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Bärbel Bas
SPD
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Frage von Juergen R. •

Weshalb wird Deserteueren aus der russischen Armee nicht grundsätzlich politisches Asyl angeboten?

Sehr geehrte Frau Bundestagspräsident Bas,

ich vermisse eine klare Ansage des Bundestages in Richtung der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass russischen Soldaten, die in der jetzigen Situation den Befehl verweigern und desertieren, um sich nicht mitschuldig an diesem verbrecherischen Krieg zu machen, uneingeschränkt politisches Asyl zu gewährleisten. Jeder russische Deserteur trägt dazu bei, das Leid auf ukrainischer Seite zu verringern (jeder Soldat, der keine Waffe trägt, kann keine Ukrainer erschießen). So lässt sich auch das Leid auf russischer Seite verringern, denn ein desertierter Soldat ist ein unversehrter, lebender Mann, über dessen Leben sich seine Eltern, seine Familie, seine Kinder freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
J.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung:

Seit Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine beschäftigt die Forderung nach einem unbürokratischen Asylverfahren für russische Kriegsdienstverweigerer die Zivilgesellschaft und Politik in Deutschland. Auch den Deutschen Bundestag, wo das Thema bereits mehrfach Gegenstand kontroverser Debatten war.

So beispielsweise in der Plenarsitzung vom 29. September 2022. Diskutiert wurde über einen Antrag der Fraktion DIE LINKE, mit dem Titel „Nach Teilmobilmachung – Russischen Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern Schutz bieten“. Die Debatte und das Abstimmungsergebnis können Sie unter folgendem Link nachlesen: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw39-de-russische-deserteure-912512

In meinem Amt als Bundestagspräsidentin stehe ich fest hinter dem in der Verfassung verankerten Asylrecht. Es gilt grundsätzlich auch für russische Soldaten, wenn sie sich völkerrechtswidrigen Befehlen oder Kriegen entziehen und aufgrund dessen Bestrafung oder Verfolgung in den Heimatstaaten befürchten. Die Einzelfallentscheidung darüber, ob der jeweilige Antragsteller die persönlichen Voraussetzungen für ein Aufnahmeverfahren erfüllt, obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Aktuell bestehen jedoch für die Vergabe von EU-Visa an russische Staatsangehörige zusätzliche Hürden. Das erschwert es russischen Deserteuren und Kriegsverweigerern, Zuflucht im europäischen Raum zu finden. Vor dem Deutschen Bundestag hat die Bundesministerin des Inneren und für Heimat, Nancy Faeser, bereits am 16. März 2022 ein einheitliches, abgestimmtes Verfahren für russische Kriegsdienstverweigerer auf EU-Ebene gefordert. Das Protokoll zu dieser Plenarsitzung können Sie unter folgendem Link finden: https://dserver.bundestag.de/btp/20/20020.pdf#P.1404. Bislang konnte jedoch keine EU-einheitliche Regelung gefunden werden.

Auch ich halte eine gemeinsame europäische Linie für sinnvoll. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 28. September 2022 ebenfalls für den Schutz dieser Personengruppe ausgesprochen. Allerdings müssten sie zunächst genauer überprüft werden, um negative Auswirkungen für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland so weit wie möglich auszuschließen.

Sehr geehrter Herr R., seien Sie versichert, dass der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung unablässig beraten und prüfen, wie Deutschland zum Ende dieses Krieges mitten in Europa beitragen kann.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Bas

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