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Bärbel Höhn
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Frage von Hartmut Frank M. •

Frage an Bärbel Höhn von Hartmut Frank M. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Höhn,

ich befasse mich seit einiger Zeit mit Verbraucherschutz und der Ernährunsproblematik, und verstehe ehrlich gesagt nicht, warum die Politik der Nahrungsmittelindustrie so unkritisch gegenüber steht.

Glutamat kann neurotoxisch wirken und Hirnzellen töten. Das ist bereits seit 1969 bekannt. Inzwischen weiß man, dass Glutamat bei Krankheiten wie Alzheimer, Multipler Sklerose oder Parkinson eine unheilvolle Rolle spielt. Die Industrie hat immer dagegen gehalten mit Studien, die das Gegenteil beweisen wollten. Ihr zentrales Argument: Der normale Mensch nähme nur relativ wenig Glutamat zu sich. Tatsächlich hat sich der weltweite Konsum in den letzten Jahrzehnten aber verfünffacht. Und das ist nur der Durchschnittswert. Wer sich häufig von Fertiggerichten ernährt oder gern zu würzigen Snacks greift, ist viel höheren Dosen ausgesetzt. Auch in Salami oder Leberwurst steckt oft Glutamat.

Viele von den Studien, auf die sich dann wieder Unbedenklichkeits-Gutachten stützen, stammen von der Industrie. Das wichtigste deutsche Entlastungspapier, das so genannte Hohenheimer Konsensus-Papier, ist von der Glutamat-Industrie bestellt und bezahlt worden. Selbst hoch angesehene Wissenschaftler, etwa der derzeitige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, lassen sich für solche Gutachten vor den Karren der Hersteller spannen.

Teilweise wird zwar ausdrücklich deklariert oder zumindest die Zusatzstoffnummer, E620 bis E 625, angegeben. Gerne versteckt die Industrie Geschmacksverstärker aber auch hinter zusammenfassenden Bezeichnungen wie "Würze", "Aroma" oder Hefeextrakt - selbst im Biobereich. Trotzdem wird oft mit "frei von zugesetzten Geschmacksverstärkern" geworben.

Wann wird die Bevölkerung endlich aufgeklärt und vor Geschmacksverstärker geschützt?

Diesen Sachverhalt kann man in mehreren Büchern, u.a. von footwatch oder auch auf dieser Seite nachlesen:

www.zentrum-der-gesundheit.de

MfG

Mueller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich gebe Ihnen Recht, dass das Verbraucherschutzministerium in der letzten Zeit in mehreren Punkten, sei es bei der Ampelkennzeichnung oder beim Verbot irreführender Gesundheitswerbung vor der Nahrungsmittellobby eingeknickt ist. Auch auf EU-Ebene sind Versuche der Grünen Fraktion bedenkliche Zusatzstoffe, wie zum Beispiel Azofarbstoffe, zu verbieten, am Widerstand der Konservativen im Parlament gescheitert.

Geschmacksverstärker, wie Glutamat, sehe ich wie Sie kritisch. Glutamat ist appetitfördernd und verleitet Menschen dazu, mehr zu essen als sie Hunger haben. So wird es auch in der Tiermast eingesetzt, um die Tiere gefräßiger zu machen. In einer Gesellschaft, in der viele Menschen mit Übergewicht kämpfen, sehe ich das als großes Problem. Mit Sorge sehe ich auch, dass immer mehr Fertiggerichte mit Geschmacksverstärkern und einem Cocktail von Zusatzstoffen auf den Markt kommen, obwohl niemand weiß wie sich diese Stoffe zusammen auswirken. Darüber hinaus schmecken vielen Kindern natürliche Produkte nicht mehr, weil sie schon sehr früh an künstliche Aromen und Geschmacksverstärker wie Glutamat gewöhnt werden.

Glutamat wird oft auch im Zusammenhang mit allergischen Reaktionen wie dem China-Restaurant-Syndrom sowie Erkrankungen des zentralen Nervensystems diskutiert. Die neurototxische Wirkungen und der Zusammenhang zwischen einem erhöhten Glutamat-Verzehr und chronischen neurodegenerativen Erkrankungen u.a. Morbus Alzheimer und Parkinson sowie Multiple Sklerose konnte aber bisher nicht belegt werden, wie zum Beispiel die Studie der Deutsche Forschungsgemeinschaft zeigt: http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/2005/sklm_glutamat_2005_dt.pdf ). Auch im Bezug auf Überempfindlichkeitsreaktionen hat das Bundesinstitut für Risikobewertung keine Bedenken gegen die gelegentliche Verwendung geringer Mengen Glutamat bei der Zubereitung von Speisen gezeigt ( http://www.bfr.bund.de/cm/208/ueberempfindlichkeitsreaktionen_durch_glutamat_in_lebensmitteln.pdf ).

Gesunde und sichere Lebensmittel sind für uns Grüne ein hohes Gut. Deshalb wollen wir Geschmacksverstärker wie Glutamat weiter erforschen und nur sparsam akzeptieren. Außerdem verlangen wir größtmögliche Transparenz, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher sich bewusst für oder gegen Glutamat entscheiden können. Irreführende Werbung in der mit "frei von zugesetzten Geschmacksverstärkern" geworben wird, obwohl Geschmacksverstärker enthalten sind, lehnen wir ab.

Der Geschmacksverstärker Glutamat ist als Lebensmittel-Zusatzstoff gemäß europäischer Zusatzstoff-Verordnung EG 1333/2008 zugelassen. Verpackte Lebensmittel, denen Glutamat zugesetzt ist, müssen nach der Lebensmittel-Kennzeichnungs-Verordnung den Hinweis "Geschmacksverstärker" tragen, gefolgt von der Verkehrsbezeichnung, d.h. ihrem Stoffnamen oder der entsprechenden E-Nummer (E 620 bis E 625). Die Kennzeichnungspflicht gilt auch für "lose" Ware sowie für Kantinen- und Gaststättenverpflegung, wo ein entsprechender Hinweis auf der Speisekarte erforderlich ist. Auch im Hefeextrakt ist Glutamat enthalten. Der Anteil liegt bei etwa sieben Prozent. Es enthält also von Natur aus Geschmacksverstärker, was auch kenntlich gemacht werden sollte. Zwar befindet sich Glutamat natürlicherweise auch in Nahrungsmitteln wie Tomaten und Pilzen sowie in eiweißreichen Nahrungsmitteln wie Fleisch und Parmesan, aber natürlich nicht in solch großen Mengen wie es bei zu gesetztem Glutamat der Fall ist. Wir empfehlen, insgesamt weniger Fertigprodukte, Fertigsoßen etc. zu konsumieren und Mahlzeiten nach Möglichkeit selber zuzubereiten. Dann weiß man auch mit Sicherheit, was alles im Essen steckt.

Mit besten Grüßen
Bärbel Höhn