Frage an Babette Pfefferlein von Jürgen B. bezüglich Umwelt
Wo wollen Sie die Energie für unser Land hernehmen wenn keine Sonne scheint , kein Wind weht und alle Kohle und Kernkraftwerke abgeschalten sind , bitte die Quellen nennen . Und wieviel Prozent bei der Energie- gewinnung macht Wasserkraft und Gas aus ?
Sehr geehrter Herr Bohlin,
ich möchte mir erlauben einige Informationen zum Anteil der Erneuerbaren
Energien vorweg zu stellen:
Die Entwicklung der erneuerbaren Energien im Jahr 2018 ergibt ein eher gemischtes Bild: Im Stromsektor deckten die erneuerbaren Energien fast 38 Prozent des gesamten deutschen Bruttostromverbrauchs. Dies ist besonders dem außergewöhnlich sonnigen Wetter zu verdanken. Bei der Wärme stieg der Beitrag der erneuerbaren Energien nur leicht an und liegt mit knapp 14 Prozent in etwa auf dem Niveau der Vorjahre. Im Verkehrssektor steigt der Anteil leicht um 0,4 Prozentpunkte auf 5,6 Prozent.
Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch für Strom, Wärme und Verkehr insgesamt steigt von 15,5 Prozent im Jahr 2017 auf vorläufig 16,6 Prozent im Jahr 2018. Damit nähert sich Deutschland seinem verbindlichen Ziel von 18 Prozent im Jahr 2020, welches sich aus der aktuellen EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG ergibt. Insgesamt konnten durch erneuerbare Energien im Jahr 2018 rund 184 Millionen Tonnen Treibhausgase (CO2-Äquivalente) vermieden werden. Die neuen Zahlen gehen auf erste Berechnungen der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) zurück, deren Geschäftsstelle beim Umweltbundesamt (UBA) angesiedelt ist.
Erdgas hat daneben einen Anteil von 23,5 Prozent, während der Anteil von Wasserkraft 2,6 Prozent an der Bruttostromerzeugung in Deutschland einnimmt.
Aber noch einmal zu Ihrer Frage:
Die Energiewende hat das Stromsystem tatsächlich vor neue Herausforderungen gestellt. Der Strommix hat sich bereits stark verändert. Dabei werden insbesondere Wind und Photovoltaik zu den tragenden Erneuerbaren-Technologien des zukünftigen Stromsystems. Das System muss große Mengen dieser volatilen oder fluktuierenden, das heißt nicht-steuerbaren Energieerzeugung integrieren. Entsprechend wird Flexibilität zum zentralen Paradigma des Stromsystems. Es wird zukünftig vorkommen, dass alleine Wind- und Sonnenanlagen mehr Strom produzieren können als Nachfrage besteht. In anderen Zeiten wiederum werden diese jedoch kaum einen Beitrag an der Stromversorgung leisten. Damit wird die so genannte Residuallast - der Bedarf an noch verbleibender konventioneller Strombereitstellung - weniger gleichmäßig sein als bislang. Die Anforderungen an die verbleibenden Kraftwerke werden daher zunehmend von häufigeren und extremeren Lastwechseln geprägt sein.
Bei hoher Residuallast (bei der eine hohe Stromnachfrage mit einer geringen Produktion von Wind- und Sonnenstrom zusammenfällt) wird es immer wichtiger, dass flexible Erzeuger, Speicher oder auch Stromimporte, insbesondere aber auch flexible Verbraucher, die ihre Stromnachfrage reduzieren, dazu beitragen, Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen. Im umgekehrten Falle, einer geringen Residuallast (mit niedriger Stromnachfrage, aber hoher Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom) kann es neben Speicherung und Export sinnvoll werden, flexiblen Verbrauch in diese Zeiten zu verlagern. Im Kern geht es darum, Erzeugung und Verbrauch so gut wie möglich aufeinander abzustimmen und eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Wettbewerbliche Märkte ermöglichen es, über Preissignale sowohl den lang- als auch kurzfristigen Bedarf der benötigten Flexibilität effizient anzureizen. So können Extremsituationen, von schnellen und unerwarteten Lastwechseln sicher bewältigt werden. Die Herausforderung liegt darin, durch unverzerrte Preissignale den Einsatz aller Flexibilitätsoptionen – auf der Angebots- und der Nachfrageseite – optimal, also systemkostenminierend sicherzustellen. Entsprechend fallen unter den Themenbereich Flexibilität Erzeugungstechnologien wie fossile Kraftwerke, KWK- und Biomasseanlagen (z.B. Absenkung von Mindestleistung, Beschleunigung von Startzeiten, Rampenfähigkeit), Lastmanagement, Sparten übergreifende Techniken wie die Integration von Power to-heat (Strom in Wärme umwandeln, falls im Überfluss vorhanden), Speichertechniken und natürlich die Netze. Im diskriminierungsfreien Wettbewerb sollten die Optionen aktiviert werden, die den Bedarf am effizientesten decken können. Die Herausforderung besteht darin, ein Markt- und Regulierungsdesign zu schaffen, welches die Hemmnisse im Bereich der Flexibilität abbaut und den gleichberechtigten Einsatz aller Flexibilitätsoptionen ermöglicht. Bei weiteren Fragen empfehle ich Ihnen auch den Besuch der Website der Agora Energiewende www.agora-energiewende.de. Die Agora Energiewende ist eine Denkfabrik, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, nach mehrheitsfähigen Kompromiss-Lösungen beim Umbau des Stromsektors innerhalb der Energiewende zu suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Babett Pfefferlein