Frage an Bärbel Kofler von Franz S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Kofler,
hinsichtlich der geplanten Bahnprivatisierung habe ich allergrößte Bedenken.
Zum einen befürchte ich, daß der vorgesehene Gesetzentwurf gegen das Grundgesetz verstößt, das letztlich im Eisenbahnbereich den Infrastrukturauftrag des Bundes festschreibt.
Zum anderen befürchte ich, daß bei der Bahnprivatisierung im Endeffekt nur die Interessen der Aktionäre zum Zuge kommen und die Verkehrspolitik unter die Räder kommt, insbesondere
die Versorgung in der Fläche. Täglich fahre ich mit den Regionalbahnen der - Ihnen hofffentlich bekannten - Südostbayernbahn mehr als 30 km in die Arbeit, komme entspannt und streßfrei an und habe meine Süddeutsche wenigstens angelesen. Außerdem erspare ich dem Weltklima so einen Haufen Kohlendioxid und sonstige Treibhausgase.
Ich glaube nicht, daß dies bei einer nach den derzeitigen Plänen privatisierten Bahn in einigen Jahren noch möglich ist.
Meines Wissens berät die SPD-Bundestagsfraktion am Freitag dieser Woche in einer Klausur auch über den Gesetzentwurf zur Bahnprivatisierung.
Ich bitte Sie, eine namentliche Abstimmung in Ihrer Fraktion zu beantragen und mir das Ergebnis Ihrer Bemühungen sowie das Abstimmungsergebnis in Ihrer Fraktion mitzuteilen, da dieser mir äußerst wichtige Punkt entscheidend für mein Wahlverhalten bei der nächsten Bundestagswahl sein könnte.
Vielen Dank im Voraus für Ihr Engagement!
Mit freundlichen Grüßen
Franz Steinberger
Sehr geehrter Herr Steinberger,
vielen Dank für Ihre Frage zur geplanten Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG. Nur kurz vorweg: Natürlich kenne ich die Südostbayernbahn, und das auch sehr gut.
Doch nun zu den Fakten der Debatte über die Teilprivatisierung: Mit dem von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes wollen wir gerade dazu beitragen, die Bahn noch attraktiver gegenüber der Straße zu machen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des immens wachsenden Güterverkehrs in Deutschland und in Europa.
Die Öffnung des europäischen Binnenmarktes für den Güterverkehr seit Beginn dieses Jahres und für den internationalen Personenverkehr ab dem Jahr 2010 wird für zusätzlichen Wettbewerb sorgen, und sie eröffnet unseren deutschen Bahnunternehmen neue Chancen in Europa. Aber nur mit einer starken Bahn können wir beim ökologisch vorbildlichen Verkehrsträger Schiene für Zuwachs sorgen.
Sie haben die Sorge geäußert, dass die geplante Teilprivatisierung der DB AG das Angebot eines flächendeckenden Schienenverkehrs gefährden könnte. Genau das soll und darf nicht geschehen. Wir haben in dem nun vorliegenden Gesetzentwurf eine Reihe von Sicherungsmechanismen eingebaut, die dafür sorgen, dass der Bund auch künftig seine Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur wahrnehmen kann.
So soll die Eisenbahninfrastruktur – also Schienennetz, Bahnhöfe, Energieversorgung etc. – vor einer Kapitalprivatisierung in das Eigentum des Bundes überführt werden. Juristische Risiken für die eigentümerrechtliche Position des Bundes werden damit ausgeschlossen, und es ist sichergestellt, dass kein privater Investor Zugriff auf das Schienennetz erhält und die in Jahrzehnten aus Steuermitteln finanzierte Eisenbahninfrastruktur als Volksvermögen erhalten bleibt.
Der Bund stellt den Ländern für die Bestellung des Regionalverkehrs Mittel in Höhe von rund sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder sind für die Ausgestaltung und das Angebot des regionalen schienengebundenen Personenverkehrs verantwortlich. Daran wird sich auch durch das Gesetz über die Teilprivatisierung nichts ändern.
Neu ist hingegen, dass die DB AG künftig jährlich einen Netzzustands- und Entwicklungsbericht vorlegen muss. Damit schaffen wir mehr Transparenz als bisher, insbesondere was die Qualität des Netzes in den einzelnen Regionen angeht. Und es führt dazu, dass die Länder mehr Spielraum haben, um die gegebenenfalls erforderlichen Konsequenzen bei der Planung und Organisation des Regional- und Nahverkehrs zu ziehen. Die Qualität der Infrastruktur wird künftig durch eine Reihe von gesetzlichen und vertraglichen Regelungen genau festgeschrieben, und zwar in der Fläche wie in den Ballungsräumen.
Dafür gibt es in Zukunft die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Sie enthält klare Vorgaben über den Netzzustand. Der Bund hat seinerseits die Möglichkeit, durch Messfahrten auf dem Schienennetz und mit Hilfe unabhängiger Sachverständiger die Angaben im Netzzustands- und Entwicklungsbericht zu überprüfen. Dieses Modell hat sich in den Niederlanden bereits bewährt. Für uns ist Sicherheit oberstes Gebot!
Sollte die DB AG diesem Auftrag nicht oder nur ungenügend nachkommen, müsste sie mit empfindlichen Sanktionen rechnen. Im vorliegenden Gesetzentwurf sind Kriterien und Verfahren detailliert geregelt. Damit trägt die Deutsche Bahn AG das Risiko für den ordnungsgemäßen Zustand der kompletten Infrastruktur.
Auch für Streckenstilllegungen gibt es ein ganz klar festgelegtes Verfahren, dem am Ende die zuständige Aufsichtsbehörde des Bundes in Absprache mit den Ländern zustimmen muss. Die Gefahr, dass verstärkt Stilllegungen drohen, besteht also nicht.
Bei den Tarifen wird ebenfalls vorgebaut: Die Bundesnetzagentur, zuständig für die Überwachung der Preisgestaltung, erhält künftig mehr Rechte. Entscheidend ist für uns, dass im Mittelpunkt der Bahnreform die Bahnkunden stehen: neben den Unternehmen, die auf der Schiene Güter transportieren, sind dies in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger, die die Eisenbahnen als leistungsfähiges, kostengünstiges Verkehrsmittel nutzen wollen.
Die Bewirtschaftung der Infrastruktur wird für 15 Jahre an die DB AG übertragen. Wenn der Gesetzgeber nichts anderes beschließt, fällt diese nach einer dreijährigen Abwicklungsfrist auch wirtschaftlich an den Bund zurück. Der Gesetzgeber kann aber auch die Sicherungsübereignung an die DB AG verlängern.
Der beim Rückfall der wirtschaftlichen Nutzung an den Bund fällige Wertausgleich soll auf Basis des so genannten Netto-Reinvermögens erfolgen. Das bedeutet, dass der Bund alleine das ersetzen wird, was die Bahn abzüglich der Abschreibungen und der Schulden aus eigenen Mitteln eingesetzt hat. Damit ist ausgeschlossen, dass der Bund die von ihm gewährten Zuschüsse ein zweites Mal zahlt.
Mit der Teilprivatisierung wollen wir gerade verhindern, dass der Konzernverbund zerschlagen wird. Den rund 230.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DB AG geben wir die Sicherheit, dass der konzerninterne Arbeitsmarkt und das Beschäftigungsbündnis weitergeführt werden können. Und: Die enge Sozialpartnerschaft zwischen dem Konzern und der Gewerkschaft Transnet soll auch nach der Teilprivatisierung erhalten bleiben – also auch über das Auslaufen des Beschäftigungspaktes im Jahr 2010 hinaus.
Wir wollen nichts „übers Knie brechen“, sondern wir werden uns die Zeit nehmen, über die Inhalte des Gesetzentwurfes zu diskutieren und offene Fragen zu klären. Die Diskussion innerhalb der SPD und auch der SPD-Bundestagsfraktion ist noch nicht abgeschlossen. Wir werden uns auch bei unserem Bundesparteitag in Hamburg Ende Oktober damit befassen. Daher kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nur die Fakten darlegen, wie sie sich derzeit darstellen. Auch ich selbst werde mich an der parteiinternen Diskussion beteiligen und für mich selbst nach dem Bundesparteitag eine Entscheidung treffen.
Was den Punkt einer namentlichen Abstimmung betrifft: Ich kann Ihnen versichern, dass es im Bundestag sehr wahrscheinlich zu einer namentlichen Abstimmung kommen wird. Unabhängig davon mache ich aus meinen Abstimmungsverhalten keinen Hehl. Sie können sich jederzeit auf meiner Homepage www.baerbel-kofler.de ein Bild davon machen oder sich an mein Bad Reichenhaller Wahlkreisbüro wenden (Sebastianigasse 2, 83435 Bad Reichenhall, E-Mail baerbel.kofler.wk05@wk.bundestag.de, Telefon 08651-766123).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bärbel Kofler