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Bärbel Kofler
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Frage von Mauricio T. •

Frage an Bärbel Kofler von Mauricio T. bezüglich Menschenrechte

• Was gedenken Sie in Ihrer Funktion als Mandatsträger/in zu tun, damit die Menschenrechte in Chile geschützt bzw. die Täter*innen zur Verantwortung gezogen werden?
• Was werden Sie unternehmen, um Druck auf die chilenische Regierung auszuüben, damit diese die politischen Inhaftierten aus dem Gefängnis entlässt?
• Wie werden Sie sich einsetzen, damit Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Chile materiell entschädigt werden?
• Wie werden Sie handeln, damit die sogenannten Sicherheitskräfte das Wasser der Wasserwerfer nicht weiter mit ätzenden Substanzen versetzen?
• Aktuell eskaliert das brutale Verhalten der chilenischen Polizei gegen Demonstrierende erneut. Es handelt sich dabei um Sicherheitskräfte, die durch Bundesbeamte ausgebildet wurden und nach einem Jahr, genau das Gegenteil bewirken. Wie sich bereits vor einem Jahr befürchten ließ, hat die Polizeikooperation nicht zur Deeskalation durch die Carabineros beigetragen und ist grandios gescheitert. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Abbruch der Kooperation zu erwirken?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Tapia,

vielen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich gerne im Folgenden eingehen werde.

Als Beauftragte der Bunderegierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe trete ich dafür ein, dass Menschenrechte geschützt und weltweit geachtet werden. Ich verfolge die globalen politischen und sozialen Entwicklungen und wende mich bei Menschenrechtsverstößen durch öffentliche Erklärungen oder persönliche Gespräche auch direkt an die entsprechenden Regierungen. Hierbei habe ich selbstverständlich auch die Region Lateinamerika im Blick.

Die Bundesregierung kann Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern aufgrund derer Souveränität nicht beenden. Wir können Öffentlichkeit gegen dieses Unrecht schaffen, diplomatischen Druck ausüben und auf verschiedenen Ebenen darauf hinweisen sowie Gespräche führen. Über die finanzielle, personelle und ideelle Unterstützung humanitärer Hilfe und durch Projektarbeit mit Nichtregierungsorganisationen in betroffenen Regionen kann die Bundesregierung aktiv dazu beitragen, die ansässige Zivilgesellschaft zu stärken und die Bevölkerung dabei unterstützen, die Menschenrechtslage in ihrem Land zu verbessern.

Nach den Ausschreitungen bei Demonstrationen im letzten Jahr in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile und in anderen chilenischen Städten äußerte ich mich am 18. Dezember 2019 öffentlich zur Menschenrechtssituation in Chile. Die Gewalt, die von Polizei und Militär ausging, war unverhältnismäßig und brutal. Es wurden chemische Reizstoffe gegen die friedlich protestierenden Menschen eingesetzt. Weitere Menschenrechtsverletzungen, wie Misshandlungen in Haft und sexualisierte Gewalt – insbesondere gegen Frauen, Mädchen und LGBTIQ – wurden begangen. Dies verurteile ich zutiefst. Die Verantwortlichen in der Regierung forderte ich in meinem Statement auf, alle begangenen Menschenrechtsverletzungen und Straftaten zu verfolgen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Das Büro der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen (OHCHR), Michelle Bachelet, entsandte eine Mission nach Chile zur Untersuchung der Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte. Mein Appell an die chilenische Regierung war, den Reformempfehlungen des Hochkommissariats nachzukommen.

Die chilenische Regierung hat nach den Eskalationen entschieden, einen umfassenden Reformprozess der chilenischen Polizei einzuleiten und ihr Interesse an deutscher Expertise bei der Unterstützung dieses Reformprozesses bekundet. Die Bundesregierung hat in diesem Kontext ihre Sorge über die Ausschreitungen und damit einhergehenden Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen zum Ausdruck gebracht und unabhängige Untersuchungen ausdrücklich begrüßt. Gleichzeitig hat sie ihre Bereitschaft zur Reformkooperation signalisiert. Der Fokus soll hierbei auf Deeskalation, Wahrung der Menschenrechte, Kommunikation und Bürgerfreundlichkeit liegen, ist aber aufgrund der Pandemiesituation im Land vorerst zurückgestellt. Mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz als Beobachter hat die chilenische Regierung eine interministerielle unabhängige Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Empfehlungen der Beobachtermissionen eingerichtet. Die Frage der Opferentschädigung in Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Chile ist von gerichtlicher Seite zu prüfen.

Öffentlich habe ich auch dafür plädiert, dass sich alle beteiligten Akteure zu einem Dialog zusammensetzen, um den strukturellen Ursachen der Proteste auf den Grund zu gehen. Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Regierungsvertreterinnen und -vertreter und der private Sektor müssen gemeinsam Veränderungen in ihrem Land anstoßen. Bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung dränge ich sehr darauf, dass vor allem vulnerable Gruppen – Frauen, Kinder, LGBTIQ und die indigenen Völker Chiles – einbezogen werden.

Auch die Situation in Gefängnissen weltweit ist aus menschenrechtlicher Sicht besorgniserregend. Viele Menschen leben in Gefängnissen auf engstem Raum zusammen – häufig in überfüllten Zellen. Mit Blick auf die Covid-19-Pandemie habe ich deshalb am 16. April 2020 ein Pressestatement veröffentlich, indem ich alle Regierungen weltweit dazu aufgefordert habe, politisch Gefangene freizulassen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bärbel Kofler, MdB

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