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Axel Schäfer
SPD
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Frage von Juergen B. •

Frage an Axel Schäfer von Juergen B.

Warum stimmt die SPD der Griechenlanhilfe zu? Warum erkennt man nicht an, dass es in jedem Volk unterschiedliche Werte gibt. Daraus ergeben sich auch unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen. Auch bei der Möglichkeit eine Gesellschaft und die Wirtschaft effizient aufzustellen.
Es wird nicht besser, wenn man die griechische Struktur weiter alimentiert und darauf hofft, dass man das Land mit einer Zwangsrettung weiterbringt. Wenn es in meinem Team jemanden gibt, der den Rest des Teams nicht akzeptiert und uneinsichtig ist, wird er entlassen. Das gleiche sollte auch für die europäische Gemeinschaft gelten. Europa ist so nicht zu retten. Wenn es überhaupt sinnvoll ist, es in der jetzigen Struktur zu retten.
Ich würde gerne sehen, dass es auch in Deutschland die Möglichkeit gibt darüber abzustimmen, ob wir in der EU bleiben.

Mit den besten Grüßen

Juergen Bendig

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bendig,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Es gibt mir die Gelegenheit, zu erklären, warum ich überzeugt bin, dass die Grundsatzentscheidung für ein neues Programm richtig ist. Meine Schlussfolgerung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es ist die bessere Lösung für Griechenland, für Europa, für Deutschland. Die Alternativen wären alle wesentlich schlechter.

Die griechische Regierung hat am 8. Juli einen Antrag auf ein dreijähriges Hilfsprogramm beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gestellt, nachdem sie sich zuvor geweigert hatte, die Bedingungen der europäischen Partner für die Verlängerung des seit 2012 laufenden Hilfsprogramms zu akzeptieren. Nach äußerst schwierigen Verhandlungen haben sich die Staats- und Regierungschefs der 19 Mitgliedsländer der Eurozone am 12./13. Juli auf einen Kompromiss verständigt, unter welchen Bedingungen ein neues Hilfsprogramm möglich wäre. Das griechische Parlament hat diesen Kompromiss am 15. Juli mit großer Mehrheit gebilligt und bereits vier konkrete Gesetzesänderungen beschlossen, u.a. erste Elemente einer Mehrwertsteuerreform und einer Rentenreform.

Nach vielen unerfüllten Reformzusagen griechischer Regierungen und dem Verhandlungschaos der letzten Monate fällt es nicht leicht, dem Weg zu einem neuen Programm zuzustimmen. Kann das, worauf sich die Staats- und Regierungschefs verständigt haben, überhaupt funktionieren? Ich bin überzeugt, dass es funktionieren kann, und dass man alles dafür tun sollte, dass es funktioniert. Den Beleg, dass ein wirtschaftliches Anpassungsprogramm funktionieren kann, liefern nicht nur andere „Programmländer“ wie Irland, Portugal und Spanien, denen es nach der Krise wieder aufwärts geht, sondern in Ansätzen auch bei den Hellenen selbst. Denn trotz aller Probleme, die es bisher bei der Umsetzung von Reformen gab, war 2014 in Griechenland eine positive Entwicklung erkennbar: es gab erstmals wieder ein gewisses Wirtschaftswachstum, der griechische Staat konnte mit den laufenden Einnahmen zwar seine Schulden noch nicht zurückzahlen, aber immerhin schon wieder seine laufenden Ausgaben bestreiten. Es kam dann aber in den letzten zwölf Monaten zu einer Lockerung der Reformmaßnahmen, die zu einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in Griechenland geführt hat. Jetzt muss dringend an die vorherige positive Entwicklung angeknüpft werden.

Dass dies gelingt, ist im Interesse der Menschen in Griechenland, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der anderen Mitgliedstaaten der Eurozone und der EU. Deutschland eingeschlossen und vielleicht sogar an erster Stelle.

Wie bereits in meiner
Antwort an Herrn Heuermann beschrieben, wäre die Alternative zu einer weiteren Chance für Griechenland ein umgehender Staatsbankrott und ein ungeordnetes Ausscheiden des Landes aus der Eurozone. In Griechenland wären die Folgen verheerend: das Bankensystem würde zusammenbrechen, die medizinische Versorgung wäre nicht mehr gewährleistet, noch mehr Arbeitsplätze würden vernichtet, viele Bürgerinnen und Bürger würden in Armut absinken und müssten dann humanitäre Hilfe aus EU-Mitteln erhalten.

Die Position der SPD war immer, dass Solidarität in Europa keine Einbahnstraße sein kann. Wenn Europa solidarisch ist mit Griechenland und Milliardenkredite gibt, um Zeit zu gewinnen für Reformen, dann darf und muss Europa im Gegenzug erwarten, dass die griechische Politik die Entscheidungen trifft und umsetzt, die unabdingbar sind, um die Probleme in Griechenland zu lösen. Gerade in den letzten Monaten ist hier sehr viel Vertrauen zerstört worden, das jetzt Schritt für Schritt wieder aufgebaut werden muss. Die griechische Regierung muss die Glaubwürdigkeit der Reformzusagen nachweisen. Besonders nach ihrem Wahlkampf für ein „Nein“ im Referendum ist das keine leichte Aufgabe. Versprechungen und Zusagen alleine reichen hier nicht aus.

Zusammenfassend kann ich sagen: Die Zustimmung zu einem weiteren Programm ist kein leichter Schritt angesichts der Milliardenbeträge, die hier erneut in Form von Krediten bereitgestellt werden müssen. Aber würden wir diesen Schritt jetzt nicht gehen, wären die Kredite, die wir in den letzten Jahren gegeben haben, auf einen Schlag verloren. Von daher gebieten es nicht nur die politische Vernunft und die europäische Solidarität, der Gipfel-Einigung eine Chance zu geben, sondern auch das wirtschaftliche Eigeninteresse Deutschlands. Wenn Griechenland durch eine konsequente Umsetzung der vorgeschlagenen Reformen auf einen Wachstumskurs einschwenkt und das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen kann, kann es auch seine Schulden eines Tages zurückzahlen. Ein Programm, das die Zahlungsfähigkeit Griechenlands sichert und die Basis für eine wirtschaftliche Erholung legt, ist für alle Beteiligten der bessere Weg.

Bezüglich Ihrer Anmerkung zur deutschen EU-Mitgliedschaft möchte abschließend ich auf Folgendes hinweisen: Natürlich könnte Deutschland aus der EU austreten (Art. 146 GG). Das würde aber sowohl der Präambel unser Verfassung („in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen“) als auch allen Erfahrungen der letzten 65 Jahre widersprechen. Vor allem ist festzustellen: Unser Land ist der große Gewinner der europäischen Einigung! Ohne die europäische Staatengemeinschaft stünde die Bundesrepublik wirtschaftlich, politisch und kulturell nicht so gut da, wie es heute der Fall ist.

Mit freundlichen Grüßen
Axel Schäfer MdB

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