Frage an Bettina Hagedorn von Hans-Jürgen L. bezüglich Bildung und Erziehung
Hallo Bettina Hagedorn
warum müssen etliche Schulen um ihr Überleben kämpfen, bzw. "fusionieren? Und die Solidarität unter den Betroffenen ist auch nicht gerade vorbildlich. Es kämpft jeder gegen jeden, - inklusive die Elternbeiräte, Kommunalpolitiker, um nur einige zu nennen. Sind es wirklich die fehlenden Schüler oder die knappen Kassen der Standortbetreiber?
Gruß aus Bosau
Hans-Jürgen Landsetzer
Sehr geehrter Herr Landsetzer,
vielen Dank für Ihre Frage vom 02.09.2013 zum Thema Schulfusionen. Wie Sie sicher wissen, ist die Bildungspolitik nicht Bundes-, sondern Ländersache und beim Thema Schulfusionen sind es neben den Ländern die Kreise und Kommunen, die über Zusammenlegungen von Schulen oder Schulverbände von Kommunen entscheiden. Auch wenn ich als Bundespolitikerin also nicht direkt mit den bildungs- und schulpolitischen Entscheidungen befasst bin, werde ich Ihnen dennoch eine von meinen eigenen Erfahrungen als Bürgermeisterin und Amtsvorsteherin getragene Antwort zu geben.
In Zeiten des demographischen Wandels gehört nicht nur ein immer größer werdender Anteil unserer Bevölkerung der Gruppe der Älteren an, sondern gleichzeitig wird der Anteil der Kinder und Jugendlichen stetig weniger - und dieser Rückgang vollzieht sich zudem sehr uneinheitlich: im Lübecker Rand z.B. ist kaum ein Rückgang zu verzeichnen, im ländlichen Raum dafür umso drastischer. Diese Entwicklung ist keineswegs neu: Bereits in den 90er Jahren habe ich die Gründung des Schulverbandes Bungsberg der drei Gemeinden Kasseedorf, Schönwalde und Wangels mit zwei Hauptschulstandorten in Schönwalde und Hansühn aktiv mit vorangetrieben. Schon damals war klar, dass beide Hauptschulstandorte durch Geburtenrückgänge in akuter Gefahr waren. Durch den Schulverband sollte die Aufgabe des Hauptschulstandortes in Hansühn den Hauptschulstandort in Schönwalde stärken - was durchaus für ca. zehn Jahre gelang. Obwohl auch der Hauptschulstandort Schönwalde inzwischen aufgegeben werden musste, bin ich dennoch der Meinung, dass die damalige Schulverbandsgründung richtig war: Den Kindern diente diese Fusion als Chance auf wohnortnahe Bildungsangebote, während beide Standortgemeinden im Schulverband eine effizientere Verwaltungsstruktur entwickeln konnten als jede für sich allein. Einen „Kampf“ - wie Sie es nennen - zwischen den verschiedenen Interessenvertretern konnte ich damals nicht feststellen. Vielmehr ein gemeinsames „Ringen“ um den Erhalt der Standorte bzw. die bestmögliche Lösung, insbesondere natürlich für die Schüler.
Bei einer Geburtenrate in Deutschland von 1,36 Kindern pro Frau sind Probleme bei Schulen, aber beispielsweise auch Kitas und Vereinen, die logische Konsequenz. Die Bertelsmann Stiftung hat in ihrem Datenreport „Deutschland im Demographischen Wandel bis 2030“ u.a. Prognosen für die einzelnen Bundesländer erstellt. Das Ergebnis für Schleswig-Holstein: Bis 2030 werden die Schülerzahlen deutlich sinken, in der Primarstufe um gut 13%, in der Sekundarstufe I um knapp 20% und in der Sekundarstufe um über 22% - diese Durchschnittszahlen verharmlosen allerdings die Schülerrückgangquoten im ländlichen Raum enorm. Für angedachte Schulfusionen in Schleswig-Holstein sind also schon heute und erst recht zukünftig geringere Schülerzahlen verantwortlich.
Die knappen kommunalen Kassen sind in meinen Augen nicht das Hauptproblem. Schließlich fließen durch den Schulkostenbeitrag, der zwischen den Kommunen gezahlt werden muss, wenn einer Gemeinde Kosten durch eine Schülerin oder einen Schüler aus einer anderen Gemeinde entstehen, ausreichend Gelder, die die Finanzierung der Schulen sichern.
Darüber hinaus bin ich der Überzeugung, dass man beim Thema Standorterhalt von Schulen nicht pauschalisieren sollte. Wichtig ist: Bei den Entscheidungen über Fusionen müssen die Interessen der Schüler, die Zumutbarkeit von Fahrstrecken zur Schule abhängig vom Alter der Schüler und die gebotene Bildungsqualität im Vordergrund stehen. So gilt für mich das Motto „Kurze Wege für kurze Beine“. Eine wohnortnahe Betreuung in Kitas, Kindergärten und Grundschulen ist daher unabdingbar.
Mit Blick auf die Bildungsangebote für Schüler ab der 5. Klasse muss aber die auch künftig angesichts der demografischen Entwicklung im ländlichen Raum angebotene Bildungsqualität entscheiden: Schulfusionen können ein sinnvolles Mittel sein, um aus zwei Schulen, die mit zurückgehenden Schülerzahlen zu kämpfen haben, eine gemeinsame zukunftsfähige Einrichtung/Schulverband zu schaffen, wenn z.B. absehbar der einzelne Standort aufgrund der verfügbaren Lehrkräfte nur noch geringe Kursangebote machen oder weniger außerschulische Aktivitäten - wie beispielsweise Arbeitsgemeinschaften, Austauschprogramme oder Schulfeste - anbieten kann. Dann lohnt es sich im Sinne der Schüler eine gemeinsame Einrichtung - oft auch im Schulverband als eine Einrichtung an zwei Standorten - zu schaffen, die sehr viel besser in der Lage ist, sich für ihre Schüler zu engagieren. Die Abwägungen müssen in den Gemeinden und Kreisen getroffen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn