Dr. Axel Troost
Axel Troost
DIE LINKE
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Frage von Friedhelm S. •

Frage an Axel Troost von Friedhelm S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Dr. Troost,
am 22.5.2015 soll der Regierungsentwurf des „Tarifeinheitsgesetzes“ in 2. und 3. Lesung im Bundestag behandelt werden. Zahlreiche Verfassungs- und Arbeitsrechtler und auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages halten diesen Gesetzentwurf für verfassungswidrig.
Tarifeinheit bei mehreren im Unternehmen agierenden Gewerkschaften ist gesetzlich nur dadurch realisierbar, dass einer von mehreren Tarifverträgen als der einzig gültige ausgewählt wird und die Mitglieder der anderen Gewerkschaften der aus dem auserwählten Tarifvertrag sich ergebenden Friedenspflicht unterworfen werden.
Dadurch haben während der Laufzeit dieses Tarifvertrags der sog. Mehrheitsgewerkschaft weder die durch Mitgliedschaft in der Mehrheitsgewerkschaft an die Friedenspflicht gebundenen Beschäftigten noch die Mitglieder der Minderheitsgewerkschaft noch die Unorganisierten ein Streikrecht. Dies nützt vor allem den Arbeitgebern.
Das Streikrecht würde bei Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes faktisch massiv eingeschränkt. Hinzu kommt noch, dass aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung in Deutschland bekanntlich nur für tarifvertraglich regelbare Forderungen gestreikt werden darf. Da aus den o.g. Gründen nur die Forderungen der jeweiligen Mehrheitsgewerkschaft überhaupt zu konkreten Tarifabschlüssen führen könnten, wären Streiks der Minderheitsgewerkschaften „unverhältnismäßig“ und auch deshalb von Arbeitsgerichten aufgrund arbeitgeber- oder auch mehrheitsgewerkschaftsseitiger Anträge bei Arbeitsgerichten relativ leicht zu verbieten.
Gewerkschaften, die aufgrund der o.a. Bestimmungen zukünftig keine Tarifverträge mehr durchsetzen können, sind mangels Attraktivität mittelfristig dem Untergang geweiht.
Wollen Sie dies wirklich?
Bitte teilen Sie mit, ob Sie dieser faktischen Einschränkung des Streikrechts zustimmen oder ob Sie dies ablehnen wollen.
Mit freundlichen Grüßen

Friedhelm Schutt

Dr. Axel Troost
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Friedhelm Schutt,

im Koalitionsvertrag hat die derzeitige Bundesregierung vereinbart, „den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken“, indem sie die Tarifeinheit gesetzlich festschreibt. Anfänglich geäußerte verfassungsrechtliche Bedenken, selbst von der Bundesarbeitsministerin Nahles, existieren offenbar nicht mehr. Vielmehr bedient sich die Ministerin jetzt der durch die Arbeitgeberlobby und den Medien dramatisch beschriebenen Szenarien einer nicht mehr funktionsfähigen öffentlichen Infrastruktur und nutzt so die aktuelle hysterische Berichterstattung über die Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Bahn, um das Streikrecht in Deutschland auszuhebeln und die Koalitionsfreiheit einzuschränken.

Wenn die Bundesregierung gesetzlich festschreibt, dass in einem Betrieb allein der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft gilt, würde sie das Streikrecht zwar nicht direkt einschränken, die Tür jedoch hierfür öffnen. Denn selbst wenn die Minderheitengewerkschaft streiken darf, findet gemäß der geplanten gesetzlichen Regelung der Großen Koalition das Ergebnis des Arbeitskampfes - ihr Tarifvertrag - keine Anwendung. Damit würde das Streikrecht faktisch doch eingeschränkt. Im Anschluss müssten zudem die Gerichte entscheiden, was die Konsequenzen dieser Regelung wären. Solch ein Verfahren, die Auslegung von Gesetzen von der Exekutive sehenden Auges auf die Judikative zu verlagern, hält DIE LINKE für politisch unverantwortlich und einer Bundesregierung nicht würdig.

Dazu ist Deutschland eines der streikärmsten Länder überhaupt. Man kann es nicht oft genug sagen: Streiks sind ein ganz normales und selbstverständliches Element in einer demokratischen Gesellschaft; ein Grundrecht und eben kein Selbstzweck. Das Mittel des Arbeitskampfes ist und bleibt die einzige Möglichkeit, die Arbeitnehmer haben, um für eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse einzutreten.

Die Fraktion DIE LINKE ist für starke Gewerkschaften in unserem Land. Nur wenn diese eine hohe Durchsetzungskraft besitzen, können die Interessen der Beschäftigten, insbesondere durch Tarifverträge, gestärkt werden. Zu dieser Durchsetzungsmacht gehört ein geschlossenes und solidarisches Handeln der Beschäftigten, was das Prinzip »Ein Betrieb, Eine Gewerkschaft« stärkt. Zur gewerkschaftlichen Solidarität gehört es aber auch, dass sich die Stärkeren mit ihrer Durchsetzungsmacht zugleich für die Schwächeren einsetzen. Die Zusammenführung verschiedener Gruppen zum gemeinsamen gewerkschaftlichen Handeln muss vorangebracht werden. Eine Tarifgemeinschaft, wie die von DJV und dju in ver.di, ist hierfür ein gutes Beispiel. Wir sind der Auffassung, dass dieses sinnvolle historisch gewachsene und praxiserprobte Prinzip, auf der Basis politisch verbesserter Rahmenbedingungen nur durch die Gewerkschaften selbst durchgesetzt werden kann, nicht aber durch Änderungen des Tarif- und Streikrechts seitens der Politik. Vor diesem Hintergrund ist es der Bundestagsfraktion DIE LINKE ein großes Anliegen, die Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften zu verbessern. Das bedeutet: Es darf keine Einschränkung des Streikrechts geben, auch nicht für kleinere Gewerkschaften!

Seit Mitte der 1990er Jahre wurden Tarifflucht und Tarifkonkurrenz durch die neoliberale Politik von CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE systematisch vorangetrieben. Es waren und sind die Mitgliedsfirmen der Arbeitgeberverbände, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass die historisch gewachsene Tarifeinheit und damit die Tarifbindung durchlöchert wurde. Die gesetzliche Tarifeinheit hat von Anfang an einzig und allein die Ausschaltung der Überbietungskonkurrenz kampfstarker Berufs- und Spartengewerkschaften zum Ziel. Die Unterbietungskonkurrenz durch Gefälligkeitstarifverträge arbeitgeberfreundlicher Organisationen, wie etwa der christlichen Gewerkschaften, stand nie im Fokus. Der Gesetzgeber hat die letzten Jahre nichts unversucht gelassen, um ganze Betriebe und Belegschaften zu spalten, outzusourcen und durch die Schaffung eines Niedriglohnsektors grundlegend zu schwächen.

Als Fraktion DIE LINKE wenden wir uns strikt gegen jegliche Bestrebungen, durch gesetzliche Beschneidungen des Streikrechts die Tarifeinheit in den Betrieben wieder herstellen zu wollen und lehnen daher die Pläne der Großen Koalition zu einer gesetzlichen Tarifeinheit entschieden ab.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Axel Troost