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Bettina Hagedorn
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Frage von Lothar I. •

Frage an Bettina Hagedorn von Lothar I. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Frau Hagedorn,

wie ist Ihre Position zu den Staatsverträgen zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den muslimischen und alevitischen Religionsvereinen?
Wie ist ihre Position allegemein zu solchen Staatsverträgen zum Beispiel den Reichkonkordaten?
Und wie ist Ihre Position zu der Trennung von Staat und Religion?

mfG

Lothar Irrgang

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Irrgang,

vielen Dank für Ihre Frage zu Staatsverträgen mit Religionsgemeinschaften vom 19. August 2013. Zwar zielen Ihre Fragen grundsätzlich auf aktuelle Verhandlungen der Kieler Landesregierung ab, über die die schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten entscheiden müssen. Da ich allerdings den Koalitionsvertrag im Mai 2012 maßgeblich mit verhandelt habe, will ich Ihnen als stellv. SPD-Landesvorsitzende gerne antworten. Im Koalitionsvertrag heißt es (S. 17, Zeilen 704-707):
„Wir wollen den konfessionsgebundenen Religionsunterricht in Kooperation mit den Religionsgemeinschaften zu einem konfessionsübergreifenden Religionsunterricht umwandeln, in dem alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit gemeinsam unterrichtet werden.“ Basierend auf dieser Verständigung von SPD, Grünen und SSW verhandelt die Landesregierung seit Ende 2012 mit Verbänden und den Vertretern der Kirchen, wobei wegen des Zusammenschlusses der Landeskirchen von Nordelbien, Mecklenburg und Pommern zur Nordkirche einige Verzögerungen unvermeidbar waren. Ziel ist es nicht, zu weiteren Staatsverträgen zu kommen, sondern – nach dem Vorbild Hamburgs – eine grundsätzliche vertragliche Regelung zu entwickeln, die anschließend vom Landtag legitimiert wird. Eine solche vom Landtag beschlossene Vereinbarung soll den Rahmen bilden u.a. für die Ausgestaltung eines Religionsunterrichtes, der konfessionsübergreifend angeboten wird.
Mit der Drucksache 18/1022 hat die Kieler Landesregierung am 06. August 2013 dem Landtag über den Sachstand der bisherigen Gespräche mit den muslimischen Verbänden und der alevitischen Gemeinde berichtet. Am 19.08.2013 berichtete z.B. der SHZ-Verlag unter der Überschrift „Mit einem Vertrag hätten wir Verlässlichkeit“ von einem Interview mit Fatih Mutlu, dem Vorsitzenden der „Islamischen Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein“. Diese Quellen nenne ich deshalb ausdrücklich, weil Sie Ihnen Gelegenheit geben, sich umfassend zu informieren.
Ich schreibe diesen Brief unmittelbar im Anschluss an die bewegende Bundestagsdebatte zum NSU-Untersuchungsausschuss, der ich persönlich beiwohnte, während auf der Tribüne die Angehörigen und Opfer der NSU-Mordserie gemeinsam mit Bundespräsident Gauck die Debatte verfolgten. Alle Bundestagsabgeordneten aller 5 Fraktionen empfinden Scham gegenüber diesen Opfern, die aufgrund ihrer Religion und ihrer ausländischen Herkunft in Deutschland nicht genügend vor rechtem Terror geschützt und sogar noch als Opfer diskriminiert wurden. Wir sind uns alle einig, dass das erschütterte Vertrauen vieler Migranten und Vertreter anderer Religionsgruppen in die Rechtstaatlichkeit und Toleranz in Deutschland neu aufgebaut werden muss. Dazu muss die ganze Gesellschaft beitragen.
Ich stelle diesen Zusammenhang zu Ihren Fragen deshalb her, weil die vom Kieler Landtag zu beschließenden Vereinbarungen mit verschiedenen Religionsgemeinschaften – und nicht nur mit der Nordkirche allein – einen wichtigen Beitrag dazu leisten können. Ich halte das Ziel dieser Verhandlungen für richtig: Die islamischen Religionsgemeinschaften sollen ähnliche Rechte bekommen, wie sie die christlichen Kirchen und die jüdischen Landesverbände schon lange haben, und sich im Gegenzug zu den gemeinsamen Wertgrundlagen des Grundgesetzes bekennen.
Die Trennung von Staat und Religion halte ich selbstverständlich für einen richtigen und wichtigen Baustein unseres Verfassungslebens. Laut Grundgesetz besteht keine Staatskirche, der Staat ist in religiösen Fragen zu strikter Neutralität verpflichtet. In einer vielfältiger werden Gesellschaft heißt das aber auch: Keine Religionsgemeinschaft darf vom Staat bevorzugt oder benachteiligt werden.
Generell sind Kirchen und Religionsgemeinschaften aber auch Teile der Zivilgesellschaft – ähnlich wie Parteien, Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbände. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass die Trennung von Staat und Religion kein striktes, unverbundenes Nebeneinander bedeuten sollte, sondern auch Dialog und Kooperation in einem begrenzten Rahmen möglich sein müssen. Dazu halte ich parlamentarisch legitimierte Vereinbarungen
zwischen den Kirchen und den deutschen Bundesländern grundsätzlich für sinnvoll. Da die Bundesländer ganz überwiegend für die Gesetzgebung in diesem Bereich zuständig sind und dabei auch von dem von Ihnen angesprochenen Reichskonkordat abweichen können, haben diese Verträge eine erheblich größere Bedeutung.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Bettina Hagedorn

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