Frage an Bernd Lynack von Barbara G. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Lynack,
in Hessen und NRW setzt sich die SPD für die Abschaffung der
Straßenausbaubeiträge ein.
Diese Erhebung der Beiträge führt zu einer massiven Ungleichbehandlung der
Anlieger, da bereits über 40 % der Kommunen / Gemeinden / Städte keine
Straßenausbaubeiträge mehr erheben.
Die Zahlung dieser Beiträge überfordert Haushalte mit kleinen Einkommen,
da die Kosten für einen Ausbau der Straßen massiv gestiegen sind,
dem gegenüber steht eine Niedrigzinsphase, die einen Vermögensaufbau
nahezu unmöglich macht.
Ist es der politische Wille, dass nur noch vermögende Haushalte über einen
Immobilienkauf nachdenken können ?
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Garthoff - Brüggemeyer
Sehr geehrte Frau Garthoff-Brüggemeyer,
vielen Dank für Ihre Frage. Ohne Ihre genauen Umstände zu kennen, kann ich ihr Ungerechtigkeitsempfinden grundsätzlich nachvollziehen. Rechtlich ist es so, dass das Land den Kommunen die Rahmenbedingungen vorgibt, welche Beiträge und Gebühren diese erheben können. Dabei ist es auch möglich, dass das Land die Möglichkeit zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen pauschal streicht. Die Vorgaben, ob und wie die Ausbaubeiträge erhoben werden dürfen oder teilweise sogar müssen, variieren zwischen den verschiedenen Bundesländern.
Gegen die komplette Streichung der Beiträge in Niedersachsen sprechen mehrere Gründe, von denen ich zwei herausstellen möchte. Zum einen, wäre das Land in diesem Falle verpflichtet, den Kommunen die wegfallenden Einnahmen aus eigenen Mittel zu ersetzen. Entsprechend würde der Landeshaushalt in einem nicht geringen Maße belastet werden und das Geld für diverse andere Vorhaben fehlen. Folglich ist eine pauschale Abschaffung auch eine Frage der politischen Prioritätensetzung, da man Steuergeld nur einmal ausgeben kann. Die Mehrheit des Landtages und auch ich persönlich sehen derzeit keinen finanziellen Spielraum für eine solche Abschaffung. In der Opposition fallen Forderungen gewöhnlich deutlich einfacher als in Regierungsverantwortung. Das gilt für Niedersachsen ebenso wie für andere Länder.
Zweitens bin ich als kommunalpolitischer Sprecher der Überzeugung, dass die Kommunen möglichst großen politischen Handlungsspielraum haben sollten. Die Räte sind von den Bürgerinnen und Bürgern nicht dazu gewählt worden, einfach zu verwalten, sondern um zu gestalten. Entsprechend haben wir uns als niedersächsische Regierungskoalition dazu entschieden, den Kommunen deutlich mehr Spielraum bei der Gestaltung der Straßenausbaubeiträge zu geben. So sind vorgeschriebene Pflichten im Zusammenhang mit der Erhebung der Beiträge abgeschafft worden. Ebenso können Kommunen alle Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer in einem bestimmten Gebiet (z.B. eine Ortschaft, ein Stadtteil oder die ganze Stadt) mit dauerhaften, kleinen Beiträgen zur Finanzierung heranziehen. Außerdem ist die Staffelung von Beiträgen deutlich einfacher möglich, sodass es nicht mehr zu plötzlichen, hohen Forderungen kommt. Aus diesen und weiteren Maßnahmen ergibt sich für die Kommunen ein weites Feld, ob und wie Ausbaubeiträge vor Ort erhoben werden sollen. Die Städte und Gemeinden können die Situation vor Ort am besten bewerten und ein entsprechendes Modell erarbeiten. Das sorgt in einem mit Blick auf die Infrastruktur durchaus diversen Land wie Niedersachsen auch für die nötige Differenzierung. Es macht aus meiner Sicht durchaus einen Unterschied, ob es sich um eine stark genutzte Durchfahrtsstraße handelt oder um eine vergleichsweise einsame Straße, die vereinzelte Häuser erschließt.
Dass Hauseigentümer für die Straßen auch mit herangezogen werden, ist grundsätzlich gerechtfertigt. Die im Grundgesetz festgeschriebene Verpflichtung, die mit Eigentum einhergeht, greift auch hier. Mit den Straßen werden nicht öffentliche Parks und Plätze, sondern private Grundstücke erschlossen. Die grundsätzliche Frage lautet also, wer für die Sanierung von Straßen in welchem Maße bezahlen soll. Die Allgemeinheit oder die, die von ihr profitieren und sie vorrangig nutzen. Das ist eine schwierige Frage, die von Fall zu Fall unterschiedlich beantwortet werden muss. Deshalb sind wir überzeugt, dass diese Entscheidung am besten vor Ort getroffen werden sollte.
In weniger als einem Jahr finden auch bei Ihnen wieder Kommunalwahlen statt. Ich möchte Sie ermutigen, den Kontakt zu den antretenden, örtlichen Parteien und Wählervereinigungen zu suchen und sich nach deren Meinung zu den Straßenausbaubeiträgen zu erkundigen. Bitte lassen Sie sich dabei unbedingt auch genau erklären, woher ggf. das Geld für eine Abschaffung der Beiträge kommen soll. In der Vergangenheit haben wir nicht selten Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten erlebt, die mit der kompletten Abschaffung der Beiträge erfolgreich um Stimmen geworben haben und dann im Gegenzug Gewerbe- und/oder Grundbesitzabgaben erhöhen mussten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine persönlichen Beweggründe gut erläutern, auch wenn am Ende vielleicht nicht die gewünschte Haltung steht.
Viele Grüße aus Hildesheim
Ihr Bernd Lynack