Frage an Bernd Lange von Dr. Alexander H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lange,
in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für internationalen Handel (INTA) stellen sich einige Fragen aus Sorge über das bald zu behandelnde Abkommen Jefta (vergl. http://www.greenteam-schwabenpower.de/freihandelsabkommen.html), die aber für alle entspr. Abkommen relevant sind:
- Ist es für Sie ein WIderspruch zwischen Jefta und Pariser Klimaschutzabkommen, wenn Klima- und Umweltschutzmaßnahmen in Jefta nur dann zulässig sind, wenn dadurch der Handel "nicht eingeschränkt" und die Vertragspartner "nicht diskriminiert" werden - angesichts der zu erwartenden Steigerung des internationalen Transportvolumens von Waren und der damit nach dem Pariser Klimaschutzabkommen ja wohl einhergehenden Regulierungsnotwendigkeiten? Wenn ja, wie wäre er aufzulosen? Sollte aus Ihrer Sicht das Pariser Abkommen ungültig sein / aufgekündigt werden?
- Teilen Sie die Auffassung, in jedem Fall noch die Entscheidung des dt. Verfassungsgerichts im Hauptsacheverfahren zu CETA abzuwarten? Es steht ja in Frage, ob die analog in Jefta vorgesehenen Regulierungsausschüsse mit dt. oder auch Recht aus anderen EU-Staaten überhaupt vereinbar sind, da sie vorbei an den nationalen Parlamenten Entscheidungen treffen können sollen. Wenn nein, bitte ausführlich begründen.
- Auch kann Jefta, das mittels "regulatorischer Kooperation" in die nationale Souveränität und damit in die Gesetzgebungskompetenz von Staaten eingreift, nicht allein in die Zuständigkeit der EU fallen, sondern muss als sog. "gemischtes Abkommen" behandelt werden. Sehen Sie dies ebenso? Dann, hoffe ich, stimmen Sie sich entsprechend auch ab? Wie ist Ihre Position hierzu?
- Leider ist in Jefta trotz anderslautender Behauptungen der Kommission die Abwasserentsorgung zur Privatisierung freigegeben und auch das Wasser nicht in dem Maß vor Privatisierung geschützt wie selbst noch bei CETA. Widerspricht ein Vertrag, der so tief in die kommunale Daseinsvorsorge eingreift, nicht der Subsidiarität in der EU?
Sehr geehrter Herr Dr. H.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.
Zum Klimaschutz:
In Art. 16.4 Absatz 4 ist erstmalig die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 in einem eigenen Kapitel in einem Handelsabkommen vereinbart worden und geht damit deutlich über CETA hinaus.
Dienstleistungen und Daseinsvorsorge:
Mit dem EU Japan-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sollen einige Dienstleistungsbereiche, die in der EU für private Anbieter geöffnet sind, auch für japanische Anbieter geöffnet werden. Ausgenommen davon ist unter anderem der breit gefasste Bereich der Daseinsvorsorge, da dieser in der EU und Deutschland nicht liberalisiert ist. Die Verhandlungsführer der EU haben im EU-Japan Abkommen speziell zu diesem Zweck eine horizontale Ausnahme für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge festgelegt [(Annex II, Vorbehalt Nr.1 - alle Sektoren (Daseinsvorsorge)].
Die Ausnahme für die Daseinsvorsorge legt fest, dass Dienstleistungen, die auf nationaler oder örtlicher Ebene als Dienstleistungen der Daseinsvorsorge angesehen werden, durch öffentliche Monopole oder exklusiv von privaten Betreibern erbracht werden können. Darunter fallen auch Umweltdienstleistungen („environmental services“), die entsprechend den Regeln der Vereinten Nationen (sog. CPC-Liste) die gesamte Wasserwirtschaft umfassen, auch die Behandlung von Abwasser. Annex II enthält zudem in Ausnahme Nr. 21, Unterpunkt c) den EU-Vorbehalt für Wasserentnahme, -aufbereitung und -verteilung. Beschränkungen, Regulierungen, Genehmigungs- oder Qualifikationsanforderungen können jederzeit eingeführt, verändert oder aufrechterhalten werden.
Weiterhin behält die EU das Recht, für Bereiche der Daseinsvorsorge, die nicht mehr ausschließlich öffentlich oder nur zum Teil öffentlich erbracht werden, besondere Schutzregeln einzuführen, den Status-Quo beizubehalten oder sie wieder ganz in die öffentliche Verantwortung zu überführen. Der Annex II des EU-Japan-Abkommens enthält wichtige Ausnahmen für mögliche künftige Maßnahmen der EU und/oder ihrer Mitgliedstaaten hinsichtlich des Marktzuganges für Anbieter aus Drittstaaten und ihrer Gleichbehandlung mit Inländern. Dies gilt auch für die Wasserversorgung!
Annex II enthält in Ausnahme Nr. 21, Unterpunkt c) den EU-Vorbehalt für Wasserentnahme, -aufbereitung und -verteilung. Beschränkungen, Regulierungen, Genehmigungs- oder Qualifikationsanforderungen können jederzeit eingeführt, verändert oder aufrechterhalten werden. Daher sind Aussagen wie „das EU-Japan Abkommen soll Konzernen und großen Investoren erlauben, Geschäfte mit unserem Trinkwasser zu machen“ schlichtweg falsch und pure Stimmungs- und Angstmache.
Regulatorischer Zusammenarbeit und gemeinsamer Ausschuss:
Das Kapitel für regulatorische Kooperation in JEEPA weist ausdrücklich darauf hin, dass die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen rein freiwillig ist. Sie darf die Fähigkeit, Maßnahmen im Einklang mit den Grundsätzen zu ergreifen, die sich aus dem Rechtsrahmen der EU ergeben (d.h. den Verträgen der EU, die auch das Vorsorgeprinzip umfassen) nicht beeinträchtigen.
Der durch das Abkommen erschaffene gemeinsame Ausschuss hat nach Art. 22 .1 Abs. 4 und 5 einen begrenzten Aufgabenbereich. Änderungen des Abkommens können nur entsprechend der demokratischen Prozeduren der Partner vollzogen werden, siehe Art. 23, also mit Entscheidung durch Ministerrat und Europäischem Parlament. Die Möglichkeiten für den gemeinsamen Ausschuss hier tätig zu werden, sind in Art. 23.2 Abs. 4 stark begrenzt.
Meine ausführlichen Stellungnahmen finden Sie hier:
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Lange