reise (ebenso wie meine drei Reisen nach Bosnien und in den Kosovo) den Blickwinkel auf die Probleme in diesen Krisengebieten, auf die Lebenslage der Menschen dort und auf das, was unsere Soldaten, zivilen Sicherheitskräfte und Aufbauhelfer dort leisten, erheblich verändert. Ich habe ungeheuren Respekt vor deren Arbeit und bin fest davon überzeugt, dass ohne diesen Einsatz die Völker in diesen Ländern keine Perspektive auf eine positive Entwicklung hätten. Von vielen Bundestagsabgeordneten weiß ich, dass sie nach persönlichen Besuchen z.B. in Afghanistan zu veränderten Sichtweisen gekommen und fest überzeugt sind, dass ein "Nein" zur Verlängerung der Mandate fatale Folgen hätte. Ohne Stabilität und Schutz durch die Bundeswehr ist eine wirkungsvolle Arbeit der humanitären Organisationen nicht möglich. Militärische und humanitäre Präsenz in Afghanistan bedingen einander solange, bis Afghanistan selbstständig Sicherheit und Stabilität für seine Menschen gewährleisten kann. Ein Wegfall des militärischen Schutzes würde das zivile Engagement ausländischer humanitärer Organisationen nahezu unmöglich machen und alle bisherigen Erfolge und positiven Veränderungen ins Gegenteil verkehren. Ziviles Engagement braucht einen langen Zeitraum, um seine Wirkung entfalten zu können. Auch hier in Deutschland hatte ich bei verschiedenen Gesprächen mit Soldaten aus meinem Wahlkreis oft Gelegenheit, meine Entscheidungen intensiv zu prüfen. Viele der Soldaten sind seit Jahren immer wieder in Einsätzen in Afghanistan gewesen und die Meinung war einhellig: Eine deutsche Beteiligung ist und war berechtigt, erhöht die Sicherheit und ein Abzug kann nur international abgestimmt erfolgen - ebenso wie auf dem Balkan.
Seit vielen Jahren pflege ich eine enge Beziehung zur Eutiner Rettberg-Kaserne, die regelmäßig hunderte ihrer Soldaten in den Auslandseinsatz entsendet. Um diese authentischen Informationen und Diskussionen in die Mitte unserer Region zu tragen und die gesellschaftliche Debatte zu versachlichen, habe ich im April 2007 eine Veranstaltungsreihe zum Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan ins Leben gerufen. Damals eröffnete ich mit dem anerkannten Afghanistanexperten und langjährigen Regionaldirektor der GTZ für Afghanistan und Pakistan - Hans-Hermann Dube - die Veranstaltungsreihe unter dem Titel "Afghanistan – Ziviler Aufbau in einem Konfliktland". Ihm folgte als Referent im Oktober 2007 unser damaliger Bundestagskollege im Verteidigungsausschuss Jörn Thießen unter dem Titel "Afghanistan – so viel Militär wie nötig, so wenig wie möglich: Gratwanderung im Bemühen um Stabilität". Im Oktober 2008 ging es mit Niels Annen, damals Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, um das Thema "Afghanistan – Erwartungen der deutschen und afghanischen Politik an Wiederaufbau und Stabilität". Die Veranstaltung im Juli 2009 mit der Kabuler Büroleiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung, Tina Marie Blohm, stand unter dem Titel "Weiblich, jung, afghanisch – Perspektiven der Frauen in Afghanistan". Im September 2010 diskutierte ich gemeinsam mit Dr. Almut Wieland-Karimi, der Direktorin des Zentrums für internationale Friedenseinsätze, über das Thema "Internationales Engagement für Afghanistan – Kann die neue Strategie zum Erfolg führen?". Vorerst letzter Termin in dieser Reihe war eine Diskussionsveranstaltung im Januar 2013 mit Soldaten, Ärzten und interessierten Bürgern zum öffentlichen Tabu-Thema der zunehmenden Traumatisierung deutscher Soldaten nach den Einsätzen: "Nach dem Auslandseinsatz – Umgang mit unsichtbaren Verwundungen". Denn Fakt ist: Eine immer größer werdende Anzahl von Heimkehrern leidet unter Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und unsere Politik tut leider (noch) zu wenig, weswegen ich die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren möchte. All diese Veranstaltungen waren in Eutin und sie waren öffentlich. Ich werde sicherlich auch in den kommenden Jahren diese Veranstaltungsreihe fortsetzen und würde mich freuen, Sie dann dort begrüßen zu können.
Auch bei jeder zukünftigen Entscheidung über ein Auslandsmandat - ob mit oder ohne die USA - werde ich nach diesen Maßstäben mein Gewissen prüfen. Ob ich im konkreten Fall ein "Ja" - oder ein "Nein" - verantworten kann, verlangt eine ernsthafte und auf den jeweiligen Fall bezogene Gewissensentscheidung, die ich mir dann wieder selbstverständlich nicht leicht machen werde. Die von Ihnen geforderte pauschale Antwort - "ob wir zusammen mit den USA in andere Länder einmarschieren wollen" - verbietet sich darum von selbst.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Bettina Hagedorn

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