Frage an Bernd Rützel von Christine Z. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Rützel,
ich bin sehr besorgt, dass der Bundestag das Gesetz zur Impfpflicht gegen Masern beschießen könnte. Kennen Sie die Stellungnahme der „Ärzte für Individuelle Impfentscheidung e.V.“ ? Wie ist Ihre Ansicht zu diesem Thema?
Mit freundlichen Grüßen
Christine Zengel
Sehr geehrte Frau Z.,
vielen Dank für Ihre Frage zur Masernimpfpflicht. Ihre Kritik entzündet sich an einem Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dessen Ziel es ist, die Masern-Impfquoten zu erhöhen. Er will damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD umsetzen. Ich weiß, dass dieser Gesetzentwurf von einigen Eltern und WissenschaftlerInnen kritisiert wird. Umso gründlicher setze ich mich mit den Argumenten auseinander.
Ihre Sorgen nehme ich sehr ernst. Wir haben uns in der Vergangenheit darauf konzentriert, die freiwillige Impfentscheidung zum Beispiel durch mehr Impfaufklärung oder den Ausbau der Vorsorgeuntersuchungen und der ärztlichen Impfberatung zu fördern. Leider ist es aber so, dass Aufklärungskampagnen und Informationsangebote für Eltern in der Vergangenheit nicht ausreichend waren. Nach wie vor gibt es zum Teil erhebliche Impflücken bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Immer wieder kommt es, in jährlich schwankenden Zahlen, zu schwerwiegenden Masernausbrüchen, bei denen auch Todesfälle zu beklagen sind. Eine Masernerkrankung ist keine harmlose Kinderkrankheit. Sie ruft eine erhebliche Schwächung des Immunsystems hervor, kann schwerwiegende Folgeinfektionen mit sich bringen und im schlimmsten Fall zum Tode führen. Bereits einige Tage vor Auftreten der Erkrankung ist die Infektion hoch ansteckend, weshalb beispielsweise der Ausschluss von Erkrankten vom Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung unter Umständen zu spät kommt und deshalb nicht ausreicht. Zirkulierende Masern gefährden alle nichtgeimpften Menschen und unter ihnen vor allem diejenigen, die aus Altersgründen oder auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht geimpft werden können.
Die WHO hat europaweit für die ersten sechs Monate 2019 eine Verdopplung der Masernerkrankungen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 festgestellt. Für Deutschland hat das Robert-Koch-Institut aktuelle Zahlen vorgelegt: Dort sind im ersten Halbjahr diesen Jahres bereits 450 Fälle gemeldet, ganz 2018 waren es ca. 540, 2017 über 900 (Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/90000-masernkranke-im-ersten-halbjahr-2019-doppelt-so-viele-masernfaelle-wie-im-vorjahreszeitraum/24956404.html ).
Es ist wichtig, diejenigen zu erreichen, die nicht zeitgerecht impfen oder Impftermine versäumen. Gleichzeitig müssen Information und Aufklärung über die Masern-Erkrankung und die Impfung verstärkt werden, um Menschen, die einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, stärker als bisher anzusprechen. Dazu gehört es selbstverständlich auch, Bedenken und Vorbehalte vorurteilsfrei zu prüfen und gegebenenfalls im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen. Die parlamentarischen Beratungen des Entwurfs für ein Masernschutzgesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium beginnen im Herbst. Schon jetzt steht fest, dass es im Gesundheitsausschuss eine öffentliche Anhörung geben wird, zu der Sachverständige sowie Impfbefürworter und -gegner eingeladen werden. Es gilt, sich intensiv mit allen Argumenten und Bedenken auseinanderzusetzen. Auch eine aktuelle Stellungnahme des Deutschen Ethikrates und mit der Regelung verbundene verfassungsrechtliche Fragen sind gründlich zu beraten. Dabei darf das Ziel, bei der Bekämpfung von Masern in Deutschland einen deutlichen Schritt voranzukommen, nicht aus den Augen verloren werden.
Ich danke für Ihr Schreiben. Ihre Argumente und Fragen sind für meine persönliche Entscheidung im parlamentarischen Verfahren wichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Rützel