Frage an Bärbel Höhn von Ulrich F. bezüglich Umwelt
Sehr verehrte Frau Höhn,
was sagen Sie eigentlich zu dem kürzlich in der Hannoverschen Allgemeine Zeitung (HAZ)erschienenen Artikel "Der neue Sprit, ein grünes Kuckucksei" ?
Dort kann man u.a. lesen:
> Die Gesamtökobilanz falle schlechter als die für normalen Kraftstoff aus ...
> Für die Produktion von Ethanol, das aus Weizen, Roggen und Zuckerrüben gewonnen werde, werde wertvolles Ackerland umgewandelt ...
> Zudem sei der Energieaufwand zur Herstellung von E10 sehr hoch und der intensive Anbau von Energiepflanzen für Ethanol und Agrardiesel lasse sich nur mit viel Dünger bewerkstelligen, dessen Stickstoffanteil klimaschädliches Lachgas in die Atmosphäre bringe...
Meine Frage: Halten sich die Grünen für Umweltbelange eigentlich noch für zuständig ?
Ich vermisse jedenfalls ihren (und Ihren) lauten Protest gegen diesen groben Unfug.
Sehr geehrter Herr Frase,
wie bei jeder Energieerzeugung gibt es auch bei den Erneuerbaren Probleme, die wir Grüne benennen und die wir versuchen, einzudämmen. Der massive Ausbau der Bioenergie in der Landwirtschaft hat zum Beispiel zu einem dramatischen Anstieg von Maismonokulturen geführt. Das lehnen wir ab. Im März finden von uns zwei Fachgespräche zu diesem Thema im Zusammenhang mit der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes statt.
Die energetische Nutzung von Biomasse ist sinnvoll, wenn sie dem Klimaschutz dient, den Naturhaushalt nicht schädigt und der lokalen Bevölkerung neue und zusätzliche Einkommen bietet. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass diese Zielsetzungen oft nicht erfüllt werden, sondern Energiemonokulturen in Konkurrenz zu Naturschutzflächen und der Nahrungsmittelerzeugung getreten sind. Zum Beispiel wurde durch den Anbau von Zuckerrohr in Brasilien Weidefläche in Regenwaldgebiete gedrängt, mit kontraproduktiven Folgen für den Klimaschutz und gravierenden ökologischen Auswirkungen. Dadurch wurde das ursprünglich positive Image von Biokraftstoffen schwer beschädigt.
Auf der anderen Seite zeigen Studien, zum Beispiel des WWF, dass unsere langfristigen Klimaziele nicht ohne Biokraftstoffe zu schaffen sein werden. Insbesondere in Bereichen, wo auf längere Zeit hin fossile Kraftstoffe schlecht durch zum Beispiel Elektroantriebe ersetzt werden können. So können zum Beispiel im Güter- Luft- und Schiffsverkehr Biokraftstoffe einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Die Frage ist für uns Grüne dabei weniger ob, sondern wie und wie viel Biokraftstoffe angebaut werden und wie wir sie nutzen sollten. Klar ist, Biokraftstoffe haben nur eine Zukunft, wenn es gelingt, sie umwelt-, klima- und sozialverträglich zu erzeugen. Die seit dem 1. Januar 2011 in Kraft getretene Nachhaltigkeitsverordnungen für Biokraftstoffe ist ein erster Schritt, um die ökologischen und sozialen Schäden einzudämmen und die Akzeptanz EEG-vergüteter Bioenergien zu erhöhen. Sie soll sicherstellen, dass nur solche Biokraftstoffe steuerlich begünstigt oder auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden können, die unter Beachtung verbindlicher Nachhaltigkeitskriterien, wie die Netto-CO2-Einsparung, hergestellt wurden. Sie geht aber nicht weit genug. Wir Grüne haben in der Vergangenheit über den Regenwaldschutz hinaus auf Lücken im Bereich der sozialen Standards sowie den fehlenden Ausschluss der Gentechnik hingewiesen.
Klare Bedingungen für den Anbau müssen unserer Meinung nach sein: keine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, kein Raubbau auf ökologisch wertvollen Flächen wie Primärwäldern oder Mooren, Schutz der Biodiversität, signifikante Nettoeinsparung von Treibhausgasen im Vergleich zu fossilen Kraftstoff, Einhaltung von Arbeitsschutzstandards.
Ziel muss es langfristig aber auch sein, Nachhaltigkeitskriterien für die gesamte Agrarproduktion von Biomasse zu formulieren. Es darf nicht sein, dass wir nachhaltigen Biokraftstoff verfahren und gleichzeitig Palmöl aus gerodeten Regenwaldgebieten für die Nahrungs- und Kosmetikindustrie importieren. Momentan funktioniert der Verdrängungsprozess so, dass zum Beispiel neue Zuckerrohrfelder in Brasilien Weideflächen verdrängen. Auf der anderen Seite wird dann aber wiederum Regenwald für Weiden und Sojafelder für unsere Fleischproduktion gerodet. Wir brauchen also nicht nur eine nachhaltige Bioenergienutzung, sondern auch eine Diskussion über unseren Fleischkonsum und seine Folgen.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Höhn