Frage an Bernhard von Grünberg von Jens A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Hr. Grünberg,
nachdem das vielfach kritisierte Websperrengesetz zum Schutz vor Kinderpornographie ja mittlerweile offiziell beerdigt werden soll, habe ich mit Schrecken festgestellt, dass der gleiche Mechanismus über die Hintertür Glücksspielstaatsvertrag wieder auf die politische Agenda gerutscht ist. Hier soll den Providern auferlegt werden, nicht lizensierte Glücksspielangebote zu sperren. Da dies eine Länderinitiative ist, möchte ich gerne Ihren Standpunkt und den der SPD-NRW zu diesem Thema hören. Hier stellen sich die gleichen Fragen nach Wirksamkeit bzw. einfacher Umgehbarkeit von naiv implementierten Sperren auf IP-basis. Schreibt man eine wirksame Sperre vor, ist dies nur mit Mitteln möglich, die man eher aus Ländern wie China kennt.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Auer
Lieber Herr Auer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Internetsperren – insbesondere durch Verfügungen gegenüber den Access-Providern und Registraren – sind schon nach der geltenden Rechtslage als Möglichkeit vorgesehen, § 9 Abs. 1 Nr. 5 GlüStV, und stellen dabei die ultima ratio dar. Der aktuelle Entwurf des Änderungsstaatsvertrages präzisiert lediglich die entsprechenden Voraussetzungen, ohne die bestehende Rechtslage wesentlich zu verändern. Dies hat auch damit zu tun, dass die ja auch nach unserem Koalitionsvertrag zu bevorzugende Methode „Löschen statt Sperren“ beim Glücksspiel im Unterschied zum Löschen von Seiten mit Kinderpornographie keine geeignete Alternative darstellt. Die Anbieter verfügen in ihren Sitzländern über Offshore-Lizenzen. Diese Länder betrachten deren entsprechende Betätigung in Deutschland deshalb als legal, so dass Bitten oder Verfügungen mit der Zielrichtung einer Entfernung der Inhalte auf ausländischen Servern ins Leere laufen. Ungeachtet dessen haben Netzsperren aus vollzugspraktischen und politischen Erwägungen sowie mit Blick auf die von Ihnen bereits angesprochenen Umgehungsmöglichkeiten bislang keine Relevanz bei der Bekämpfung illegalen Glücksspiels erlangt und dürften dies wohl auch in Zukunft nicht tun. Nach unserer Vorstellung sollen illegale Angebot vielmehr vorrangig durch Maßnahmen zur Störung/Unterbrechung der Zahlungsströme (v.a. bei Einsatz von Kreditkarten) sowie dadurch zurückgedrängt werden, dass den legalen Anbietern künftig in stärkerem Maße als bisher Werbung gestattet sein wird und das Interesse breiterer Kundenkreise somit besser auf diese kontrollierten Angebote gelenkt werden kann. Diese Wege sind ebenfalls im Entwurf des Staatsvertrages angelegt.
Die Ministerpräsidentenkonferenz wird sich am 9. Juni voraussichtlich noch einmal mit der offenen Frage zu beschäftigen haben, ob vor diesem Hintergrund die Möglichkeit von Internetsperren im künftigen Glücksspielstaatsvertrag verzichtbar erscheint. Dabei werden einerseits die berechtigten grundsätzlichen Bedenken gegen Internetsperren und deren geringe Relevanz im Vollzug in die Abwägung einzustellen sein, andererseits aber auch das Risiko, mit einem endgültigen Verzicht auf dieses Mittel ein falsches Signal gegenüber den am Markt durchaus aggressiv auftretenden illegalen Anbietern zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Bernhard von Grünberg