Frage an Bärbel Höhn von Dietmar J. bezüglich Wirtschaft
Sehr verehrte Bärbel Höhn,
Joachim Pfeiffer hat heute morgen im Deutschlandfunk versucht, ihre fundierten Argumente zur Gestaltung des Freihandelsabkommens mit Kanada und den USA zu entsubstantiieren. Doch obwohl ihm das nicht gelang, auch nicht mit deutlichen Zweifeln an ihrem Wissen, ging er aus dem Gespräch mit ihnen und dem Moderator Christoph Heinemann mit erhobenem Haupt heraus.
Warum vereiteln Sie nicht den "Plädoyereffekt" bei solchen Kontakten, bei denen das Zuletztgesagte Eindruck macht, indem Sie die wesentlichen Ereignisse rekapitulieren und so resümieren, daß deutlich wird, wer recht hatte und wer versuchte, Tatsachen auf den Kopf zu stellen?
Arbeitet jemand mit „Baseballschlägerargumenten“, sollte die Öffentlichkeit auch deutlich mitbekommen, wie ihm der „Baseballschläger“ aus der Hand genommen wird. Die Meinungsbildung ist schon verzerrt genug durch schlampige journalistische Recherchen. Womit soll sich der Wähler ein Bild von den Tatsachen verschaffen, wenn gute Miene zum bösen Spiel vorgeführt wird?
Solange der Öffentlichkeit DIE BEIDEN WESENTLICHSTEN BESTIMMER UNSERES BISSCHEN DASEINS nicht bewußt sind (das „Fernziel“ aller und das „Vehikel“ dorthin - mit entsprechend viel Störpotential!), haben die Spannungen, die durch sehr viele Allltagsungerechtigkeiten entstehen und zu steile Machtgefüge produzieren, einfach zu viel Destruktionskraft. Und die überbelastet Politiker mit der frustrierenden Aufgabe, die Folgen daraus auf die Schultern vieler Bürger zu verteilen ...
Danke für Ihre Aufmerksamkeit, ihre Zuwendung
und schöne Grüße
Dietmar JaCobi
Konfliktmanager und Rechtsjournalist
Sehr geehrter Herr Jacobi,
entschuldigen Sie die späte Antwort auf Ihre Frage.
Ich habe zu der von Ihnen angesprochenen Sendung sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Überhaupt bekomme ich sehr viel Zuspruch für meine Argumentation auf den vielen TTIP-Veranstaltungen, zu denen ich als Expertin in Sachen Umwelt- und Verbraucherpolitik eingeladen werde. Die Leute glauben der EU-Kommission und Bundesregierung (und eben auch deren Vertretern in der Koalition, wie Herrn Dr. Pfeiffer) nicht, dass mit den minimalen Reformen, die die Kommission jetzt bei den Schiedsgerichten anstößt, alle Probleme gelöst sind. Sie glauben auch nicht, dass unser Vorsorgeprinzip erhalten bleibt, wenn künftig Experten, die häufig den Industrieinteressen sehr nahe stehen, in Hinterzimmern über unsere Lebensmittel- und Umweltstandards entscheiden. Daran haben wir als Grüne denke ich einen gewissen Anteil, weil wir ganz konkret, z.B. bei dem bereits vorliegenden CETA-Vertrag, darlegen können, wie unsere Standards unterlaufen werden.
Am Beispiel Gentechnik macht ein von uns in Auftrag gegebenes Gutachten sehr deutlich, wie künftig unsere Kennzeichnungsregeln und die Gentechnikfreiheit unsere Lebensmittel unterwandert werden durch CETA und TTIP:
http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/gentechnik/150112_Studie_TTIP_CETA_Gentechnik_Gruene_Bundestag_.pdf
Beispielweise wird die von der großen Koalition angestrebte Kennzeichnung von Fleisch und Milch von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, nicht mehr möglich sein, wenn CETA in der jetzt vorliegenden Form unterzeichnet wird.
Es gibt auch zunehmend journalistische Beiträge, die die dünne Argumentation der Unions-KollegInnen in Sachen TTIP entlarven:
http://www.deutschlandfunk.de/fischen-in-der-nebelbank-wie-sich-der-berliner.1170.de.html?dram:article_id=315789
Insgesamt ist das Problem, dass Handelspolitiker hier federführend sind und über Themen international verhandeln, mit denen sie sonst keine Berührungspunkte haben, z.B. Gentechnik-Zulassungen. Deshalb bringe ich mich als Umwelt- und Verbraucherpolitikerin auch so intensiv in die Debatte ein.
Mit freundlichen Grüßen,
Bärbel Höhn