Frage an Beatrix Philipp von Florian H. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Philipp,
im Rahmen der Medienberichterstattung zu dem Amoklauf von Winnenden ist, zum wiederholten male, das Verbot von gewaltverherrlichenden Spielen, Paintball, Filmen und dergleichen als Gegenmaßnahme genannt worden.
Hierzu würde mich Ihre Meinung zu den vielen vorgeschlagenen Maßnahmen interessieren. Insbesondere zu folgenden Punkten:
- Was halten Sie von so genannten "Killerspielen" und den Spielern im allgemeinen?
- Wie ist Ihre Meinung zu den hier ausgetragenen nationalen und internationalen Wettkämpfen? Sollten diese verboten werden?
- Bei einem Verbot von gewaltverherrlichenden Mediendarstellungen: Worin sehen Sie sie eindeutige Differenzierbarkeit zu "normaler" Gewaltdarstellung, bspw. in den allseits bekannten Actionfilmen im TV und Kino.
- Sehen Sie beim Verbot von "Killerspielen", Paintball und ähnlichem einen gerechtfertigten Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Bürgers?
- Halten Sie mich, als Spiele von Killerspielen und gelegentlich auch Paintball, für einen potentiellen Amokläufer? Falls nein, worin grenzen Sie mich zu den gefährdeten Spielern ab und welche Determinanten außerhalb der Spiele sehen Sie hier als gewichtig an?
Danke für Ihre Antwort und mit freundlichen Grüßen
Florian Hein
Sehr geehrter Herr Hein,
Sie haben sich am 12.05.2009 mit mehreren Fragen zum derzeit angedachten Paintballverbot an mich gewandt. Gern stelle ich Ihnen hierzu meine grundsätzliche Position dar.
Die Ansätze der Diskussion und des nach den Amokläufen von Erfurt im Jahre 2002 und zuletzt in Winnenden empfundenen Handlungsbedarfs sind durchaus unterschiedlich und aufgrund der Unterschiedlichkeit der Blickwinkel meiner Meinung nach auch allesamt ernst zu nehmen.
Einigkeit besteht sicherlich dahingehend, dass das Risiko solch erschütternder und für uns alle in der Tragweite nachhaltiger Vorfälle, unabhängig von der derzeitigen konkreten Gesetzeslage und von weiteren Verschärfungen im Bereich des Waffen-rechts, niemals ganz ausgeschlossen werden kann.
Bereits der Amoklauf in Erfurt vor sieben Jahren hat zu einer erheblichen Verschär-fung des Waffenrechts geführt. So dürfen Sportschützen erst ab 21 Jahren Gewehre oder Pistolen besitzen; für Jäger wurde die Altersgrenze für den Besitz von Schusswaffen von 16 auf 18 Jahre angehoben. Bei Personen unter 25 Jahren wird nunmehr zudem ein Eignungstest in Form eines medizinisch-psychologischen Zeugnisses zur Voraussetzung für den Waffenbesitz gemacht.
Mit diesen Maßnahmen versuchte man, den Missbrauch von Waffen dauerhaft zu verhindern. Die o.g. Ereignisse zeigen jedoch, dass sich Missbrauch niemals ganz verhindern lässt; kriminelle Energie und psychisch bedingte gewaltüberschießende Handlungen einzelner Personen oder Personengruppen werden wir auch von staatlicher Seite niemals zu hundert Prozent verhindern können, so schlimm dies für die Hinterbliebenen der Opfer auch klingen mag.
An dieser Stelle möchte ich auch hinsichtlich der Diskussion um das Paintball-Verbot ansetzen:
Ich schicke voraus, dass ich den sportlichen bzw, unterhaltsamen Charakter dieser Art des „Spiels“ nicht zu erkennen vermag und mich auch hinsichtlich der bei diesem Spiel von Seiten der Paintball-Spieler vorgetragenen verneinten Gewaltanteile nicht anschließen kann. Das mag aber daran liegen, dass ich bisher nur auf indirektem Weg über diese „Spiele“ informiert wurde.
Inwieweit diese Art der Spiele unsere Gesellschaft langfristig „beeinträchtigen“ und die Spieler sich durch die Übung mit waffenähnlichen Gegenständen in einer fingierten, einem der Wirklichkeit durchaus sehr ähnlichen Szenario (durch entsprechende Kleidung und Schaffung eines „realen“ Kampfschauplatzes) , im Umgang mit echten Waffen schulen und sich damit im Ergebnis auf reale gewalttätige Auseinanderset-zungen vorbereiten, ist derzeit wissenschaftlich nicht ausreichend untersucht worden.
Eine solche Untersuchung sollte allerdings primäres Ziel bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema sein, bevor wir uns auf parlamentarischer Ebene mit Verboten, welcher Art auch immer, beschäftigen.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass eine Regulierung von Seiten des Staates in Form der gesetzlichen Generalisierung von Einzelfällen nicht die Lösung sein kann, wenn gesetzliche Tatbestände/Verbote in der Realität und nicht zuletzt aufgrund bestehender Vollzugsdefizite wieder einmal auseinanderfallen und die schrecklichen Folgen einer Tat wie in Winnenden die Bürger und Bürgerinnen zutiefst schockieren.
Es gilt zu differenzieren, denn eine pauschale Gleichstellung von Paintballspielern mit den Amokläufern oder sonstigen Gewalttätern ist völlig ausgeschlossen.
In jedem der zurückliegenden Amokläufe gilt aber, dass die jeweiligen Täterprofile bzw. deren Analyse sein sollten. Vorweg ist eine sorgfältige „Anamnese“ durchzufüh-ren und bei der Bekämpfung derartiger Ausfälle zu berücksichtigen. Zu fragen ist, ob die Ursachen in der Summe aus Erziehung, Elternhaus oder pädagogischen Defizi-ten im Umfeld der Täter (z.B. im schulischen oder beruflichen Umfeld) liegen oder ob es sich um psychisch krankhafte Verhaltensweisen handelt. Jede Ursache erfordert Konsequenzen; erst nach eingehender und sorgfältiger Analyse kann es dann evtl. möglich sein, gesetzliche oder gesellschaftspolitische Konsequenzen zu ziehen.
Ich werde mich in meiner Fraktion dafür einsetzen, den Geschehnissen in Winnenden nicht mit einer übersteigerten Reaktion im Waffenrecht und einem pauschalen Verbot jeglicher Art von „Spielen“ wie Paintball, Laserdome etc. zu begegnen.
Mit freundlichen Grüßen
Beatrix Philipp MdB