Warum unterbinden Sie beleidigende und herabsetzende Äußerungen von PolitikerInnen nicht im Bundestag? Die Sprache beeinflusst unser demokratisches Miteinander. PolitikerInnen sollten Vorbild sein.
Sehr geehrte Frau Bas,
PolitikerInnen sollten bei Beleidigungen in Ihrer Rede unterbrochen werden und nicht mehr weitersprechen dürfen. Plus einen Obulus als Strafe zahlen. Vielleicht entsteht dann wieder eine Diskussionskultur ohne Hass, Hetze, Beleidigungen, Diffamierungen. Vielen Dank, wenn Sie sich als Bundestagspräsidentin dafür einsetzen!
Herzliche Grüße, Angelika. S..
Sehr geehrte Frau S.
vielen Dank für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung:
Ich gebe Ihnen völlig Recht: Die Sprache beeinflusst unser demokratisches Miteinander stark. Dieses Thema ist mir so wichtig, dass ich es zu einem Schwerpunkt meiner Antrittsrede am 26. Oktober 2021 gemacht habe. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer von Plenarsitzungen beklagen sich ähnlich wie Sie über die Art und Weise, wie Plenardebatten teilweise ausgetragen werden.
Es gehört zu meinen Aufgaben als Bundestagspräsidentin darauf zu achten, dass die Debatten im Plenarsaal respektvoll geführt werden. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass ich – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – nicht die Dienstvorgesetzte der Abgeordneten bin. Mitglieder des Bundestags üben ihr Amt gemäß Artikel 38 GG frei aus, sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Das freie Mandat ermöglicht es Abgeordneten auch, ihre Redebeiträge weitgehend frei zu gestalten.
Der Plenarsaal ist der Ort, an dem über die wichtigsten Angelegenheiten unseres Landes debattiert und entschieden wird. Hier werden in Rede und Gegenrede die unterschiedlichen Standpunkte und Argumente öffentlich deutlich gemacht. Dass dieser demokratische Streit mitunter leidenschaftlich, zugespitzt und offensiv geführt wird, gehört zu einer lebendigen Debatte und eine solche Debattenkultur ist im Parlament grundsätzlich erwünscht. Das gilt selbstverständlich nur, solange Aussagen nicht grob verletzend oder beleidigend sind. Dann liegt es im Ermessen der Sitzungsleitung, die Rednerin oder den Redner zur Ordnung zu rufen.
Zur Halbzeit der aktuellen Wahlperiode hat es bereits mehr Ordnungsrufe gegeben als in der gesamten Wahlperiode zuvor. Dass einige Abgeordnete Ordnungsrufe wie Trophäen sammeln, finde ich beschämend. Ein Ordnungsgeld, wie Sie es vorschlagen, gibt es bereits: Im Jahr 2021 wurde Paragraph 44e in das Abgeordnetengesetz eingefügt. Im ersten Absatz heißt es: „Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages bei dessen Sitzungen kann der Präsident gegen ein Mitglied des Bundestages ein Ordnungsgeld in Höhe von 1 000 Euro festsetzen. Im Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2 000 Euro.“
Ich beobachte als Bundestagspräsidentin, dass der Ton auf den Straßen aber auch im Parlament insgesamt rauer geworden ist. Ein trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung waren die Angriffe auf Politikerinnen und Politiker im Vorfeld des Europawahlkampfes. Ich habe mich am 15. Mai 2024 deshalb entschlossen, vor der Plenarsitzung einleitende Worte an die Abgeordneten zu richten: „Die große Mehrheit in unserem Land wünscht sich eine sachliche und konstruktive Politik. […] Für uns hier im Haus muss gelten, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen unserer Vorbildfunktion gerecht werden und eine faire Debattenkultur vorleben: eine Debattenkultur ohne Herabwürdigungen, ohne Hass, ohne Hetze, mit Achtung und Respekt.“ Wir sind uns also auch hier einig, sehr geehrte Frau S. Politikerinnen und Politiker sollten Vorbild sein.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Bas