Frage an Azize Tank von Lars Z. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Tank,
wie stehen Sie zu der These, dass eine "Millionärssteuer" unweigerlich zu steigenden Mieten führen wird, da Eigentümer, die bisher noch nicht den vollen Rahmen ausgeschöpft haben, die ihnen auferlegten Mehrabgaben an die Mieter abwälzen werden?
mit besten Grüßen aus dem Schöneberger Kiez
Lieber Herr Lars Ziethmann
Sie sprechen ein wichtiges Problem an, das viele Mieterinnen und Mieter umtreibt. Gerade in den Ballungsräumen steigen die Mieten rasant. Viele können sich die steigenden Wohnkosten für Miete, Nebenkosten, Wasser, Strom und Heizung nicht mehr leisten. Um auf Ihre konkrete Frage einzugehen, muss ich ein bisschen ausholen, denn es geht um komplexe Zusammenhänge. Die Wohnungsfrage ist eine zentrale soziale Frage geworden. Wir wollen die Rechte der Mieterinnen und Mieter stärken. Das heißt konkret: Der soziale Wohnungsbau muss wiederbelebt und neu ausgerichtet werden. Er soll öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbau fördern, insbesondere auch die ökologisch-energetische Sanierung bestehender Wohnungen. Die Fördermittel dafür müssen dauerhaft erhöht und dürfen nicht am privaten Kapitalmarkt refinanziert werden. DIE LINKE will die staatliche Wohnraumförderung fortführen, ausweiten und sie dort, wo Wohnungen fehlen, auf die direkte Förderung des Neubaus von Wohnungen konzentrieren. Daneben soll soziale Wohnraumförderung sichern, dass in Wohnungsbeständen Barrieren abgebaut und Energieeinsparmaßnahmen durchgeführt werden können, ohne die Miete zu erhöhen. Mindestens 150.000 Mietwohnungen mit Sozialbindung müssen jährlich entstehen. Niemand darf in Folge eines Eigentümerwechsels oder aufgrund von Umbaumaßnahmen aus seiner Wohnumwelt vertrieben werden. Es darf keine Zwangsräumungen geben. Das Recht auf Eigenbedarfskündigungen muss eingeschränkt, der Kündigungsschutz für betroffene Mieterinnen und Mieter ausgebaut werden. Außerdem wollen wir die Mieten deckeln: Der Mietspiegel muss flächendeckend eingeführt werden und sich an allen Bestandsmieten orientieren, nicht nur an den Abschlüssen der letzten Jahre. Die Kommunen erhalten das Recht, auf der Grundlage dieser Mietspiegel Höchstmieten festzulegen, um den Preisanstieg zu stoppen. Mieterhöhungen allein wegen Neuvermietung sind unzulässig. Solch eine mieterfreundliche Politik braucht natürlich eine belastbare Finanzierungsgrundlage. In unserem durchgerechneten Steuerkonzept ist die Millionärsteuer eine sinnvolle Möglichkeit, für die Finanzierung wichtiger öffentlicher Aufgaben jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 80 Milliarden Euro zu erzielen. Die Millionärsteuer würde mit einem persönlichen Freibetrag von einer Million Euro, einem zusätzlichen Freibetrag auf Betriebsvermögen von fünf Millionen Euro sowie einem Steuersatz von 5 Prozent erhoben. Wer weniger als eine Million Euro Vermögen hat, zahlt keine Steuer. Damit ist zugleich gewährleistet, dass beispielsweise das selbstgenutzte Eigenheim von der Steuer befreit bleibt. - Ihre Frage zielt ja auf den Zusammenhang zwischen beidem (Millionärsteuer und Mietpreisentwicklung) ab. Zunächst einmal gibt es keine belastbaren Hinweise darauf, dass Eigentümer nur oder gerade infolge erhobener Steuern automatisch die Mieten erhöhen. Letzteres tun sie nämlich jetzt schon kräftig im Rahmen des Möglichen - trotz Steuersenkungen unter Rot-Grün und ganz ohne Millionärsteuer. Hierfür geben rechtliche Missstände auf dem vielerorts stark angespannten Wohnungsmarkt ihnen, den Eigentümern (oft große Immobilienfirmen), eine Handhabe. Deshalb ist das Steuerkonzept der LINKEN nur zusammen mit den (oben kurz genannten) wohnungspolitischen Maßnahmen und Gesetzesänderungen zu betrachten, nicht getrennt davon. Gedeckelte Mieten, Stärkung der kommunalen Wohnungspolitik und ein massiver Ausbau des sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus würden bereits eine Menge dazu beitragen, dass die von Ihnen befürchtete Mietpreissteigerung nicht mehr so leicht möglich ist. Ich hoffe, meine Argumente können Sie für die konsequente Besteuerung der Wohlhabenden und Reichen erwärmen. Soziale Politik braucht nämlich finanzielle Gestaltungsspielräume! Übrigens - die momentane Faktenlage ist: Kaum ein Land erzielt bei den vermögensbezogenen Steuern so geringe Einnahmen wie Deutschland. Der Anteil dieser Steuern am Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2010 nur 0,8 Prozent. Das ist nicht einmal die Hälfte des damaligen Durchschnitts der OECD-Länder (1,8 Prozent) und nur rund ein Drittel des Durchschnitts der EU-27- Länder (2,5 Prozent).
Mit Freundlichen Grüßen
Azize Tank