Frage an Barbara Judith Bruhn von Hartmut T. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Bischof-von-Lipp-Schule Mulfingen
ich setze voraus, dass Ihnen der Prozeß bis zur Gründung der Schule bekannt ist. Nun meine Frage:
Verstößt es nicht gegen das Diskriminierungsverbot, wenn diese Privatschule, die ja die Gehälter ihrer Lehrer vom Land erhält zumindest beim Schulleiter (lt. Flüsterpropaganda auch bei den übrigen Lehrkräften) darauf besteht, dass er bzw. sie der katholischen Kirche angehören. Die Steuergelder für die Gehälter werden doch von Bürgern aller Konfessionen, aber auch Konfessionslosen, aufgebracht.
Wenn ich dann noch in der Hohenloher Zeitung lesen muss, dass sich bei einer Umfrage bezüglich des Gründungsverlaufs Eltern betroffener Schüler in Mulfingen nicht trauten, mit ihrem Namen zum Gesagten zu stehen, frage ich mich, welches Demokratieverständnis an dieser Schule bzw. der Gemeinde den Kindern vermittelt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Tiemann
Sehr geehrter Herr Tiemann,
vielen Dank für Ihre Frage.
Sie berührt unterschiedliche rechtliche Aspekte. So steht den Kirchen nach dem Grundgesetz ein eigenes Kirchenarbeitsrecht zu, wonach für den Kirchen bei der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse besondere Rechte zustehen, die andere Arbeitgeber nicht haben. Hintergrund ist, dass der Staat davon ausgeht, dass die Kirchen, anders als normale Arbeitgeber, auch besonders für bestimmte kirchliche Werte stehen, die die Angestellten dann auch mittragen müssen. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist in Bezug auf die Religionsfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt. Dies nur vereinfacht ausgedrückt. Hier gibt es auch in meiner Partei immer wieder Diskussionen, ob diese Rechtstellung noch zeitgemäß ist (beim Pfarrer halten ich es für richtig, beim Schulleiter kann man unter Umständen streiten). Auch die Gerichte müssen hierzu in Grenzfällen immer wieder entscheiden, zuletzt im Falle eines bei der Kirche angestellten Chorleiters.
Der andere Aspekt ist derjenige, dass der Staat gewissermaßen einen Bildungsauftrag hat und dafür auch die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen muss. Nimmt nun - wie in Mulfingen - ein anderer privater Träger diese staatliche Aufgabe wahr (Ersatzschule), beteiligt sich der Staat an den Kosten, die er selbst spart. Dies gilt sowohl für kirchliche wie weltliche Träger. Entscheidend ist, dass der Besuch der Schule die allgemeine Schulpflicht erfüllt, also die Leistung des Staates ersetzt. Der Staat zahlt demnach einem kirchlichen Träger nicht unbedingt mehr als einem weltlichen. Er zahlt, weil eine staatliche Schule ersetzt wird.
Für die Situation in Mulfingen bedeutet dies, dass die Kirche aufgrund des kirchlichen Arbeitsrechts unter Umständen verlangen kann, dass die Leitungsperson hinter den Werten der Kirche steht und dies durch eine Mitgliedschaft bekräftigt, andererseits der Staat, der eine Bildungsaufgabe auf den kirchlichen Träger überträgt, finanziell gefordert ist. Die Refinanzierung ist keine Wertung der Glaubensvorstellungen des Trägers.
Meine persönliche Meinung zur Schulsituation in Mulfingen ist folgende: ich hätte mir gewünscht, dass die Landesregierung hier bei der Genehmigung des Schulmodells großzügiger gewesen wäre. Dass es also möglich gewesen wäre, von den Grundsätzen der Schulpolitik (Zweizügigkeit der Werkrealschule) aufgrund der Besonderheiten vor Ort abzuweichen. Aus meiner Sicht wäre dies hier auch sinnvoll gewesen, weil praktisch alle Akteure vor Ort dies unterstützt haben, insbesondere die ansässige Wirtschaft. Damit handelt es sich auch um Wirtschaftsförderung, was manchen ja eher überzeugt. Ich habe etwas den Eindruck, dass man in Baden-Württemberg tatsächlich eine Privatschule gründen muss, wenn man neue Ideen in der Schule umsetzen will (siehe auch die Anne-Sophie-Schule in Künzelsau). Dies will meine Partei ändern und mehr Schulmodelle ermöglichen, wenn sie denn von den Akteuren vor Ort gewünscht werden.
Und zum Schluss zu Ihrer Bemerkung zum Demokratieverständnis: Es stimmt mich traurig, dass eine andere Meinung zu haben offenbar Ängste in der Bevölkerung hervorruft. Ich möchte aber auch klarstellen, dass ich dies nicht verurteile, denn es kann manchmal auch schwierig sein, je nach Situation, wenn man mal gegen den Strom schwimmt, gerade wenn das eigene Kind betroffen ist. Dennoch sollten wir insgesamt ein gesellschaftliches Miteinander schaffen, wo dies nicht notwendig ist und jeder seine Meinung frei äußern kann. Hier sind wir alle gefordert.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Bruhn