Frage an Bärbel Höhn von Georg N. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Höhn,
alle Parteien sagen, dass Bildung außerordentlich wichtig ist. Mich interessiert besonders die Lage der Dozenten, die unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Deutsch beibringen.
Viele Dozenten müssen noch ergänzendes Hartz IV beantragen. Sie sind Freiberufler, obwohl sie praktisch nur einen Auftraggeber haben und auf Anweisung des BAMF handeln. Sie müssen sich selbst kranken- und rentenversichern, falls sie keinen Anspruch auf Hartz IV haben. Während der Ferien und bei Krankheit verdienen sie nichts. Das Durchschnittseinkommen liegt bei unter 1200 € brutto.
In Ihrem Parteiprogramm lese ich zwar, dass Ihre Partei viel für Migranten tun will. Die CDU und FDP wollen gar eine "Willkommenskultur" etablieren. Das ist erfreulich. Aber keine dieser Parteien (auch nicht die Grünen) setzt sich dafür ein, dass ein Dozent so viel verdient, dass er wenigstens seine Sozialversicheungsbeiträge bezahlen kann. Nur die LINKE hat das Thema aufgegriffen.
Seien wir doch mal ehrlich: wer jahrelang bei einem Träger unterrichtet, der ist kein Freiberufler, sondern ein Scheinselbständiger. Der Arbeitgeber müsste 50% seiner Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Manche Träger lassen sich vom Dozenten einfach unterschreiben, dass sie nur 13 Stunden im Monat unterrichten. obwohl die Dozenten in Wirklichkeit viel länger arbeiten. So drücken sich die Träger um ihren Beitrag zur Sozialversicherung. Dem Staat ist das nur Recht.
Es sind jetzt 44 Mio. Euro bewilligt worden, um das Einkommen der Dozenten aufzubessern. Meine Frage ist, wie die Grünen dieses Geld an die Dozenten bringen wollen, damit diese nicht mehr auf Hartz IV angewiesen sind und stattdessen für ihr Alter vorsorgen können? Wenn Sie das Geld an die Träger weiterleiten, dann wird es da versacken, wie schon bei der letzten Erhöhung.
Mit freundlichen Grüßen
Niedermüller
Sehr geehrter Herr Niedermüller,
herzlichen Dank für Ihre Frage. In der Tat bewerten auch wir Grünen die Lage der Lehrkräfte für Integrationskurse – wie die Lage der Weiterbildungsdozenten generell – als prekär. Sie haben absolut Recht, dass es sich bei den primär auf Honorarbasis bezahlten Lehrkräften um Scheinselbstständige handelt. Laut des Erfahrungsberichts der Bundesregierung zur Durchführung und Finanzierung der Integrationskurse (BT-Drs. 16/6043) sind davon 72 Prozent der Lehrkräfte betroffen. Sie haben also keine Sicherheit über ihre Einkommenshöhe, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bzw. kursfreien Zeiten und müssen selbst für ihre kompletten Sozialversicherungsbeiträge aufkommen.
Entsprechend haben wir Grüne im Innenausschuss sowohl einem SPD- wie auch LINKEN-Antrag zugestimmt, welche eine Heraufsetzung des Stundensatzes auf 2,70 Euro pro Teilnehmenden bzw. eine pauschale Vergütung mit 25 Euro je Unterrichtsstunde vorschlagen. Damit würde einem „Versacken“ der Gelder bei den Trägern entgegen gewirkt werden.
Jedoch werden wir Grüne weiterführend einen Antrag in den für den Herbst 2010 anstehenden abgeschlossenen Beratungen des Bundeshaushalts 2011 einbringen, der auf folgenden Eckpunkten basieren wird:
1. Als langfristiges Ziel sehen wir es, Honorarkräften einen Weg aus der Scheinselbstständigkeit, hin zu einem abgesicherten Arbeitsverhältnis zu ermöglichen, wie es auch die GEW fordert.
2. Als kurzfristige Lösung unterstützen wir die pragmatische Forderung der Gewerkschaft nach einem Mindesthonorar von 23,10-25,00 Euro. Umsetzbar wäre dies zum Beispiel durch eine Ausweitung des persönlichen Geltungsbereichs von Tarifverträgen der Tarifpartner im Branchentarifvertrag Weiterbildung auf Honorarkräfte mit einer gleichzeitigen Festlegung des Mindestentgelts.
3. Ergänzend zum Vorschlag der Linken halten wir flankierende Maßnahmen für notwendig. Wir Grünen haben für Geringverdiener (und um solche handelt es sich bei den Integrationskurs-DozentInnen ja leider) ein sog. Progressiv-Modell vorgeschlagen. Damit wollen wir die Sozialversicherungskosten für diejenigen verringern, die mit ihrer Arbeit nur ein geringes Einkommen erzielen. Für alle - also auch Selbständige -, die lediglich bis zu 2.000 Euro im Monat verdienen, sollen die Beitragssätze künftig nur langsam ansteigen. So bleibt diesen abhängig Beschäftigten - aber auch Selbstständigen - mit geringem Einkünften - ein größeres Nettoeinkommen (s. BT-Drs. 16/446 und 16/7751, S. 2).
Mit freundlichen Grüßen,
Bärbel Höhn