Portrait von Bärbel Kofler
Bärbel Kofler
SPD
100 %
42 / 42 Fragen beantwortet
Frage von Martin L. •

Frage an Bärbel Kofler von Martin L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Bärbel Kofler,

ich wende mich hier öffentlich als Bürger an Sie, weil Abgeordnetenwatch derzeit die immer noch beste Schnittstelle der digitalen Demokratie ist und weil Sie für mich die Hoffnung auf eine zukunftsorientierte, erneuerte Sozialdemokratie mitverkörpern.

Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für "Wirtschaft und Technologie" und als Informatikerin zum "Telemediengesetz" (Internetsperren gegen Kinderpornographie) stehen? Hier geht aus meiner Sicht auch um Grundfragen einer künftigen "digitalen Demokratie", die wir dringend brauchen und für die wir die Weichen jetzt stellen müssen.

Haben Sie die differenzierten Argumentationen der Gegner des Gesetzes verfolgt? Inwieweit teilen Sie meine Ansicht, dass das Gesetz

(1) nicht nur nichts gegen Kinderpornographie hilft, sondern sogar schadet, weil Symbolpolitik an die Stelle von ernsthaften und wirkungsvollen Arten der Verfolgung tritt und weil die Aufmerksamkeit der wirklichen Überzeugungstäter sogar noch auf solche Adressen, die ja nur "gesperrt", nicht gelöscht werden, gelenkt wird;

(2) in mehrerer Hinsicht gegen rechtsstaatliche Prinzipien einer freien digitalen Informationsgesellschaft massiv verstößt;

(3) ein weiterer symptomatischer Schritt ist, der den ohnehin bestehenden kulturtechnischen Rückstand des "Internet-Entwicklungslandes Deutschland" weiter vertieft und festschreibt?

Mit herzlichem Gruß

Martin Lindner

Portrait von Bärbel Kofler
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lindner,

vielen Dank für Ihre Fragen, mit denen Sie sich kritisch mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen auseinandersetzen.

Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein abscheuliches Verbrechen. In den vergangenen Jahren wurde deshalb das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornographie lückenlos unter Strafe gestellt. Die Verbreitung von Kinderpornographie hat insbesondere im Internet in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Gleichzeitig ist eine Tendenz zu immer jüngeren Opfern festzustellen.

Der kommerziellen Verbreitung über das Internet darf nicht tatenlos zugesehen werden. Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornographie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Dieser direkte Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Deshalb ist es notwendig, den Zugang zu entsprechenden kinderpornographischen Internetangeboten von Deutschland aus zu sperren.

Der SPD-Bundestagsfraktion war bereits zu Beginn dieser Diskussion voll bewusst, dass wir uns in einem Spannungsfeld zwischen dem notwendigen Kampf gegen Kinderpornographie im Internet und den hierdurch betroffenen Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger bewegen. Deshalb haben wir stets deutlich gemacht, dass wir für eine entsprechende Internetsperre eine gesetzliche Grundlage für erforderlich halten, um rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen zu können. Wie Sie wissen, hat es ja vor kurzem vertragliche Vereinbarungen mit großen Internetprovidern gegeben, die jedoch rechtlichen Zweifeln unterliegen.

Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf verfolgen wir das Ziel, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt uns aber entscheidend darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen.

Die SPD-Fraktion wirbt dafür, sowohl das Thema Kinderpornographie als auch das freie Internet mit der gebotenen Sensibilität zu behandeln. Der wichtige Kampf gegen Kinderpornographie im Internet und die Rechte der Internet-Nutzer müssen sich nicht ausschließen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren werden wir insbesondere prüfen, an welchen Stellen der Gesetzentwurf in datenschutzrechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht verbessert werden kann.

Eins ist allerdings klar: Weitere Schritte sind erforderlich, um Kinderpornographie effektiv zu bekämpfen. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung ein umfassendes Konzept mit weiteren konkreten Maßnahmen vorgelegt.

Hinweisen möchte ich auch darauf, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrer Forderung nach grundlegenden Änderungen beim Kinderpornografie-Bekämpfungsgesetz in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchgesetzt hat. Die Kernforderungen der SPD werden wie folgt umgesetzt:

1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips: Löschen vor Sperren:

Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, so weit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben.

2. Kontrolle der BKA-Liste und Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener:

Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt, dessen Mitglieder mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben muessen. Das Gremium kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren, soweit die Voraussetzungen fuer eine Sperrung nicht vorliegen. Es wird verankert, dass gegen die Aufnahme in die Sperrliste der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.

3. Datenschutz:

Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

4. Spezialgesetzliche Regelung mit Befristung:

Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie ermöglicht wird, nicht jedoch von anderen Inhalten, werden die wesentlichen Regelungen in einem neuen Zugangserschwerungsgesetz statt im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft, so dass in jedem Falle die vorgesehene Evaluation auszuwerten ist, auf deren Basis endgültig entschieden werden kann. Zusätzlich haben wir eine Bestimmung aufgenommen, die ausschließt, dass die neu geschaffene Infrastruktur zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden kann.

Mit diesen Änderungen werden auch die wesentlichen Forderungen des Bundesrates sowie der Experten aus der Bundestagsanhörung berücksichtigt. Zudem tragen wir Bedenken aus der Netz-Community Rechnung, mit dem Gesetz würde eine Infrastruktur aufgebaut, die zu anderen Zwecken als der Sperrung kinderpornografischer Inhalte genutzt werden koennte. Dies wird durch das Gesetz gerade ausgeschlossen. Ohne das Gesetz hingegen blieben die bereits abgeschlossenen Verträge zwischen BKA und Internetprovidern ueber Sperrmaßnahmen gültig, die gerade keinen hinreichenden Grundrechtsschutz und verfahrensrechtliche Sicherungen beinhalten.

Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren. Damit wird außerdem der Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom letzten Samstag umgesetzt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bärbel Kofler, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Bärbel Kofler
Bärbel Kofler
SPD