Frage an Bärbel Höhn von Werner N. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Höhn,
ich hatte Sie in meiner Mail vom 12.08.2008 um eine Stellungnahme zum Thema Verbrennung von Müll ausländischer Herkunft und den Einfluss auf die CO2-Bilanz gebeten. Da es mir um die Glaubwürdigkeit der Politik geht, bitte ich um eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Nissing
Sehr geehrter Herr Nissing,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die CO2-Emissionen von Müllverbrennungsanlagen sind natürlich genau-so schädlich für das Klima wie CO2-Emissionen von Autos: Rechtlich darf man auch heute noch die CO2-Bilanz einer Region verschlechtern, wie das beim Müllimport in nicht ausgelasteten Müllverbrennungsanlagen (MVA) geschieht. De facto müssen die Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Standorte mit überdimensionalen MVA die Zeche zahlen. Deshalb einige Grundsätze zu der Müllpolitik der Grünen vorab: Für uns Grüne steht die Müllvermeidung an erster Stelle, dadurch werden wertvolle Rohstoffe und Energie nicht sinnlos vergeudet. Erst dann kommt für uns das Recyceln und ganz am Ende der Abfallverwertungskette steht für uns die thermische Verwertung durch Müllverbrennung. Nur bei nicht weiter verwertbaren Abfällen macht es Sinn, diese auf effiziente und umweltverträgliche Weise energetisch zu nutzen. Dann ist die energetische Nutzung von Abfällen in Heizkraftwerken mit einer Auskopplung von Strom und Wärme besser als die reine Müllverbrennung, oder gar die Deponierung.
In NRW sind in den 80er und 90er Jahren überdimensionierte Müllverbrennungsanlagen gebaut worden. Dadurch haben wir insbesondere im Rheinland erhebliche Überkapazitäten, die die zwangsangeschlossenen Bürger teuer bezahlen müssen. Um die Überkapazitäten wenigstens etwas zu mindern, wird sogar Abfall aus dem Ausland verbrannt. Das lehnen wir Grünen ab. Ich habe in meiner Zeit als NRW-Umweltministerin deshalb den Kreisen klare Vorgaben gemacht, den Müll in der Region zu ent-sorgen, in der er auch angefallen ist. Unnötige Mülltransporte wollen wir vermeiden!
Nun zu Ihrer Frage bezüglich der Müllimporte aus Italien. In der Müllnotstandsregion Neapel befinden sich die Menschen in einer hygienischen Zwangslage. Eine solche Notlage bestand dort bereits vor einigen Jahren. Ich habe deshalb damals als Umweltministerin dem vorübergehenden Müllimport aus Italien zugestimmt, um den Menschen dort zu helfen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass dies eine Ausnahme bleibt und Italien eigene Kapazitäten aufbaut. Leider hat Italien dies bis heute nicht getan, weshalb ein erneuter Müllnotstand eingetreten ist. Trotz dieser schlechten Erfahrungen, hat nun der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhard Uhlenberg Mülltransporte aus Italien gebilligt. Dabei könnte er diese unterbinden. Hier sehen ich und die Grünen in NRW die Gefahr, dass sich dauerhafte Müllimporte etablieren. Die Grünen in NRW fordern daher, die Müllimporte an die vertragliche Verpflichtung Italiens zu binden, Entsorgungskapazitäten zu schaffen. Außerdem wollen wir verhindern, dass die Verbrennung von italienischem Abfall mit Gebühren aus NRW finanziert wird. Bei dem aus Italien importierten Müll handelt es sich um Hausmüll. Allerdings hat man bei einer Lieferung schwach radioaktive Abfälle, die wahrscheinlich aus Krankenhäusern stammen, gefunden. Hiergegen haben wir protestiert und umfassende Kontrollen, die den Lieferanten in Rechnung zu stellen sind, gefordert.
Unabhängig davon hat NRW leider auch Überkapazitäten bei Sondermüllverbrennungsanlagen. In Herten, wo eine überdimensionierte Sondermüllverbrennungsanlage steht, sollten deshalb im letzten Jahr große Mengen Sondermüll aus Australien verbrannt werden. Zum Glück gab es dagegen eine sehr aktive Bürgerbewegung vor Ort, sodass diese Lieferungen nun auch ausgesetzt wurden. Auch ich habe mich an diesen Protesten beteiligt. Es kann nicht sein, dass gefährlicher Abfall über zehntausende Kilometer zu uns nach NRW verfrachtet wird. Australien ist ein hochentwickeltes Industrieland und in der Lage, seine Abfälle selbst zu entsorgen. Sondermüllimporte sind für uns nur dann vertretbar, wenn eine umweltgerechte Entsorgung im Ursprungsland, etwa einem Entwicklungsland, nicht möglich ist.
Der derzeit praktizierte Mülltourismus hat vor allem eine europäische und globale Dimension. Diese ist derzeit im Fokus unserer Arbeit. Wir haben uns bei der Novelle der europäischen Abfallverbringungsverordnung dafür eingesetzt, dass die Einspruchsmöglichkeiten gegen geplante Abfalltransporte ausgeweitet werden, um dem Mülltourismus entgegen zu wirken. Der damalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin konnte in dieser Hinsicht im Ministerrat in Brüssel einige Verbesserungen erreichen. So wurden bei der Novelle der Abfallverbringungsverordnung zusätzliche Gründe gegen Importe von Abfällen zur Verwertung und Beseitigung aufgenommen. Seit dem Juli 2007 können nun Transporte von gemischten Siedlungsabfällen (privater Restmüll) von den Behörden verhindert werden. Ob nun von den neuen Einspruchsmöglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird, hängt von den Abfallbehörden der Bundesländer ab, denn diese sind in Deutschland für den Vollzug des Abfallrechtes zuständig.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Höhn