Frage an Bärbel Höhn von Holger S. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Höhn,
vor dem Hintergrund der durch die als Oligopol agierenden Stromanbieter angekündigten Strompreiserhöhungen empfehlen Sie "die Strompreise zu vergleichen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln, anderenfalls komme "keine wirkliche Bewegung" in den Markt."
Ihre "Empfehlung" verpufft vor der Marktrealität!
Wir selber sind ein 5 Personen Haushalt, im Mittel verbrauchen wir 5500 kWh / Jahr.
Stromanbieter Vattenfall, Tarif easy. Innerhalb von 2 Jahren 2 Preiserhöhungen verbunden mir ca. EUR 250 Mehrkosten p.a., für 2011 ca. EUR 1.250 EUR.
Regelmäßige Preisvergleiche zeigen zwar vordergründig (erheblich) günstigere Möglichkeiten auf.
ABER oftmals werden hier einmalige Boni etc. eingerechnet, die vor dem Hintergrund der Vertragsbindung, einer oftmals (sehr viel geringeren) Preisbindungsfrist keine wirklichen Alternativen darstellen.
Unsere preissensible Nachbarschaft kommt zu gleichen Ergebnissen.
Zitat aus Berliner Morgenpost vom Dienstag, 28. Dezember 2010: Allein der Jahresgewinn der vier großen Stromversorger RWE, Eon, EnBW und Vattenfall dürfte bei schätzungsweise 30 Milliarden Euro liegen, "Nie zuvor haben sie einen höheren Gewinn eingefahren."
Gewinn, nicht Umsatz ...
Eine Meldung, die wir Verbraucher mit schöner Regelmäßigkeit verwundert zur Kenntnis nehmen müssen ...
Empfehlungen wie die Ihre bringen Verbraucher nicht weiter.
Wie gedenkt "Grüne Politik" im Interesse der Verbraucher aktiv einzugreifen?
Sehr geehrter Herr Schmale,
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich freue mich, dass Sie auf die von mir initiierte Studie von Ende Dezember verweisen. Ich habe mir, seit ich im Bundestag bin, vorgenommen etwas gegen die unfairen und zu hohen Preise der vier großen Energiekonzerne zu unternehmen. Die Gewinnsteigerungen zu Lasten der Verbraucher habe ich in mehreren Studien nachgewiesen. Hier die Ergebnisse der letzten Jahre:
- 2002: 6 Milliarden Euro
- 2007: 18 Milliarden Euro
- 2009: 24 Milliarden Euro
- 2010: die in der letzten Studie erwähnten 30 Milliarden Euro
Hier der Link zur letzten Strompreisstudie: http://www.baerbel-hoehn.de/cms/default/dokbin/366/366215.kurzgutachten_zu_ueberhoehten_strompreis.pdf
Ich versuche, mit Hilfe der Öffentlichkeit die Allianz gegen die Monopolstrukturen im Energiesektor zu stärken und damit mehr Verbraucherschutz zu verwirklichen.
Leider weisen die letzten Entwicklungen in die falsche Richtung: Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zementiert die Monopolmacht der Konzerne. Wenn 80 % der Stromproduktion und 50 % des Netzes in der Hand der vier großen Energiekonzerne sind, haben sie die Macht, die Preise künstlich hochzuhalten. Sie können sich sicher sein: Wir werden weiterhin auf allen Ebenen für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt kämpfen.
Deshalb treten wir für unter anderem für folgende Maßnahmen ein, um den Wettbewerb auf den Strommärkten zu fördern:
- ein Gesetz zur Entflechtung marktbeherrschender Unternehmen, auf dessen Grundlage das Bundeskartellamt die großen Energiekonzerne zur Aufgabe von Marktanteilen durch Veräußerung von Kraftwerken oder Unternehmensteilen zwingen kann.
- die Trennung von Energieerzeugung und Netzbetrieb in Deutschland. RWE und EnBW kontrollieren immer noch 100 Prozent der Übertragungsnetze in ihren Netzgebieten, als Faustpfand gegen echten Wettbewerb. Um sicherzustellen, dass die deutschen Netze langfristig in eine europäische Netzgesellschaft eingegliedert werden können, behalten wir uns eine Übernahme der verbliebenen Netze in öffentliche Hand vor. Der Aufbau fehlender Netzinfrastruktur erfolgt in öffentlicher Hand, soweit private Unternehmer dies nicht leisten.
- den Ausbau der Grenzkuppelstellen und den Aufbau eines transeuropäischen Hochleistungs-Stromnetzes, angepasst an die Bedürfnisse der erneuerbaren Energien, um den Wettbewerb über die Grenzen hinweg zu verstärken
- die Stärkung der Stadtwerke in ihrer wirtschaftlichen Betätigung und die Unterstützung von Kommunen bei der Rekommunalisierung
- die Abschöpfung der ungerechtfertigten Gewinne der Energiekonzerne aus der Einpreisung kostenlos zugeteilter CO2-Zertifikate.
Nun zu Ihrem konkreten Fall: Sie sprechen zu Recht an, dass die Liberalisierung des Strommarktes zu mehr Unübersichtlichkeit für den Verbraucher geführt hat. Statt wie früher automatisch von einem Stadtwerk zu einem festen Tarif beliefert worden zu sein, hat der Verbraucher nun die Qual der Wahl. Man muss Zeit und Geduld investieren, um einen passenden Anbieter auszuwählen. Die Anbieter verwirren den Verbraucher mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Festkosten, Kilowattpreisen, Vertragslaufzeiten und Preisgarantien. Dazu kommen noch Treueboni, Wechselboni und vieles mehr.
Glücklicherweise haben sich mittlerweile unabhängige Stromrechner auf Verbraucherportalen wie Verivox.de etabliert, die Übersicht in den Tarifdschungel bringen. Auch auf dem Energiepreis-Portal der Verbraucherzentrale NRW finden sich nützliche Informationen, unter anderem zur optimalen Bedienung von Stromrechnern. Zu finden ist es unter diesem Link: http://www.vz-nrw.de/UNIQ129855190921777/link533551A.html
Da Sie sehr konkrete Angaben zu Ihrem Verbrauch gemacht haben, hat mein Büro sich einmal Ihren Fall genauer angesehen. Verivox.de gibt für den von Ihnen angegeben Tarif einen Jahresbetrag von 1.248,60 Euro aus. Dabei gilt eine Vertragslaufzeit von einem Monat, aber auch keine Preisgarantie - dies haben Sie ja auch in den letzten Jahren erlebt.
Eine Preisvergleichssuche (mit folgenden Optionen: k e i n e Berücksichtigung von Vorauskasse, Kaution, Bonus; m i t Preisgarantie mindestens 12 Monate) schlägt zum Beispiel den Anbieter „1 2 3energie“ vor. Hier würden Sie 55,47 Euro im Vergleich zu ihrem bisherigen Anbieter sparen. Allerdings sind Sie dann auch für 12 Monate an diesen Anbieter gebunden. Übrigens: Eine Recherche ergibt, dass der Anbieter „1 2 3energie“ überwiegend in der Hand von Stadtwerken ist, wenn auch RWE als einer der vier großen Konzerne einen 26,7-Prozent-Anteil an der „1 2 3energie“-Muttergesellschaft Pfalzwerke AG besitzt ( http://www.verivox.de/1-2-3-energie/ , http://www.pfalzwerke.de/dokumente/Aktionaere_20100825.pdf ).
Es ist also durchaus möglich einen anderen Anbieter zu finden, der günstiger ist. Ich finde: Auch ein Wechsel mit einer geringen Preisersparnis ist sinnvoll, denn damit geben Sie Ihrem bisherigen Anbieter Vattenfall das Signal, dass die letzte Preiserhöhung das Fass zum Überlaufen gebracht hat!
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Höhn