Frage an Bernd Rützel von Werner U. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Rützel,
die Handelsabkommen CETA und TTIP werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter weitestgehender Umgehung des europäischen Parlaments und der Länderparlamente verhandelt. Und dies geschieht so, obwohl diese Abkommen weitreichende Veränderungen für uns alle haben werden. Das Wenige, das nach außen dringt lässt aus eine konzernfreundliche und dafür Staats- und verbraucherfeindliche Regelung schließen. Ihr Parteivorsitzender Gabriel scheint dem ganzen sehr positiv gegenüber zu stehen.
Zu meinen Fragen:
Erhalten Sie als Abgeordneter ausreichende Informationen zu den Abkommen und dem Stand der Verhandlungen?
Wie ist Ihre Meinung zu den Abkommen, und werden Sie voraussichtlich für oder gegen diese Abkommen stimmen?
Für Ihre Rückmeldung danke ich Ihnen bereits heute.
Sehr geehrter Herr Ulbricht,
danke für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.
Wir deutschen Parlamentarier werden – wie auch die Öffentlichkeit – nicht transparent und umfassend genug über den Verhandlungsstand bei den Freihandelsverträgen informiert. In jüngster Vergangenheit sind Fortschritte erkennbar, die wohl auch Resultat der zahlreichen Proteste sind.
Bei CETA gibt es inzwischen ein Verhandlungsergebnis. Dieses Ergebnis ist ein Kompromiss, der aber in wesentlichen Teilen sozialdemokratische Forderungen erfüllt. Wichtig ist für uns vor allem, dass beim Investitionsschutz und bei der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ein neuer Ansatz gilt. Das alte System der Investor-Staat-Streitbeilegung (Investor to State Dispute Settlement – ISDS) gehört damit der Vergangenheit an und hat faktisch auch bei den TTIP-Verhandlungen keine Chance mehr. Die Schaffung eines ständigen multilateralen Investitionsgerichtshofs wird zunehmend als Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft definiert. Transparente Verfahren mit Berufungsinstanz und die Auswahl der Schiedsrichter durch die Vertragsparteien selbst werden damit Realität.
Der CETA-Vertragstext wurde nach Abschluss der Verhandlungen von der EU-Kommission veröffentlicht. Er wird dem Bundestag erst nach der Zustimmung durch das Europaparlament zur Abstimmung vorgelegt. Umstritten ist derzeit, ob und in welchem Umfang das Abkommen (sog. gemischtes Abkommen) vorläufig auch ohne Zustimmung durch die Nationalparlamente in Kraft treten kann. Die SPD-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, dass die Investitionsschutzbestimmungen von der vorläufigen Anwendung ausgenommen werden sollen, da hier auch mitgliedstaatliche Kompetenzen betroffen sind. Damit wird der Teil, der politisch besonders kontrovers ist, nicht ohne Zustimmung des Bundestages und Bundesrates zu CETA zur Anwendung kommen. Ich halte das CETA-Verhandlungsergebnis für einen vertretbaren Kompromiss, dem ich nach jetzigem Stand der Dinge wohl zustimmen werde.
Die TTIP-Verhandlungen sind noch nicht so weit. Viele Bereiche müssen unbedingt nachverhandelt werden. Es gelten für mich die roten Linien, auf die sich der SPD-Parteikonvent verständigt hat. Seit dem 01.02.2016 ist für die Mitglieder des Deutschen Bundestages ein Leseraum im Bundeswirtschaftsministerium eingerichtet, in denen die sog. konsolidierten Verhandlungstexte für uns einsehbar sind. Ich war einer der ersten Abgeordneten, die diesen Leseraum besucht haben und muss gestehen, dass meine Ansprüche an ein möglichst transparentes Verfahren damit noch nicht erfüllt sind. Die EU-Kommission hat eine Auswahl von Verhandlungszwischenständen veröffentlicht.
Für TTIP gibt es noch kein Verhandlungsergebnis, sodass ich mir auch noch keine abschließende Meinung bilden konnte. Ich möchte und muss dafür das Ergebnis der Verhandlungen abwarten und kann erst dann zu einer Entscheidung kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Rützel