Frage an Bärbel Kofler von Georg T.
Was halten Sie vom Doppelresidenzmodell als Regelfall für Kinder getrennter Eltern, bitte?
Sehr geehrter Herr T.,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de zum Doppelresidenzmodell als Regelfall für Kinder getrennter Eltern.
Betonen möchte ich, dass es bei allen Diskussionen um die Regelung des Umgangs bei Kindern das Kindswohl im Mittelpunkt stehen sollte. Leider finden Eltern nicht immer einvernehmlich eine Umgangsregelung für ihr Kind, so dass klare Rechtsgrundlagen benötigt werden, die das Kindswohl im Fokus haben.
Daher sehe ich eine gesetzliche Festlegung auf ein allgemeingültiges verpflichtendes Umgangsmodell als schwierig an. Ich finde es wichtig, dass es Eltern und, falls diese sich nicht gütlich einigen, es auch den Familiengerichten möglich ist den Kindesumgang flexibel und nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu regeln. Für mich ist dabei eines klar: Das entscheidende Kriterium für die Umgangsregelung muss allein das Kindeswohl sein.
Es gab Oberlandesgerichte, die die als Doppelresidenz- bzw. Wechselmodell genannte Regelung nicht einmal dann zuließen, wenn es das Beste für das Kind gewesen wäre. Dies mit der Begründung, dass es für das Wechselmodell keine Rechtsgrundlage im BGB gäbe. Der Bundesgerichtshof hat nun in seinem Beschluss vom Februar 2017 klargestellt, dass das Wechselmodell auch heute schon gegen den Willen eines Elternteils auf Basis der bestehenden Rechtslage angeordnet werden kann, wenn es dem Kindeswohl entspricht. Im Sinne der Rechtsklarheit ist es sinnvoll, diese Rechtsprechung des BGH gesetzlich zu normieren.
Die derzeit gültigen gesetzlichen Bestimmungen sind dem Wortlaut nach auf den Fall zugeschnitten, dass ein Elternteil hauptsächlich betreut und der andere sein Umgangsrecht ausübt. Wir wollen rechtlich klarstellen: Im Sinne des Kindeswohls soll sowohl das paritätische Wechselmodell (hier ist das Kind zu gleichen Teilen abwechselnd bei den Eltern - etwa wöchentlich wechselnd), als auch ein anderer im Wechsel stattfindender Umgang nach eingehender Einzelfallprüfung gerichtlich angeordnet werden können. Dabei wollen wir - anders als andere Parteien - das Wechselmodell nicht als zwingenden Regelfall festschreiben, denn für uns ist das Kindeswohl entscheidend.
Ich halte es für wichtig, dass Familienrichterinnen und Familienrichter genauso wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen aus- und fortgebildet werden, um die oft schwierigen Umgangsentscheidungen qualifiziert treffen zu können. Dies haben wir auch im Koalitionsvertrag festgehalten.
Ebenso bin ich der Auffassung, dass mit anderen und flexibleren Modellen als dem Residenzmodell eine Überarbeitung der Regelung über die Verteilung der Unterhaltslasten zwischen den Eltern einhergehen muss. Die Düsseldorfer Tabelle beruht systematisch auf dem sogenannten Residenzmodell, d. h. darauf, dass im Wesentlichen allein ein Elternteil das Kind tatsächlich betreut, der andere im Wesentlichen Barunterhalt leistet. Deshalb sieht die SPD-Bundestagsfraktion hier ebenfalls Reformbedarf und hat dies als eine wichtige Aufgabe im Koalitionsvertrag verankert.
Eines sei nochmals wiederholt: Das entscheidende Kriterium für die Umgangsregelung ist für die SPD das Kindeswohl.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bärbel Kofler, MdB