Frage an Bärbel Kofler von Albrecht B. bezüglich Soziale Sicherung
ROT GRÜN schuf seinerzeit die gesetzlichen Grundlagen für die heutige günstige Wirtschaftslage in Deutschland. Das ist die positive Seite.
Die negative Seite sind die Berichte über die Lage der sog. Leiharbeiter z.B. bei Amazon oder Mercedes, um nur bekanntere Namen zu nennen.
Die "offenen Türen" für ungebremste Habgier drängen immer mehr Menschen trotz fleißiger Arbeit in bittere Armut. Bei den "Leiharbeitern" aus EU Staaten mit hoher Arbeitslosigkeit kommt hinzu, dass diese Menschen in zu vielen Fällen von unserem "erfolgreichen" Land einen Eindruck bekommen, der jede Sympatie im Keim erstickt.
Diese Entwicklung ist nicht nur beschämend, sondern gefährlich für den Weg zu einem Vereinten Europa, den Deutschland doch immer in Worten und sicher auch einigen Taten so laut vertritt.
Was werden Sie nach der Wahl, sei es auf der Regierungsbank oder in der Opposition tun, um diese unerträgliche, auch gefährliche Entwicklung zu verändern: gleiche Gegenleistung für gleiche Arbeit?
Sehr geehrter Herr Behm,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Leiharbeit. Ich teile Ihre Haltung, dass wir in diesem Bereich dringend eine Verbesserung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreichen müssen. Unter Rot-Grün haben wir in schwierigen Zeiten den Arbeitsmarkt reformiert. Einige Dinge haben sich aber in die falsche Richtung entwickelt und das wollen wir nach der Wahl in Regierungsverantwortung anpacken.
Zu Ihrer Frage, was ich konkret für die Lage der Leiharbeiter nach der Bundestagswahl tun werde, nehme ich gerne ausführlich Stellung:
Den Trend zur Leiharbeit müssen wir genauso wie das Lohndumping durch Werk- und andere Verträge stoppen. Unser zerrütteter Arbeitsmarkt bietet vielen Menschen keine verlässliche Zukunft. Leiharbeit muss endlich wieder auf ihre ursprüngliche Bedeutung zurückgefahren werden. Sie darf nur bei Auftragsspitzen und kurzfristigen Vertretungen eingesetzt werden. Leiharbeit und Werkverträge sind nicht dazu da, um Lohnkosten zu drücken und Kündigungsschutz zu umgehen. Das gilt für Unternehmen genauso wie für den Staat.
Die derzeitigen Regelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) wurden 2002 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung gesetzlich verankert. Das Ziel war es, Leiharbeit stärker als bisher als Instrument für die Reintegration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt zu nutzen und gleichzeitig entstandenen Wildwuchs in dieser Branche zu beseitigen. Heute sagen wir ganz klar, diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Leiharbeit wird als Instrument zu Tarifflucht und Lohndrückerei genutzt, Stammbelegschaften werden Zug um Zug durch Leiharbeitnehmer ersetzt. Das Einkommensgefälle zwischen Leiharbeit und regulärer Beschäftigung ist groß.
Daher müssen die geltenden Regelungen dringend korrigiert werden, um den zunehmenden Missbrauch zu unterbinden. In dieser Legislaturperiode haben wir als SPD-Bundestagfraktion auch in der Opposition mehrfach Anträge in den Deutschen Bundestag eingebracht, die einen besseren gesetzlichen Schutz von Leiharbeitnehmern forderten. Leider wurden diese von der schwarz-gelben Koalition abgelehnt. Den genauen Wortlaut einiger dieser Anträge finden Sie exemplarisch auf der Homepage www.bundestag.de unter den Bundestagsdrucksachen-Nummern 17/1155 (SPD-Antrag „Fairness in der Leiharbeit“), 17/4189 (SPD-Antrag „Missbrauch von Leiharbeit verhindern“), 17/12378 (SPD-Antrag „Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen“) und 17/13476 (SPD-Antrag „Moderne Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert“).
Die SPD fordert auch seit Jahren die Einführung eines gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohnes in Höhe von mindestens 8,50 Euro brutto je Zeitstunde. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer soll unabhängig von seiner Branchenzugehörigkeit und seinem Alter einen Rechtsanspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Beschäftigte, die Vollzeit arbeiten, müssen von ihrem Lohn leben können.
Schon in der Legislaturperiode ab 2005 haben wir versucht, einen Mindestlohn für Leiharbeit durchzusetzen. Wir haben dann gegen den langen Widerstand von Union und FDP erreicht, dass eine Lohnuntergrenze für den Bereich der Leiharbeit gilt. Das ist gut, reicht aber nicht aus – denn es ist kein wirklicher Mindestlohn. Wir wollen vielmehr, dass der Grundsatz, „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ für Stammbeschäftigte und Leiharbeiter endlich ohne Ausnahme gelten muss. Konzerninterne Verleihung durch Leiharbeitsgesellschaften der Unternehmen muss verboten werden. Die Betriebsräte in den Entleihbetrieben brauchen Mitbestimmungsrechte zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Einsatzes der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer und des Umfangs und der Dauer der Leiharbeit. Folgerichtig sollen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl für die betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte mitgezählt werden.
Vor allem aber soll wieder der Grundsatz durchgesetzt werden, dass Leiharbeitnehmer bei wechselnden Unternehmen eingesetzt werden, aber unbefristet bei den Leiharbeitsunternehmen beschäftigt werden. Deshalb sollen die Befristung eines Leiharbeitsverhältnisses und die Koppelung der Befristung an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) außerhalb der Probezeit unzulässig sein. Außerdem sollte der Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher gesetzlich verboten werden.
All das kann ich nur erreichen, wenn Sie mir am 22. September Ihre Stimme geben. Ich würde mich freuen, wenn ich sie gewinnen könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bärbel Kofler, MdB