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Bärbel Kofler
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Frage von Joachim L. •

Frage an Bärbel Kofler von Joachim L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Fra Dr. Kofler,

danke für Ihre Antwort - es bleiben jedoch sehr viele Ungereimtheiten:

alle Mitglieder des Gouverneursrates unterliegen nach Art. 34 der absoluten Schweigepflicht. Eine parlamentarische Kontrolle ist daher nicht gegeben. Der Vorsitzende, die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Über die Aufhebung oder Einschränkung der Immunitäten innerhalb dieses Personenkreises entscheidet der Gouverneursrat selbst (Artikel 35).
Wie unter diesen Umständen ein parlamntarische Kontrolle (auch nur ansatzweise) möglich sein soll müssten Sie nochmal erklären.
Sie machen sich für eine Vergemeinschaftung der Schulden stark und zitieren 17 europ. Experten (gegen die sich 170 andere stellen).
Glauben Sie, damit den Wählerwillen zu repäsentieren?
Was unternehmen Sie um weitere Gesetztesbrüche zu verhindern?
Wie begegnen Sie dem umsichgreifenden Gefühl, dass Volksvertreter nur Lobby Vertreter sind?
Wenn Sie allen Regierungsvorgaben zustimmen - wieso reden Sie dann im Parlament dagegen?
Ist ein Volksentscheid angbracht?

Über eine kurze Antwort würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Lauktien

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Lauktien,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage.

Ich bitte Sie um etwas Geduld, in den nächsten Wochen wird Ihnen dazu eine ausführliche Stellungnahme von mir zugehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bärbel Kofler, MdB

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Sehr geehrter Herr Lauktien,

sie stellen mir in Ihrer Nachfrage insgesamt sechs Fragen und erbitten sich eine kurze Antwort. Aufgrund der komplexen Themen ist dies jedoch nicht möglich. Bitte erlauben Sie mir daher ihrer Bitte nach der näheren Erläuterung der parlamentarischen Kontrolle und Immunität des Gouverneursrates nachzukommen, mit der Sie sich auf meine Antwort zu Ihrer ursprünglichen Frage beziehen. Der ESM-Vertrag regelt in Art. 9, dass von jedem Mitgliedstaat ohne weitere Bedingungen genehmigtes Kapital jederzeit durch den Gouverneursrat abgerufen werden kann. Das entspricht dem Wesen des ESM als internationale Finanzinstitution, der Geld am Kapitalmarkt aufnehmen kann, um es unter strengen Bedingungen weiter zu verleihen. Der ESM bekommt dieses Geld zu den günstigsten Konditionen, weil er Eigenkapital zur Sicherung vorhält. Sinkt dieses Eigenkapital unter eine kritische Marke, müssen die Mitgliedstaaten entsprechend ihrem Beitrag dieses Kapital nachschießen. Dies bewahrt sie aber vor einer weiteren Haftung oder der Übernahme von Bürgschaften. In Paragraph 5 Abs. 2 Nr. 2 des ESM-Finanzierungsgesetzes ist geregelt, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages einen solchen Kapitalabruf vorher zustimmen muss. Die parlamentarische Kontrollmöglichkeit bleibt damit erhalten.

Welche Instrumente der Gouverneursrat des ESM den Staaten zur Verfügung gestellt steht ihm frei. Möglich sind neben direkten Darlehen vorsorgliche Finanzhilfen, spezielle Finanzhilfen zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten, aber auch der Ankauf von Staatsanleihen auf dem Primär- und auf dem Sekundärmarkt. Zudem regelt Art. 19 des ESM-Vertrages, dass der Gouverneursrat die Liste der Finanzhilfsinstrumente überprüfen und ändern kann. Bevor ein Instrument angewendet wird, bedarf es einer einstimmigen Entscheidung im Gouverneursrat. Gemäß Paragraph 4 Abs. 1 muss grundsätzlich der deutsche Bundestag zustimmen, wenn ein Land Finanzhilfen begehrt, gemäß Paragraph 5 Abs. 2 Nr. 1 muss der Haushaltsausschuss zustimmen, wenn zusätzliche Instrumente ohne Änderung des Gesamtfinanzierungsvolumens beschlossen werden sollen. Will der Gouverneursrat ganz neue Instrumente einführen, braucht es dazu nach Art. 2 des ESM-Ratifizierungsgesetzes sogar eine Ermächtigung durch Bundesgesetz.

Was die berufliche Schweigepflicht des Gouverneursrates anbelangt, so ist diese in Art. 34 des ESM-Vertrages geregelt. Sie gilt für Mitglieder des Gouverneursrates und des Direktoriums. Allerdings regelt das ESM-Finanzierungsgesetz für Deutschland, dass der Bundesfinanzminister als Mitglied des Gouverneursrates und der von Deutschland nominierte Direktor dem Deutschen Bundestag ungeachtet dieser Vertragsbestimmung jederzeit auskunftspflichtig sind. Die SPD hat im Laufe der Beratungen gefordert, das klar gesetzlich zu regeln. Es wurde in Paragraph 7 Abs. 9 des Gesetzes aufgenommen. Es ist richtig, dass der Vorsitzende des Gouverneursrates und die Mitglieder des Direktoriums persönliche Immunität genießen. Diese Immunität soll nicht vor Strafverfahren oder zum Schutz vor Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dienen, sondern vor allem dazu, dass Gerichte keine Auskunftspflicht anordnen dürfen. Der ESM operiert mit sehr marktrelevanten Daten und Geschäftsgeheimnissen, deren Preisgabe zu erheblichen Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen kann. Machen sich Mitglieder des Direktoriums oder des Gouverneursrates strafbar, kann jede Staatsanwaltschaft die Aufhebung ihrer Immunität beantragen. Art. 35 Abs. 2 des ESM-Vertrages regelt ausdrücklich, dass der Gouverneursrat die gewährten Immunitäten des Vorsitzenden, der Mitglieder, aber auch aller Mitglieder des Direktoriums aufheben kann. Auch für die Mitglieder des Deutschen Bundestages besteht nach dem Grundgesetz Immunität. Sie kann vom Deutschen Bundestag aufgehoben werden, und die Praxis zeigt, dass dies regelmäßig bei einem entsprechenden Antrag einer Staatsanwaltschaft geschieht. Der ESM ist eine internationale Finanzinstitution, die durch völkerrechtlichen Vertrag begründet wurde. Dies war die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs. Die SPD hat sich stets dafür ausgesprochen, einen Stabilitätsmechanismus bzw. einen Rettungsschirm innerhalb des EU-Rechts einzurichten. Die SPD setzt sich weiter dafür ein, notfalls im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit der Euro-Mitgliedstaaten hier deutlich weitere Schritte zu gehen. Eine internationale Institution außerhalb des Gemeinschaftsrechts jedenfalls ist keine dauerhafte Lösung.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Bärbel Kofler

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