Frage an Axel Troost von Konrad S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Troost,
in Ihrer Rede im Deutschen Bundestag vom 07. Oktober 2010 haben Sie die Notwendigkeit von stetigem Wirtschaftswachstum betont. Daher meine Frage: Inwiefern kann für Sie wirtschaftliches Wachstum zu Wohlstand (auch nicht materiellen) führen? Ist Wirtschaftswachstum für DIE LINKE in jedem Fall positiv und wünschenswert, auch wenn dieses möglicherweise Wohlstand vernichtet (beispielsweise durch die Abwrackprämie, wodurch einerseits die Automobilindustrie über die Krise gerettet wurde, andererseits hunderttausende zumeist fahrtüchtige Kraftfahrzeuge zerstört wurden, wobei der Umwelt immenser Schaden zugefügt wurde, da 80-90 % aller Umweltschädigungen bei der Produktion des Autos entstehen)?
Vgl. Wenkel, Abwrackprämie; http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4127985,00.html
Mit freundlichen Grüßen
Konrad Schröder
Sehr geehrter Herr Schröder,
ich bedanke mich für die Anfrage zur Wachstumsproblematik. In meinen vier Minuten Rede zur Rolle der Bundesbank konnte ich hierauf natürlich nicht ausführlich genug eingehen.
Die LINKE ist keine Fraktion von Wachstumsfetischisten. Für uns ist Wachstum kein Selbstzweck und das BIP ist aus verschiedenen Gründen kein guter Wohlstandsindikator. Es gibt zahlreiche Studien, die etwa die Relevanz von sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit für das Glück in einer Gesellschaft belegen. Dies können sie mit dem BIP nicht richtig erfassen und DIE LINKE nimmt diese Themen sehr ernst. Als Mitglied der Arbeitsgruppe "Alternative Wirtschaftspolitik" bin ich übrigens schon häufiger mit der Wachstumsproblematik in Berührung gekommen.
Letztendlich muss es der Wachstumspolitik um eine Zunahme der Lebensqualität gehen. Dazu geeignete Maßnahmen können in vielen Fällen zu einer Steigerung des BIP führen, müssen dies aber nicht.
Hohe Wachstumsraten (auch unvollkommen mit dem BIP gemessen) wirken sich allerdings in der Regel positiv auf Beschäftigung, Steuereinnahmen oder Sozialsysteme aus. Stagnation oder negative Wachstumsraten sorgen bei gleichzeitigen Produktivitätsfortschritten grundsätzlich zu einer Zunahme von Arbeitslosigkeit. Dies muss bei Wachstumskritik beachtet werden.
Bezogen auf ihre Frage nach der Abwrackprämie: Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich DIE LINKE entschieden für Konjunkturprogramme ausgesprochen, um den Absturz in eine Rezession zu verhindern. Aus ökonomischer Sicht war die Abwrackprämie relativ erfolgreich. Allerdings ist die fast völlig fehlende ökologische Ausgestaltung zu bemängeln und dies hätte vermieden werden können. Letztendlich halte ich aber die ökologische Folgewirkung der Abwrackprämie für eher unbedeutend gegenüber den Umweltschäden, welche sich mit einer ökologischen Ausrichtung der Verkehrspolitik vermeiden ließen.
Historisch ist ein Zusammenhang zwischen (BIP-)Wachstum und Ressourcenverbrauch festzustellen. Ob Wachstum und Umweltverbrauch vollständig entkoppelt werden können, ist fraglich. Zumindest gibt es aber ein großes umweltverträgliches Wachstumspotenzial, so dass hohe Wachstumsraten nicht zwangsläufig in Widerspruch zur Ökologie stehen müssen. Mehr Dienstleistungen und der ökologische Umbau unserer Industriegesellschaft sind Maßnahmen, die Wachstum in wohlstandsmehrenden Bereichen fördern können. Der Wiedereinstieg in die Arbeitszeitverkürzung und Umverteilung sind geeignete Antworten auf vermeintliche Wachstumszwänge.
Mit freundlichen Grüßen,
Axel Troost
P.S.: Als Attac-Mitglied möchte ich Sie auch auf den Attac-Wachstumskongress im April 2011 hinweisen. http://www.attac.de/aktuell/jenseits-des-wachstums