Frage an Bernd Lange von Swenja R.
Sehr geehrter Herr Lange,
ich schreibe Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel des Europäischen Parlaments und mit Bezug auf Ihre Antworten an die Herren Niederberger, Hurtig und Brandt auf Fragen zu CETA und TTIP.
Die EU-Kommissarin Cecilia Malmström unterbreitete im September 2015 Reformvorschläge zum Investitionsschiedsgerichtswesen, die insbesondere auf die Bemühungen sozialdemokratischer Politiker in Deutschland und Europa zurückgehen. Im November folgte ein Textvorschlag zum Kapitel Investitionsschutz und -schiedsgerichtswesen für die TTIP-Verhandlungen.
Erlauben Sie dazu einige Fragen:
1. Was ist Ihre Haltung zur Ausgestaltung der Schutzstandards für Auslandsinvestitionen in den o.g. Dokumenten? Warum sind die Schutzstandards der fairen und gerechten Behandlung sowie der indirekten Enteignung erforderlich? Warum genügt nicht das Diskriminierungsverbot bzw. das Gebot der Inländergleichbehandlung?
2. Wie sehen Sie das Verhältnis von staatlicher Regulierungshoheit bzgl. Arbeitnehmerrechten, Umwelt-, Gesundheitsschutz u.ä. einerseits und der Schiedsgerichtsbarkeit zum Schutz von Auslandsinvestitionen andererseits im Verhandlungsdokument zu TTIP gelöst?
Müssen Veränderungen im Investitionskapitel des TTIP-Textvorschlages vorgenommen werden, damit der Schutz von Umweltstandards und Arbeitnehmerrechten gemäß den Forderungen des Europäischen Parlamentes vom Juli diesen.Jahres ausreichende Beachtung findet?
3. Das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) liegt seit letztem Jahr vor. Erachten Sie es im Lichte der o.g. Vorschläge der EU zu TTIP für notwendig, einzelne Kapitel in CETA neu zu verhandeln? Was sind die Beweggründe für Ihre bejahende oder ablehnende Haltung?
Ich hoffe auf eine baldige Antwort und verbleibe
mit freundlichen Grüßen,
S. R.
Sehr geehrte Frau R.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, die ich sehr gerne beantworte.
Zu 1. Außergerichtlichen privaten Schiedsstellen sind ein Instrument des letzten Jahrhunderts und gehören auf den Müllhaufen der Geschichte. Aber nicht nur in zukünftigen Abkommen. Deutschland zum Beispiel hat 131 dieser Abkommen mit allen möglichen Ländern dieser Erde, wo in der Tat Konzerne Deutschland verklagen können und das ja auch machen. Und da muss man auch ran. Und in zukünftigen Handelsabkommen gehört so was nicht mehr hinein. Wenn überhaupt also die Frage der Diskriminierung von ausländischen Investoren gegenüber inländischen zusätzlich behandelt werden müsste, dann muss das in einem normalen, öffentlich bestellten Gericht sein, mit klaren Prinzipien. Und vor allen Dingen darf es nicht so sein, dass Gesetzgebung oder Änderung von Gesetzgebung oder Kürzung von Subventionen als Klagegrund genommen werden darf. Und da sind wir bei, ein vernünftiges System zu etablieren. Die Frage stellt sich zudem, ob das zwischen USA und der EU überhaupt notwendig ist, weil wir in beiden Bereichen ordentlich entwickelte Gerichte haben, die Diskriminierung auch aufgreifen können.
Zu 2. und 3. Die Europäische Kommission hat am 29.2.2016 den überarbeiteten Text des EU-Kanada-Handelsabkommens CETA präsentiert. Nach intensiven Verhandlungen mit der neuen kanadischen Regierung wurde vor allem der Mechanismus zum Investitionsschutz stark modifiziert. Durch Druck der Sozialdemokraten ist der Text des Abkommens deutlich verbessert worden. Es sind wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht worden, die augenscheinlich unsere fundamentalen Forderungen aufgreifen. Das ist ein erster wichtiger Etappensieg, von dem viele Interessensvertreter und andere Fraktionen lange behauptet haben, er sei nicht möglich. Wichtige Änderungen im Investitionsschutzkapitel beinhalten unter anderem: Im Text ist nun festgeschrieben, dass das Recht im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren durch das Abkommen in keinem Fall infrage gestellt werden kann. Gesetzgebungen, Änderungen derselben und die Vergabe oder Kürzung von Beihilfen sind nicht anzufechten und kein Klagegrund. Die Schiedsrichter in Streitfällen müssen eine Qualifikation entsprechend des Internationalen Gerichtshofes aufweisen und werden von den Staaten gestellt. Die Übernahme eines Falles erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Unternehmen, die klagen, haben somit keinen Einfluss mehr. Die Einführung einer verbindlichen Revisionsinstanz ist im Abkommen fixiert. Diese prüft und korrigiert gegebenenfalls inkorrekte Auslegungen und Urteile der ersten Instanz. Es gibt nunmehr klare Kriterien für den Umfang etwaiger Schiedsurteile. Die Entscheidungen dürfen Fragen des internationalen Rechts berühren, EU-Recht und Gesetze der Mitgliedstaaten sind nicht Gegenstand möglicher Verhandlungen. Festgehalten ist auch der Weg zu einem internationalen Investitionsgerichtshof. Die EU und Kanada wollen gemeinsam die Gründung eines solchen Gerichtshofes vorantreiben. Weiterer Klärungsbedarf besteht bei der Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen. Kein Abkommen darf die Rekommunalisierung von öffentlichen Dienstleistungen verhindern oder unsere Daseinsvorsorge in Frage stellen. Auch die Umsetzung des Nachhaltigkeitskapitels unter der Einbeziehung der Zivilgesellschaft ist uns ein wichtiges Anliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Lange