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Bernd Westphal
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Frage von Juergen V. •

Frage an Bernd Westphal von Juergen V. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Westphal,

in vielen Innenstädten müssen Läden (z.B. Buchhandlungen) schließen, weil sie sich der mächtigen Konkurrenz von Amazon nicht mehr gewachsen sehen. Warum bekommt Amazon dann noch Wirtschaftsförderung bei der Ansiedlung (z. b. bei Bad Hersfeld) obwohl es den Großteil der Steuern gar nicht in Deutschland sondern in Niedrigsteuerländern wie Luxemburg und Niederlande entrichtet? Zudem entsteht eine grobe Wettbewerbsverzerrung durch diese Steuerpolitik. Ein Unternehmen im Einzelhandel bezieht wenig bis gar keine Förderung. Viele Innenstädte veröden durch diese Politik. Im Europarlament geschieht nichts, weil Unternehmen wie Amazon ständig mit Standortverlagerung drohen. Warum wird hier durch die Politik nicht eingeschritten? Einem Unternehmen mit Fördergeldern, Niedrigsteuersätzen und Niedriglöhnen kann der Einzelhandel nichts entgegensetzen. Wie sehen sie diese Entwicklung?

Für die Beantwortung bedanke ich mich im Voraus mit freundlichen Grüßen
J.V.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Vanselow,
vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch.de.

Über die Besteuerung multinationaler Konzerne diskutiert die Politik schon sehr lange. Dass Unternehmen bestrebt sind, im Rahmen der bestehenden Gesetze ihre Steuerlast zu minimieren, ist nachvollziehbar. Sehr problematisch ist hingegen, dass Lücken im Steuersystem ausgenutzt werden, um Gewinne in Länden auszuweisen, in denen diese gering besteuert werden. Klar ist, dass kein einzelnes Land dieses Problem lösen kann, sondern dass es gemeinsamer Initiativen aller EU-Länder bedarf, um Regelungen für eine faire internationale Besteuerung zu treffen.
Ein wirkungsvolles Instrument könnte eine globale Mindestbesteuerung sein. Dafür setzt sich Finanzminister Olaf Scholz ein. Internationale Unternehmen würden dann – ähnlich wie beim Mindestlohn – weltweit einen Mindeststeuersatz entrichten. Nach einer Prognose der OECD könnte die Reform weltweit zusätzliche Steuern von rund 100 Milliarden Dollar bringen. Auch Deutschland würde profitieren.
Der ursprüngliche Zeitplan sah vor, bis Ende des Jahres eine Einigung zu erzielen. Ob dieser Plan angesichts der Corona-Krise derzeit noch zu halten ist, wird sich zeigen.

Der zweite Teil Ihrer Frage bezieht sich auf die Lage des Einzelhandels.
Ich kenne Fulda nicht besonders gut, aber von der Einwohnerzahl her ist es vergleichbar mit Hildesheim, der Kreisstadt meines Wahlkreises. Auch hier haben die Einzelhändler natürlich mit der Konkurrenz durch die Onlinehändler zu kämpfen und inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte müssen schließen und Ketten weichen. Dies ist keine sehr neue Entwicklung, sondern lässt sich seit vielen Jahren in den Innenstädten beobachten. Letztlich ist es das veränderte Verhalten der Verbraucher selbst, die zu dieser Entwicklung führt.
Auf der anderen Seite kann man aber auch bemerken, dass Einzelhändler, die kreativ und beratungsintensiv arbeiten, nicht nur überleben, sondern florieren und Kundschaft auch überregional anziehen. Ich halte es daher für falsch, den Onlinehandel gegen den stationären Handel auszuspielen. Darüber hinaus stehen auch für den Einzelhandel Fördermöglichkeiten des Bundes und der Länder zur Verfügung, etwa über die KfW.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Bernd Westphal MdB

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