Frage an Bernd Busemann von Andreas F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Busemann,
ich frage mich, wie Sie als jetziger Volksvertreter eine Entscheidung zur verdachtsunabhängigen Datenspeicherung, die damals schon gegen den Willen des Volkes von deutschen Politikern in der EU auf den Weg gebracht wurde, immernoch gegen den Willen des Volkes fordern können?
Als Minister des Inneren sind Sie doch maßgeblich dafür verantwortlich, daß die juristische Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.
Wo sehen Sie diese Verhältnismäßigkeit, wenn Sie Ihre 8 Mio Einwohner unter Generalverdacht stellen, und uns eine Überwachung aufdrücken, die wir nicht wollen.
Natürlich ist Terrorismus eine allgegenwärtige Gefahr.
Jedoch selbst die USA, deren Überwachung sehr umfangreich ist, hat deutlich mehr Probleme mit Terrorismus und Kapitalverbrechen als Deutschland in den letzten 20 Jahren.
Wie können Sie also verantworten, uns Bürger gegen unseren Willen zu überwachen, ohne daß es uns wesentlich zusätzliche Sicherheit bringt ?
Immerhin sollen Sie doch unsere Interessen vertreten?
Mit höflichsten Grüßen
Andreas Faust
Sehr geehrter Herr Faust,
zunächst einmal bin ich Justizminister, nicht Innenminister. Offenbar unterliegen Sie aber auch einem weiteren, verbreiteten Missverständnis. Die so genannte Vorratsdatenspeicherung hat nichts mit einer Überwachung der Bürgerinnen und Bürger zu tun. Es geht auch nicht um die Frage, ob Daten gespeichert werden sollen oder nicht, denn es handelt sich um Daten die auch jetzt schon gespeichert werden. Die Anbieter von Internet- und Mobiltelefondiensten, die Provider, speichern ohnehin die so genannten Verkehrsdaten. Dies geben Auskunft darüber, welches Mobiltelefon zu welcher Zeit und von welchem ungefähren Standort aus eine Verbindung mit welchem anderen Telefon gehabt hat, und welcher Computer zu welcher Zeit eine Verbindung mit welchem Server über das Internet gehabt hat. Die Provider nutzen das zur Abrechnung oder für eigene statistische Zwecke. Mit dem Gesetz soll geregelt werden, dass in Zeiten von immer mehr Flatrate-Verträgen, für die es keine Einzelverbindungsabrechnungen mehr braucht, diese Daten nicht schon nach wenigen Tagen wieder gelöscht werden. Vielmehr sollen sie, geschützt gegen unbefugten Zugriff, von den Providern vorrätig gehalten werden, damit- nur im Fall des Verdachts einer schweren Straftat und mit einem richterlichen Beschluss- durch Ermittlungsbehörden darauf zugegriffen werden kann.
Bei vielen Straftaten über die Terrorismusgefahr hinaus, sind diese Verkehrsdaten für die Ermittler wichtig. Der so genannte Holzklotzmord zum Beispiel konnte schnell aufgeklärt werden, weil über das Mobiltelefon des Tatverdächtigen festgestellt wurde, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt auf der Autobahnbrücke aufhielt. Die Sittensen-Morde oder auch der Mooshammer-Mord in Bayern konnten nur mit Hilfe solcher Daten aufgeklärt werden. In Fällen der Kinderpornographie aus dem Internet, sind die Verbindungsdaten oft der einzige Ermittlungsansatz. Oder denken Sie an den "Enkeltrick", mit dem ältere Menschen oftmals um ihr ganzes Erspartes gebracht werden. Der Betrug beginnt dabei immer mit einem Telefonanruf beim Opfer. Kann man nachweisen, dass dieser Anruf von dem Mobiltelefon eines Verdächtigen kam, ist das ein wichtiges Indiz. Pro Jahr sind gut 1.200 Fälle von Raub, Erpressung, Kinderpornographie, Computerbetrug, Ausspähen von Daten und mehr betroffen, die nur sehr verzögert oder gar nicht aufgeklärt werden können, weil zurzeit die gesetzliche Regelung zu den Verkehrsdaten fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen die Zulässigkeit einer solchen Regelung ausdrücklich bestätigt, allerdings klare Vorgaben zur Ausgestaltung gemacht. Die Regelung wird eingefordert durch eine Richtlinie der Europäischen Union. Weil Deutschland diese Richtlinie bisher nicht umgesetzt hat, läuft bereits ein Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrags. Die Bundesjustizministerin ist und bleibt gefordert.
Freundliche Grüße
Bernd Busemann
Niedersächsischer Justizminister