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Bärbel Kofler
SPD
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Frage von Katja H. •

Frage an Bärbel Kofler von Katja H. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Kofler,

wie Sie sicher gehört haben, brauchen die Familien in unserem Land dringend Hilfe. Aufgrund der gestiegenen Haftpflicht wurde es in den letzten Jahren immer schwieriger, eine Hebamme zu finden. Nun gibt es eine neue Entwicklung, die den Beruf der Hebammen bald ganz aus unserem Gesundheitssystem verschwinden lassen wird: Unsere Versicherung wird uns ab Juli 2015 nicht mehr versichern und damit kann keine Hebamme mehr arbeiten, weder in der Geburtshilfe noch in der Schwangeren- oder Wochenbettbetreuung. Es betrifft nicht mehr "nur" die freiberuflich tätigen Hebammen, sondern auch die angestellt arbeitenden Kolleginnen, denn viele von Ihnen müssen sich, aufgrund mangelnder Absicherung durch die Krankenhäuser, noch zusätzlich haftpflichtversichern. Wir brauchen dringend Hilfe, da schon die Kinder, die jetzt gezeugt werden, nicht mehr ausreichend mit Hebammenhilfe rechnen können. Wenn heute eine Frau zu mir kommt und um Betreuung anfragt, muss ich ihr sagen, ich betreue bis Juni 2015, danach darf sie nicht mehr kommen, weder zur Rückbildung, noch bei Fragen oder Problemen. Das Kind wird dann 7 Monate alt sein, die Rückbildung ist noch nicht abgeschlossen und eine Ernährungsberatung, wie eigentlich bis zum 9. Lebensmonat vorgesehen, wird es auch nicht mehr geben. Es geht um die Familien in Deutschland, um den Nachwuchs, den wir hier doch so dringend brauchen und um unsere Kinder und Enkelkinder. Hebammen stehen am Beginn des Lebens und so, wie wir alle sterben müssen, müssen wir auch erst mal geboren werden. Bindungsforscher zeigen auf, wie viel ein guter Start ins Leben bedeutet und wie wichtig es ist, in der ersten Phase unseres Lebens Geborgenheit und Sicherheit zu haben. Daran arbeiten Hebammen, dafür unterstützen und begleiten sie die Frauen. Wollen Sie wirklich zusehen, wie einer der ältesten Berufe überhaupt in einem reichen Land wie Deutschland abgeschafft wird?

Vielen Dank für Ihr Interesse
Hebamme und Mutter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Halk,

vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch.de. Gerne möchte ich Ihnen darauf antworten. Wir haben in den letzten Wochen von vielen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von selbst betroffenen Hebammen gehört, dass steigende Prämien für die Haftpflichtversicherung die Hebammen in ihrer beruflichen Existenz bedrohen. Die Problematik der Vergütung freiberuflicher Hebammen und der existenzbedrohende Anstieg der Haftpflichtversicherungsbeiträge beschäftigt uns in der Fraktion bereits seit mehreren Jahren.

Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass Schwangere frei wählen können, wo und unter welchen Bedingungen ihr Kind zur Welt kommen soll. Dazu brauchen wir ein vielfältiges Angebot. Neben den Geburtshilfeabteilungen der Krankenhäuser sollen sich Schwangere auch dafür entscheiden können, ihr Kind zu Hause oder im Geburtshaus auf die Welt zu bringen. Das Rückgrat der Versorgung werden dabei auch in Zukunft die Krankenhäuser darstellen.

Im Jahre 2010 wurden in Deutschland 680.413 Kinder geboren, davon 668.950 (98,3%) in Krankenhäusern und 11.463 (1,7%) außerklinisch, also z.B. zu Hause oder im Geburtshaus.

Freiberufliche Hebammen sind für alle werdenden Mütter ein unverzichtbarer Bestandteil der Versorgung. Für Schwangere und junge Mütter stellt die Hebamme vor und nach der Geburt oft eine enge und wichtige Ansprechpartnerin dar. Deshalb muss die Vergütung von Hebammenleistungen so gestaltet sein, dass freiberuflich tätige Hebammen von ihrem anspruchsvollen und wichtigen Beruf gut und angemessen leben können. Eine mögliche Gefährdung dieses Berufsstandes ist nicht im Interesse der Frauen und auch nicht im Interesse der SPD-Bundestagsfraktion. Deshalb haben wir in den Koalitionsvertrag die folgenden Formulierungen aufgenommen:

„Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig. Wir werden daher die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen im Speziellen beobachten und für eine angemessene Vergütung sorgen.“

Die Gründe für die in der letzten Zeit wieder gewachsene Sorge auf Seiten der Hebammen liegt in den erneut angekündigten Erhöhungen der Haftpflichtprämien für geburtshilflich tätige Hebammen und in der Ankündigung der Nürnberger Versicherung, in Zukunft keine Berufshaftpflichtversicherungen für Hebammen mehr anzubieten.

Das Risiko der steigenden Versicherungsprämien wurde von der letzten Bundesregierung auf die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen. Die Krankenkassen müssen die steigenden Prämien der Hebammen seitdem bei den Honorarverhandlungen ausgleichen. Keine Lösung wurde damals gefunden für den Fall, dass sich immer mehr Versicherer aus dem Markt der Berufshaftpflichtversicherungen zurückziehen und es möglicherweise in Zukunft gar keinen Versicherungsschutz für Hebammen mehr geben könnte. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte die Bundesregierung bereits im Jahr 2010 aufgefordert zu prüfen, wie das Haftungsrisiko für ärztliche und nichtärztliche Berufe im Gesundheitssystem insgesamt auf einen größeren Personenkreis verteilt werden kann, um drastische Kostensteigerungen durch steigende Versicherungsprämien für einzelne Leistungserbringer zu vermeiden.

Darüber hinaus wurde die steigende Belastung der Hebammen in einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Hebammenverbände beraten und die Probleme der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland analysiert. Neben dem Thema der Haftpflichtversicherung wurden als weitere Arbeitsschwerpunkte die Fragen der Ausbildung, die Versorgung der Bevölkerung mit Hebammenhilfe sowie die Sicherung der Versorgungsqualität in der Geburtshilfe erörtert. Insbesondere zum Thema Berufshaftpflichtversicherung wurden weitere zuständige Ministerien wie das Bundesjustizministerium, das Bundesfinanzministerium sowie das Bundeswirtschaftsministerium und der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft hinzugezogen.

Derzeit wird der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe mit den Hebammenverbänden abgestimmt und soll noch im ersten Quartal 2014 vorgelegt werden. Da im Rahmen der Arbeitsgruppe, insbesondere auch die Vorschläge der Hebammen, zu einer möglichen Umgestaltung der Kostentragung der Berufshaftpflichtprämien erörtert wurden und neben der Kostenproblematik versicherungsrechtliche Fragen eine Rolle spielen, werden wir die Vorlage des Berichtes abwarten und auf dieser Grundlage mit allen Beteiligten an einer tragfähigen Perspektive für die Hebammenversorgung in Deutschland arbeiten. Es ist aus unserer Sicht nicht zielführend, die gemeinsam mit den Hebammen diskutierten Lösungsvorschläge jetzt durch unabgestimmte Vorstöße zu untergraben. Wir brauchen gemeinsam getragene und nachhaltige Lösungen der Haftpflichtproblematik, damit die Versorgung mit Hebammen auch dauerhaft gesichert bleibt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bärbel Kofler, MdB

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