Frage an Bernd Lucke von Stefan B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Lucke,
wesentliches Ziel Ihres politischen Engagements ist es, dass in den "EU-Krisenstaaten" eigene Währungen eingeführt werden, die dann abwerten, um diesen Staaten so zu Exporterfolgen zu verhelfen. Mal angenommen, die Staaten Griechenland, Italien, Portugal, Spanien machen das, dann hätten wir im Süden Europas ein Niedrigpreisgebiet mit über 100 MIllionen Menschen. Dann würde doch auch folgendes passieren:
1. Wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten würde eine große Zahl von Arbeitnehmern aus diesen Ländern nach Nord- und Mitteleuropa migrieren (vorausgesetzt die Freizügigkeit in der EU bleibt bestehen).
2. Durch die billigeren Produktionsbedingungen verschieben sich Marktanteile nord- und mitteleuropäischer Firmen in diese Länder. Z.B. würde ein Fiat aus Italien wesentlich günstiger zu verkaufen sein als ein VW Golf aus Deutschland- und das weltweit. Sie sprechen da von "besserer Wettbewerbsfähigkeit". Allerdings hat sich an der Wettbewerbsfähigkeit von Fiat dadurch überhaupt nichts verändert - es wurden z..B. keine Produktionsprozesse optimiert und auch die Qualität des Produktes wird dadurch nicht besser.
3. In Nord- und Mitteleuropa ginge Wirtschaftsvolumen in Richtung Süden verloren - das wäre im Endeffekt doch vergleich mit der Lösung der Probleme durch Transferleistungen über die EU.
Sind das Effekte, die Sie in Kauf nehmen würden?
Sehr geehrter Herr Bauer,
vielen Dank für die interessante Fragen.
Es ist nicht per se das Ziel der Alternative für Deutschland, in EU-Krisenstaaten eigene Währungen einzuführen. Vielmehr ist es aus unserer Sicht eine Lösung der für die wirtschaftlich leistungsschwachen Länder dramatischen ökonomischen Situation und der menschlichen Katastrophe, in die die verfehlte Euro-Rettungspolitik die Länder gebracht hat. Aktuell ist die Gemeinschaftswährung für diese Länder zu stark. Sie können ihre Produkte nicht absetzen.
Es ist nicht anzunehmen, dass nach Einführung einer eigenen, der wirtschaftlichen Leistungskraft angemessenen Währung die Menschen aus diesen Ländern auswandern würden. Ich halte das gegenteilige Szenario für wahrscheinlicher: Die Menschen, die in den letzten Jahren aufgrund der Perspektivlosigkeit aus diesen Ländern ausgewandert sind, würden mit Freude in ihre Heimatländer zurückkehren. Denn endlich würden sie dort Arbeit finden können.
Sie haben insofern recht, als sich die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit nicht ändert. Es ändert sich aber die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Denn die Marktchancen der Unternehmen aus diesen Ländern würden sich mit einer schwächeren Währung ja verbessern. Das ist den Menschen, die dort arbeiten, ja auch zu wünschen und zu gönnen: Nur so können dort dauerhaft Arbeitsplätze gesichert werden. Nur so kann der jeweilige Staat wieder mit zunehmenden Steuereinnahmen rechnen und seinen Aufgaben gerecht werden. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Die Käufer der PKW aus diesen Staaten könnten beispielsweise entscheiden, ein preiswerteres, vielleicht auch einfacheres, aber doch seinen Zweck erfüllendes Fahrzeug zu kaufen oder eben ein technisch hochwertigeres, viel teureres Produkt. Auch heute fahren nicht nur Mercedes auf unseren Straßen!
Wenn sich die Marktchancen der Unternehmen aus den schwächeren Euro-Staaten verbessern, tangiert das den deutschen Export. Das halte ich jedoch nicht für kritisch. Das wird den deutschen Unternehmen einen erneuten Impuls geben, durch technischen Vorsprung verlorengegangene Marktanteile zurückzuerobern. Es wird auch helfen, den Target2 Saldo der Deutschen Bundesbank, der aktuell bei 500 Milliarden Euro liegt, abzubauen und es erspart uns weitere, vermutlich zum großen Teil uneinbringliche Hilfskredite und Bürgschaften. Ein weiterer Vorteil wäre, dass Deutschland wegen seiner zu hohen Exporte nicht mehr in der Kritik der EU-Kommission stünde und wegen des Exportüberschusses keinerlei Sanktionen zu befürchten wären.
Ich halte es für unangemessen, einen Vergleich zwischen einer wiedererstarkenden Wirtschaft in den wirtschaftlich schwächeren Ländern mit Hilfskrediten zu ziehen. Im einen Fall sind die Unternehmen eines Landesimstande, erfolgreich zu wirtschaften, verhelfen dem entsprechenden Staat mit den Steuern zur Handlungsfähigkeit und ermöglichen so den Bürgern ein angemessenes Leben. Im anderen Fall ist das Land ein Bittsteller und verliert seine Souveränität durch die aufoktroierten Maßnahmen der Troika. Denletztgenannten Zustand halte ich für undemokratisch und unwürdig.