Frage an Bärbel Höhn von dirk k. bezüglich Umwelt
Was bitte bringen diese umweltplacketten fürs Auto? Macht der Wind einen bogen um diese Zonen?
Sehr geehrter Herr Kind,
Feinstaub belastet die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern vor allem in Städten. 65.000 Menschen sterben laut EU-Kommission jedes Jahr allein in Deutschland an den Folgen.
Die Ursachen sind vielfältig: Autos (insbesondere Dieselmotoren), Industrie aber auch Landwirtschaft. Deshalb hat die EU am 27. September 1996 eine Luftqualitätsrahmenrichtlinie erlassen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Novelle vom 26.09.2002 setzt die Anforderungen der EU-Luftqualitätsrahmenrichtlinie in deutsches Recht um. Deutschland hat sie als Bestandteil der 22. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) und der 7. Novelle des BImSCHG seit September 2002 ins Bundesgesetzblatt geschrieben. Sie ist damit Recht und Gesetz.
Der Termin, an dem der Grenzwert für Feinstaub in Kraft trat, der 1. Januar 2005, kam für die Länder und Kommunen also nicht überraschend. Die Kommunen waren bereits im Vorjahr verpflichtet, Messungen vorzunehmen, um abschätzen zu können, wo Überschreitungen drohen und rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten. Mindestens den für Luftreinhaltung zuständigen Behörden der Länder war seit Jahren klar, was auf sie zukommt. Doch anstatt wirksam Maßnahmen für eine bessere Luft zu ergreifen, haben viele Länder und Kommunen zu lange Zeit die Hände in den Schoss gelegt.
Mit den rot-grünen Vorgaben im Bundesimmissionsschutzgesetz von 2002 und der dazugehörigen Verordnung wurde den Kommunen eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung gestellt, mit denen sie gegen die Emissionsquellen vorgehen können. So können Genehmigungen von Industrieanlagen grundsätzlich nur noch erteilt werden, wenn die Grenzwerte in der Nähe der Anlagen eingehalten werden. Auch die Ermächtigungsgrundlagen für Verkehrsverbote oder –beschränkungen stammen aus dem Regelwerk von 2002. Bis dahin waren Verkehrsbeschränkungen wegen Luftverunreinigungen stets nur symbolische Politik. Wir Grünen haben mit dieser Praxis gebrochen. Rot-Grün hatte im zentralen Regelwerk der Luftreinhaltung, dem Bundesimmissionsschutzgesetz, zwei neue Ermächtigungsgrundlagen für Verkehrsbeschränkungen wegen Luftverunreinigungen geschaffen (§ 40 Abs. 1 und Abs. 2 BImSchG). Damit wurden Kommunen zu Verkehrsverboten und –beschränkungen ermächtigt, die in Luftreinhalte- oder Aktionsplänen vorgesehen sind und ihnen gestattet unabhängig von den planerischen Instrumenten Verkehrsbeschränkungen und –verbote zu erlassen, wenn der Verkehr zur Überschreitung von Immissionswerten beiträgt.
Nach den Feinstaubvorgaben sind die zuständigen Behörden der Länder (Regierungspräsidien oder Landesämter) in Zusammenarbeit mit den Gemeinden in der Pflicht, Luftreinhalte- und Aktionspläne zu erstellen und auch zu realisieren, wenn der Grenzwert der EU an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten wird, um die gesundheitsschädlichen Werte zu reduzieren.
Das Recht auf saubere Luft ist schon seit Ende 2005 einklagbar, nachdem die ersten Kommunen Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub an mehr als 35 Tagen vermelden mussten.
Am 27. September 2007 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig höchstrichterlich entschieden, dass AnwohnerInnen von besonders mit Feinstaub belasteten Straßen ihr Recht auf saubere Atemluft gerichtlich durchsetzen können. Kommunen könnten sich nicht auf das Fehlen eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung berufen, entschieden die RichterInnen. Sie müssen vielmehr dafür sorgen, dass ein wirksames Aktionsprogramm auch realisiert wird.
Die Einführung von Umweltzonen liegt also nicht in der Zuständigkeit des Bundes sondern in der von Ländern und Kommunen.
Dass die Länder lt. 22. BImSchV Luftreinhaltepläne mit Maßnahmen zur fristgerechten Einhaltung der Grenzwerte vorlegen müssen, bedeutete für die Behörden, dass bereits vor dem Inkrafttreten der Grenzwerte alle Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt der zeitgerechten Einhaltung der Grenzwerte hätten getroffen werden müssen. Mit der Verabschiedung und Korrektur der Kennzeichnungsverordnung für die Vergabe von Plaketten und die Einrichtung von Umweltzonen sind alle gesetzgeberischen Vorarbeiten geleistet.
Im Jahr 2002 hatte der Umweltausschuss des Bundesrates der 22. BImSchV zugestimmt. Doch schon mit Näherrücken des 1.1.2005 und erst Recht aufgrund der Feinstaubmessungen vor 2005 ändert sich die Haltung in vielen Ländern und Kommunen. Es war schnell klar, viele Ballungsräume würden die Grenzwerte überschreiten. Doch statt sich um wirksame Maßnahmen zu kümmern forderten einzelne Ländern nun eine Revision der EU-Vorgaben. Ziel: Grenzwerte, die man nicht einhalten kann, müssen eben angehoben werden.
Es soll nicht außer Acht bleiben, dass viele Länder und Kommunen rechtzeitig Luftreinhaltepläne und Aktionspläne auf den Weg gebracht haben. Gleichwohl haben sich viele zu lange mit der Abwehr der Luftreinhaltemaßnahmen und viel zu spät mit der Abwehr der Feinstaubbelastung beschäftigt. Zahlreiche Luftreinhaltepläne wurden gar nicht oder viel zu spät aufgestellt, mancherorts trotz Grenzwertüberschreitungen keine Aktionspläne mit konkreten Maßnahmen entwickelt oder Pläne von den je nach Land unterschiedlich zuständigen Behörden nicht zeitnah geprüft oder freigegeben.
In den dicht bewohnten Gebieten in den Innenstadtbezirken von Berlin werden die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid an vielen Hauptverkehrsstraßen überschritten. Der Straßenverkehr ist dabei die wichtigste Quelle dieser Schadstoffe mit einem Anteil an der Belastung von circa 40 % bei Feinstaub und 80 % bei Stickstoffdioxid. Um den Gesundheitsschutz für die hier lebenden Menschen zu verbessern, müssen daher die Emissionen des Verkehrs reduziert werden. Durch diese Maßnahme wird die Zahl der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner um etwa ein Viertel reduziert. Darüber hinaus wirkt sich diese Entlastung auch auf die Wohngebiete aus, die nicht direkt an verkehrsreichen Straßen liegen.
Damit ist ein erster Schritt getan, auf den weitere folgen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Höhn