Frage an Barbara Höll von Torsten K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Höll,
Sie treten in Leipzig als Direktkandidat zur Bundestagswahl an. Zur Zeit liegt die Arbeitslosenquote in Leipzig bei circa 15%. Was wollen Sie tun, um die Arbeitslosenquote zu senken?
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Kleber
Sehr geehrter Herr Kleber,
vielen Dank für Ihre Frage. Arbeitslosigkeit ist für mich eines der drängendsten Probleme in Deutschland. Sie bedeutet für die von ihr betroffenen Menschen vielfach nicht nur massive Einkommenseinbußen, sondern Entwürdigung und Erniedrigung.
Durch die aktuelle Wirtschaftskrise sind weitere hunderttausende Arbeitsplätze bedroht: Alle Prognosen gehen von einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosenquote in 2010 aus. Aber Arbeitslosigkeit hat auch schon vor der Krise existiert – besonders die Menschen in Ostdeutschland können ein Lied davon singen und Sie verweisen zu Recht auf das Beispiel Leipzig. Arbeitslosigkeit ist daher nicht nur ein konjunkturelles, sondern auch ein strukturelles Problem.
Vor allem Erwerbslose haben das Nachsehen, die aus den verschiedensten Gründen lange Zeit keiner Beschäftigung nachgehen konnten. Zur gleichen Zeit gibt es viele dringende gesellschaftliche Aufgaben, die bisher kaum oder gar nicht erledigt werden. Für die Privatwirtschaft lohnen sie sich nicht, da sie keine Profite versprechen. Hier sind zum Beispiel die Arbeit in Frauenzentren oder Kinderbetreuung rund um die Uhr zu nennen. Auch im ökologischen oder kulturellen Bereich gibt es viele Beschäftigungsmöglichkeiten, die bisher nicht erschlossen sind. Daher muss die öffentliche Hand die Initiative ergreifen. Dies gilt vor allem angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise.
Zur Überwindung der Arbeitslosigkeit bedarf es einer grundlegenden
Umorientierung in der Wirtschaftspolitik. Wir müssen weg von der
einseitigen Exportorientierung. Diese hat dazu geführt, dass die
Reallöhne der Beschäftigten seit zehn Jahren stagnieren, während bis
Mitte 2008 die Unternehmens- und Vermögenseinkommen so stark gewachsen
sind wie nie zuvor. Zusätzlich sind Konzerne und vermögende Bürger von
der Steuerpolitik begünstigt worden. Diese Politik der Regierungen
Schröder und Merkel hat das Land in Arm und Reich gespalten, den
Binnenmarkt ausgetrocknet. Gerade jetzt, angesichts dramatischer
Exporteinbrüche, die deutsche Industrieunternehmen zu verkraften haben,
ist die Stärkung des Binnenmarktes das Gebot der Stunde.
Eine Stärkung des Binnenmarktes geht nur mit einer deutlichen Korrektur der Einkommensverteilung und mit öffentlichen Investitionsprogrammen. Das bedeutet einerseits: die niedrigen und sofort in den Konsum fließenden Einkommen stärken. Gleichzeitig sind die öffentlichen Investitionen auszuweiten. DIE LINKE fordert Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand im Umfang von 100 Milliarden Euro jährlich, um die vernachlässigte Infrastruktur zu sanieren und den ökologischen Strukturwandel voranzutreiben. Mit mehr Verteilungsgerechtigkeit und einem wesentlich stärkeren Engagement der öffentlichen Hand können mehr als zwei Millionen neue reguläre, tariflich entlohnte Arbeitsplätze geschaffen und tausende Unternehmen gesichert werden.
Ein industriepolitischer Zukunftsfonds soll helfen, Arbeitsplätze in sozial fortschrittlichen und ökologisch nachhaltigen Bereichen zu erhalten und zu schaffen. Der Fonds soll Unternehmen bei der Umstellung ihrer Produktion auf energie- und rohstoffeffiziente Verfahren und Qualitätsprodukte unterstützen. Dieser Fonds soll mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden.
Langzeitarbeitslosigkeit wollen wir mit öffentlich geförderter Beschäftigung bekämpfen, die anständig entlohnt sein muss. Wir wollen so für 500 000 Menschen neue Arbeitsplätze schaffen. Ein-Euro-Jobs müssen abgeschafft und durch diese öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnisse ersetzt werden. Diese müssen im Gegensatz zur bisherigen Praxis sozialversicherungspflichtig, freiwillig und längerfristig sein. Die Entlohnung darf nicht unterhalb eines Mindestlohns liegen und sollte sich darüber hinaus an vergleichbaren Tariflöhnen orientieren. Die Finanzierung kann zu einem großen Teil über die Mittel erfolgen, die bisher für das Arbeitslosengeld II, Unterkunftskosten und Ein-Euro-Jobs verwendet werden.
Darüber hinaus sind mehr reguläre Arbeitsplätze durch eine Verkürzung der Arbeitszeit möglich. Die vorhandene Arbeit muss gerecht verteilt werden. Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist dringend notwendig – vor allem in Krisenzeiten.
Meine Zielsetzung ist es, Bedingungen zu schaffen unter denen jeder erwerbsfähige Mensch die Möglichkeit hat, eine seinen Wünschen und Qualifikationen entsprechende Erwerbsarbeit aufzunehmen. Niemand darf unfreiwillig vom Arbeitsleben ausgeschlossen bleiben. Es geht mir nicht um irgendwelche, sondern um gute Arbeit. Das heißt gute Löhne, Mitbestimmung und einen sicheren Arbeitsplatz, der nicht krank macht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Barbara Höll