Frage an Bernd Rützel von Ernst V.
Sehr geehrter Herr Rützel,
der Bundestag hat im August 2015 dem dritten Hilfspaket für Griechenland zugestimmt. unter der Prämisse dass sich der IWF an diesen Hilfen beteiligt. Von Seiten der Bundesregierung wurde immer wieder bekräftigt dies sei „unabdingbar. (20. August 2015 (Bundesregierung.de)
Sie haben bei dieser Abstimmung mit der Bundesregierung gestimmt. Wir haben November 2016, mehr als ein Drittel der Laufzeit dieses Paketes ist verstrichen, eine Beteiligung die zum Oktober/November 2015 zugesagt war zeichnet sich nicht ab, ehr das Gegenteil. (siehe http://www.reuters.com/article/us-g20-imf-lagarde-idUSKCN11753I Business News | Thu Sep 1 2016).
Außerdem wird die Reformbereitschaft von verschiedener Seite angezweifelt. Es gibt eine interne Studie des Athener Forschungsinstituts INERP. Danach wurden zwar 38 Prozent der vereinbarten Reformen vom Parlament verabschiedet. Nur 13 Prozent der Reformen seien wirklich umgesetzt worden. "Die Regierung erlässt zwar Vorschriften und Gesetze gemäß den Vereinbarungen", sagte INERP-Chef Karkatsoulis der "Bild". "Doch die Umsetzung der Reformen in der Praxis wird boykottiert." Karkatsoulis warf der EU vor, die Probleme zu missachten. "Das Problem ist, die EU will die Wahrheit nicht sehen. Die wollen keine neue Euro-Krise", sagte der Wissenschaftler. dts Deutsche Textservice Nachrichtenagentur GmbH
Griechenland hält zumindest 12 von 15 Punkten für erledigt. Im Kreis der Gläubiger sieht man das anders. Nur die Hälfte sei erfüllt. (Wirtschaftswoche 10.10.2016) Hinzu kommen weitere Probleme wie die anhaltende Steuerunehrlichkeit. (Tourismus in Griechenland: Mehr Gäste, weniger Einnahmen. Branchenkenner: Grund für die rückläufigen Einnahmen ganz einfach: Steuerhinterziehung. nzz.ch 26.10.2016). Trotzdem werden weiterhin Gelder freigegeben. Sehen Sie dies immer noch durch den Bundestagsbeschluß gedeckt? Würden Sie nochmals dafür stimmen? Wenn ja, woher nehmen Sie Ihren Optimismus?
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ernst Vogtmann
Sehr geehrter Herr Vogtmann,
ich verstehe Ihre Sorge und halte Ihre Kritik für berechtigt.
Zwar war und ist für die SPD-Bundestagsfraktion klar, dass Griechenland auf längere Zeit auf die Unterstützung seiner europäischen Partner angewiesen sein wird. Allerdings erwarten wir im Interesse der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch eine Gegenleistung von der griechischen Regierung, nämlich die Fortsetzung und Vertiefung von Reformen, die Griechenland wirtschaftlich wieder auf die Beine bringen.
Griechenland ist momentan auf genau diesem Weg der Konsolidierung – doch er gestaltet sich sehr steinig. Wir beobachten und bewerten diesen Prozess ganz genau, und ich bin der Meinung: Ihn zu stoppen, wäre falsch.
Zu der Frage, ob Griechenland inzwischen die Mehrheit der sogenannten 15 Meilensteine erreicht hat, herrscht Uneinigkeit. Sie zitieren die Wirtschaftswoche, die EU-Kommission kam zu einem anderen Urteil. Die Kommission attestierte Griechenland bei einer ersten Überprüfung im Juni 2016, dass es mit der Umsetzung des ESM-Programms weitgehend auf Kurs liege. Im Oktober 2016 bestätigten die EU-Institutionen Griechenland das weitgehende Erreichen der 15 Meilensteine und damit die Freigabe der nächsten Subtranche.
Unzufrieden bin ich dagegen mit der fehlenden Beteiligung des IWF. Nach den Statuten des Währungsfonds setzt das von uns geforderte finanzielle Engagement voraus, dass die Tragfähigkeit der griechischen Staatsschulden bestätigt wird. Leider ist der IWF weiter der Ansicht, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt sei und es zunächst erheblicher Schuldenerleichterungen bedürfe. Daher besteht zwischen der Bundesregierung und dem IWF weiterhin ein erheblicher Dissens in der Frage, wann in welchem Umfang Schuldenerleichterungen für Griechenland beschlossen werden sollen. Während wir dies erst 2018 nach Abschluss des ESM-Programms entscheiden möchten, macht der IWF hiervon seine längst fällige Entscheidung über eine finanzielle Programmbeteiligung abhängig. Das ist ärgerlich.
Neben diesen Schwierigkeiten müssen wir uns meines Erachtens aber auch um zusätzliche Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung im gesamten Euro-Raum kümmern. Für die SPD-Bundestagsfraktion war immer klar, dass die Krisenländer allein durch Sparpakete und Daumenschrauben nicht vorankommen, so populär das bei Teilen der Bevölkerung auch sein mag. Während andere damit hausierten, dass man an den Hilfskrediten sogar noch verdiene, haben wir nie einen Zweifel daran gelassen, dass die europäische Einigung im deutschen Interesse ist und dass Deutschland mehr als jedes andere Land der Eurozone von unserer Gemeinschaftswährung profitiert. Die Kosten eines Ausstiegs Griechenlands aus der Eurozone wären für die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler immens hoch, die politischen Folgen für die gesamte EU nicht absehbar.
Daher haben der Verbleib Griechenlands im Euro-Raum und damit die Unterstützung der griechischen Reformbemühungen unvermindert hohe Priorität für mich.
Freundliche Grüße
Bernd Rützel