Frage an Bärbel Höhn von Ingo A. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Höhn!
Als Oberhausener Bürger und Vorsitzender des Bezirksverbandes Rhein-Ruhr im Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. mit gut 40.000 Mitgliedern bundesweit würde ich gerne Ihre Stellungnahme zum Thema Honorarberatung erfahren.
In Deutschland sind mit Datum 30.3.2012 genau 258.097 Versicherungsvermittler unterschiedlichster Prägung (Einfirmenvertreter, Mehrfachagenten, Makler) im Versicherungsvermittlerregister beim DIHK eingetragen und zugelassen. Genau 240 davon sind Honorarberater. (Quelle: Versicherungsvermittlerregister) Obwohl mehr als 85% der Deutschen diese Modell ablehnen (Quelle: BVK) wird weiter an der Forcierung dieses Modell festgehalten. Scheinbar ist es politisch gewollt, obwohl seriöse Studien belegen, dass durch die Honorarberatung das Gegenteil vom Gewollten eintritt: Die Versorgung der Deutschen wird im Bereich Risiko- und Altersversorgung sinken anstatt steigen (Quelle: IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung).
In Erwartung Ihrer geschätzten Anwort verbleibe ich
mit freundlichem Gruß
Ingo Aulbach
Sehr geehrter Herr Aulbach,
einer Studie des Verbraucherschutzministeriums zufolge verlieren Anlegerinnen und Anleger durch Falschberatung jährlich mindestens 20-30 Milliarden Euro. So schwierig die Verlust-Summen im Einzelfall zu beziffern sind – klar ist, dass es sich um eine erschreckend hohe Summe handelt, die für die Anliegen der Verbraucherinnen und Verbraucher wie Altersvorsorge oder die Absicherung von Lebensrisiken nicht zur Verfügung steht. Wenn wir die Leute dazu anhalten, private Altersvorsorge zu machen und dies auch staatlich fördern, müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass sie Produkte kaufen, die sie verstehen und die sie auch tatsächlich haben wollen.
Eine Ursache für die Vermittlung von Produkten, die mit den Bedürfnissen der Kunden nicht übereinstimmen, sind Fehlanreize, die durch das Provisionssystem gesetzt werden. Verbraucherverbände und einzelne Banken bemängeln seit Langem die bei Provisionen auftretenden Interessenkonflikte, wenn provisionsgetriebene Verkaufs- und anlegerorientierte Beratungsgespräche vermengt werden. Gewerkschaften kritisieren überhöhte Provisionen und krankmachende Zielvorgaben für den Verkauf, weil sie Tarifverträge unterhöhlen, in erfolgsabhängige Monatsvergütungen drängen und den Verkaufsdruck erhöhen. Die Honorarberatung sollte aus unserer Sicht deshalb die Regel sein, nicht die Ausnahme.
Aktuell haben wir zum Thema Finanzberatung eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, die sie mit den Antworten hier finden:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/092/1709280.pdf
Nach Auskunft der Bundesregierung hat Großbritannien die Provisionsberatung zum 1.1.2012 abgeschafft, die Niederlande folgen zum 1.1.2013. Die EU-Kommission strebt das Verbot mit der neuen MiFiD-Richtlinie an. Das Honorarmodell ist also die Zukunft. Solange in Deutschland noch überwiegend provisionsorientiert beraten wird, brauchen wir eine klare rechtliche Definition des Berufsbildes, die Mischmodelle, welche das Kassieren sowohl von Provisionen als auch von Honoraren beinhalten, ausschließt und ambitionierte Anforderungen an Ausbildung und Weiterbildung stellt. Wir sind auch der Auffassung, dass es einer Berufshaftpflichtversicherung bedarf, die entstehende Schäden abdecken kann.
Einen Überblick, wie wir den Markt konsequent an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausrichten wollen, finden Sie hier:
http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/provisionsgesteuerte_fehlberatung_bei_pr.pdf
Ich würde mich freuen, wenn sich die Versicherungswirtschaft mit Vorschlägen einbringt, wie wir in Deutschland verloren gegangenes Verbrauchervertrauen in Finanzprodukte zurückgewinnen können und künftige Falschberatung vermieden werden kann. Von einem faireren Wettbewerb können aus unserer Perspektive die gut qualifizierten Berater nur profitieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Bärbel Höhn