Frage an Bernd Lange von Alexander M. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Herr Lange,
welche Möglichkeit sehen Sie die Gefahr einer Privatisierungsmöglichkeit der öffentlichen Trinkwasserversorgung durch die Hintertür einer "Dienstleistungskonzession" seitens der EU-Kommission zu verhindern ?
a) kann das Parlament überhaupt Kommissionsentscheidungen verhindern ?
b)was halten Sie von der Initiative einer " Bereichsausnahme"-Regelung
seitens Ihrer Kollegin Frau Verheyen, CDU?
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Mahlmann
Sehr geehrter Herr Mahlmann,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Zuerst zu den Einflussmöglichkeiten des Europäischen Parlaments: Das Europäische Parlament hat genau wie der Rat die Möglichkeit, den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission maßgeblich zu verändern. Denn über die von Ihnen angesprochene Konzessionsrichtlinie wird im Mitentscheidungsverfahren entschieden (für einen grundsätzlichen Überblick siehe http://europa.eu/legislation_summaries/glossary/codecision_procedure_de.htm - Informationen zum Stand des aktuellen Gesetzgebungsverfahren zur Konzessionsrichtlinie mit Links zu den relevanten Dokumenten sind erhältlich unter http://ec.europa.eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosID=201237).
Ich bedauere sehr, dass sowohl der Rat als auch der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments diese Chance bisher hat verstreichen lassen:
Gemeinsam mit den anderen SPD-Europaabgeordneten, allen voran der binnenmarktpolitischen Sprecherin meiner Fraktion Evelyne Gebhardt, setze ich mich seit geraumer Zeit dafür ein, den gesamten Bereich der Wasserversorgung prinzipiell vom Geltungsbereich der Konzessionsrichtlinie auszunehmen. Wenn sich mittlerweile auch CDU-Abgeordnete für eine solche Lösung stark machen, dann freut mich das. Allerdings haben diese CDU-Abgeordneten nicht genug Einfluss auf ihre Fraktion gehabt oder ausgeübt, um einen faulen Kompromiss im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments zu verhindern. Das Ergebnis: Bei der Abstimmung im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentes ist entgegen unserer SPD-Position entschieden worden, die Wasserversorgung lediglich zeitlich begrenzt bis 2020 aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu nehmen und auch nur dann, wenn sie zu 100% in öffentlicher Hand ist. Für uns SPD-Europaabgeordnete ist klar: Das reicht nicht. Wir wollen, dass die Kommunen eine gute Wasserversorgung dauerhaft sicherstellen können! Dafür werden wir auch im Plenum des Europäischen Parlaments kämpfen, wenn es um die endgültige Abstimmung über die Richtlinie geht.
Im Rat hat Frau Merkels schwarz-gelbe Bundesregierung dem Kommissionsvorschlag zur Konzessionsrichtlinie zugestimmt und so ebenfalls in Kauf genommen, dass die öffentliche Trinkwasserversorgung in Deutschland gefährdet wird. Bei der momentanen Form der Richtlinie ist zu befürchten, dass von ihr ein Liberalisierungsdruck ausgehen wird und bewährte Beteiligungsstrukturen immer weniger aufrecht erhalten werden können.
Mehr Informationen finden Sie im gemeinsamen Positionspapier der SPD-Europaabgeordneten zum Thema, das wir nach der Abstimmung im Binnenmarktausschuss veröffentlicht haben: http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/positionspapier_wasserversorgung_muss_in___ffentlicher_hand_bleiben__2_.pdf
Eine Chance, dem Privatisierungsdruck auf die öffentliche Trinkwasserversorgung entgegenzuwirken, sehe ich auch in der Europäischen Bürgerinitiative für Wasser als Menschenrecht. Ich würde mich freuen, wenn Sie den Aufruf unter http://www.right2water.eu/ unterstützen - falls Sie das nicht schon längst getan haben!
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Lange