Frage an Bernd Busemann von Jörg K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Busemann,
uns Wählern wurde von Ihnen und der CDU zum Zeitpunkt der Abschaffung der Orientierungsstufe immer erklärt, dass letztendlich der Elternwille bei der Wahl der weiterführenden Schule entscheidend sei. Sie hatten jetzt 5 Jahre Zeit und noch immer werden mehr Schüler an den Gesamtschulen abgewiesen als aufgenommen.
Fast alle Studien belegen, dass die frühzeitige „Sortierung“ ein Fehler ist. Die Gesamtschule in Hildesheim hat gerade den deutschen Schulpreis gewonnen, die IGS Göttingen wurde letztes Jahr als Beraterschule ausgewählt (Durfte auf Druck Ihres Ministeriums in Niedersachsen aber keine Schulen beraten). Die ersten Vergleichsarbeiten haben das hohe Leistungsniveau der Gesamtschulen bestätigt.
Daher meine Frage:
Was werden Sie tun, um unser antiquiertes Schulsystem zu überwinden ?
Sehr geehrter Herr Klapproth,
Sie haben recht. Der freie Elternwille ist in Niedersachsen und insbesondere für die CDU ein sehr hohes Gut. Wenn an den 59 niedersächsischen Gesamtschulen angemeldete Kinder abgelehnt wurden, liegt das allerdings nicht an einer Beschränkung durch den Kultusminister, sondern ist eine Selbstbeschränkung der Schulen, die vorhandene Kapazitäten nicht nutzen.
Es gibt keine Studie, die belegt, dass integrative System bessere Leistungen erbringen als gegliederte. Auch die Autoren der PISA-Studien betonen öffentlich immer wieder, dass aus ihrer Arbeit ein solcher Schluss nicht abzuleiten sei. Die Wochenzeitung "Die Zeit" schreibt am 4.10.2007: ""Die Pisa-Studie hat im Jahr 2002 nicht nur zutage gebracht, dass die Schüler in unionsregierten Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg mehr lernen als ihre Mitschüler in Hessen und Nordrhein-Westfalen, den einstigen Experimentierfeldern sozialdemokratischer Schulpolitik. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass in den ehemaligen roten Hochburgen die Schülerleistung sogar noch stärker an die soziale Herkunft gekoppelt ist als in den Stammländern der Union". Die jüngste IGLU-Studie hat gezeigt, dass dieses Problem bereits in der Grundschule auftritt, also bevor die Kinder überhaupt verschiedene Schulformen besuchen. Das ist also keine Frage des Schulsystems.
Zum Thema Elternwillen dürfen auch die Ergebnisse der jüngsten Forsa-Umfrage nicht unbeachtet bleiben: Eine klare Mehrheit der Menschen in Deutschland will die Vielfalt des gegliederten Schulwesens und keine Einheitsschule. 60 Prozent wollen Reformen innerhalb der bestehenden Systeme. 63 Prozent sind gegen die Ausweitung des gemeinsamen Lernens in der Grundschule. 71 Prozent fordern eine stärkere Unterstützung der Hauptschulen und lehnen die Abschaffung dieser Schulform ab. Die große Mehrheit von 89 Prozent aller Bundesbürger ist für den Erhalt des Gymnasiums in Deutschland.
Niemand bestreitet, dass auch Gesamtschulen in Niedersachsen gute Arbeit leisten. Aber gute Arbeit leisten auch die Schulen des gegliederten Schulwesens im Lande. Mit einer rückwärtsgewandten Strukturdebatte wird keines der Probleme unserer Schulen gelöst. Dieser 30-jährige ideologische Krieg kostet nur Zeit, Kraft und Geld. Vielmehr muss mit vielen Einzelmaßnahmen von mehr frühkindlicher Bildung über Sprachförderung, mehr individuelle Förderung und bessere Unterrichtsqualität bis hin zur Eigenverantwortlichkeit der Schulen an der Verbesserung der Bildungsergebnisse und der Bildungsteilhabe gearbeitet werden. Wir sind dabei auf einem guten Weg.
Freundliche Grüße
Bernd Busemann