Frage an Bärbel Höhn von Matthias J. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Höhn,
ich habe Sie nun schon in diversen Talkshows zum Thema "Hohe Spritpreise" gesehen. In der Regel geht es um den Steueranteil des Staates (Ökosteuer), das Oligopol und das Östereichische und das Australische Modell. Haben Sie den Eindruck, dass eines dieser Modelle die Ursachen bekämpft?
2010 gab es den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für den Nachweis, dass Märkte mit sogenannten "Reibungseffekten" auf Monopolpreise hinauslaufen - ohne dass eine Absprache der Anbieter erforderlich ist.
Könnten Sie sich vorstellen, folgendes Modell zu unterstützen?
Die Reibungseffekte im Treibstoffmarkt könnten sich mit einem Sprit-Giro-Konto, dass der Endverbraucher bei seiner Hausbank führt, reduzieren lassen: Man könnte dann in Echtzeit Preise vergleichen und unabhängig vom aktuellen Aufenthaltsort und der aktuellen Tankfüllung Spritguthaben erwerben (auch antizyklisch). Dadurch würde der Tanktourismus und Warteschlangen vor den Tankstellen zu bestimmten Zeiten (oft mit laufenden Motoren) der Vergangenheit angehören. An der Tankstelle zahlt man dann nur noch einen geringen Obulus für die Dienstleistung der Verteilung. Um die Spekulation zu bremsen, könnte man nur den Handel in Richtung Endverbrauch zulassen.
Was halten Sie davon?
Freundliche Grüße
Matthias Junk
Sehr geehrter Herr Junk,
aktuellen Studien zufolge muss man davon ausgehen, dass Modelle der Preisregulierung wie in Österreich oder Westaustralien keinen positiven Effekt auf die Verbraucherpreise haben.
Einen Ansatzpunkt für den von Ihnen geforderten Echtzeit-Preisvergleich sehen wir bei der vom Kabinett vor der Sommerpause beschlossenen Markttransparenzstelle. Bislang soll diese nach den Plänen der Bundesregierung nur Daten sammeln (wöchentlich) und daraus eventuelle Kartellverstöße feststellen und verfolgen. Wir sind der Auffassung, dass die Daten für die Verbraucher einsehbar sein sollten. Hier fordern wir von der Bundesregierung zu prüfen, inwiefern eine Echtzeit-Übertragung der Tankstellenpreise möglich wäre, welche dann zu einem Verbraucherportal ausgebaut werden könnte. Die derzeit am Markt befindlichen Angebote hinken den tatsächlichen Preisen immer hinterher und sind somit für die Tankkunden wenig aussagekräftig.
Bei dem von Ihnen vorgeschlagenen Modell habe ich doch einige Bedenken, inwieweit es für den Benzinmarkt realisierbar ist. Im Grunde genommen verstehe ich es so, dass Sie ein FUTURE-Geschäft vorschlagen - ich zahle jetzt für etwas, was ich zu einem (hier nicht einmal bestimmten) Termin einlöse. Da die Tankstellen aber kaum die von Ihnen gekauften Mengen vorhalten werden, sondern dann, wenn Sie sie abholen wollen, frisch eingekauft haben, haben die Tankstellen in dem vorgeschlagenen Modell keine Chance, auf Veränderungen bei den Einkaufspreisen zu reagieren bzw. diese weiterzugeben. Zudem gehen Sie bei dem von Ihnen vorgeschlagenen Modell davon aus, dass die Kunden direkt bei den Mineralölunternehmen kaufen. Welche Rolle käme dann den Tankstellen zu - bekämen diese eine feste Vergütung pro Liter oder sehen Sie hier auch noch marktwirtschaftlichen Spielraum für das Angebot der Dienstleistung? Gäbe es in ihrem Modell noch freie Tankstellen oder wären diese alle unter Vertrag bei den Mineralölkonzernen? Der Tanktourismus wäre damit leider auch noch nicht eingedämmt, weil im Moment unterschiedliche Besteuerung in europäischen Staaten dazu führt, dass die Leute nach Österreich oder Luxemburg zum Tanken fahren. Hier verfolgen wir den Ansatz einer Harmonisierung der europäischen Steuersätze.
Auch wenn ihr Vorschlag einen gewissen Charme hat - wir sehen in der aktuellen Debatte die Kostentransparenz (auch für die Verbraucher) und insgesamt die Förderung der Einsparung als Hauptansatzpunkte gegen die steigenden Spritpreise.
Mit freundlichen Grüßen,
Bärbel Höhn MdB
Stellv. Fraktionsvorsitzende
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag