Warum haben Sie für die Ratifizierung des CETA-Abkommens gestimmt?
Sehr geehrter Herr Schäfer,
das CETA-Abkommen war ja zumindest vor ein paar Jahren noch stark umstritten. Was hat sich seitdem geändert? Und was halten Sie von der Kritik, dass es zu sinkenden Standards, auch im Umweltschutz, kommen könnte?
Sehr geehrter Herr T.
vielen Dank für Ihre Frage vom 15.12.2022. Der Großteil des Handelsvertrages mit Kanada, der CETA-Vertrag, wird bereits seit fünf Jahren vorläufig angewendet. In dieser Zeit wurden keine negativen Folgen des Abkommens für Verbraucher, Umwelt oder die Demokratie als Ganzes bekannt. Wirtschaftlich betrachtet hat sich seit Inkrafttreten das Handelsvolumen um 31 Prozent erhöht und liegt jetzt bei etwa 60 Mrd. Euro. Auch der Handel mit umweltfreundlichen Gütern, Technologie und Dienstleistungen hat um 21 Prozent zugenommen.
Im Deutschen Bundestag diskutierten wir jetzt die endgültige Ratifizierung des Abkommens. 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bereits ratifiziert. Erst wenn alle Mitgliedstaaten ratifiziert haben, kann das Abkommen vollständig in Kraft treten. Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt die Sorgen der Zivilgesellschaft ernst. Erst auf Drängen der SPD und ihrem damaligen Wirtschaftsminister konnten wichtige Änderungen des Abkommens wie der internationale Schiedsgerichtshof etabliert werden.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2022 sind auch die Klagen gegen die vorläufige Anwendung des Abkommens gescheitert. Deswegen haben wir uns jetzt auf den Weg gemacht das Abkommen zu ratifizieren. Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt letzte Unklarheiten in einer gemeinsamen Interpretationserklärung mit unseren Partnern abschließend zu klären. Diese Erklärung gibt die Vertragsinhalte bezüglich einzelner Fragestellungen des Investitionsschutzes wieder und soll deutlich machen, dass der Schutz des Gemeinwohls für alle Beteiligten an erster Stelle steht.
Wir haben uns in den letzten Jahren intensiv mit den Vertragsinhalten auseinandergesetzt: juristisch, parlamentarisch und im Austausch mit der Zivilgesellschaft.
Das Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen:
• Die Daseinsvorsorge in den Mitgliedstaaten wird in besonderem Maße vor Privatisierung geschützt. Sie ist von den Regelungen des CETA ausgenommen . Das Vorsorgeprinzip ist in den EU-Verträgen verankert und kann durch kein Abkommen der Welt außer Kraft gesetzt werden. Im Übrigen wird das Vorsorgeprinzip in einem rechtlich verbindlichen gemeinsamen Auslegungsinstrument zum CETA-Vertrag bekräftigt.
• Investitionsgerichtssystem: Auf sozialdemokratischen Druck hin hat die EU-Kommission 2016 die bereits abgeschlossenen CETA-Verhandlungen noch einmal geöffnet und ein völlig neues Gerichtssystem entwickelt, mit dem private Schiedsgerichte ein- für allemal der Vergangenheit angehören werden. An die Stelle privater Schiedsgerichte tritt ein öffentlich-rechtlicher Investitionsgerichtshof mit Berufungsinstanz. Statt fallweise ernannter Richter entscheiden unabhängige Richter, die für einen längeren Zeitraum benannt werden und einem strengen Ethikkodex unterliegen. Außerdem werden die Urteile veröffentlicht: Damit schaffen wir endlich Transparenz und Rechtstaatlichkeit im Investitionsschutz.
• Der Gemischte CETA-Ausschuss hat eine umsetzende und empfehlende Funktion. Die Tagesordnungen sowie Berichte über die Ausschusssitzungen werden online veröffentlicht. Die Parlamente behalten ihre vollständige Entscheidungskompetenz. Denn in CETA ist klar geregelt: Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses gelten vorbehaltlich der Anforderungen der Vertragsparteien . Die EU-Mitgliedstaaten haben sich darauf verständigt, dass sie nur Themen beschließen, die vorher einstimmig von allen Mitgliedstaaten beschlossen wurden.
Bei der Diskussion und den vorgebrachten Argumenten dürfen wir nicht vergessen, dass die Welt seit dem 24.02.2022 nicht mehr dieselbe ist. Die Welt teilt sich erneut in jene Staaten, die unsere Werte teilen und jene die diese Werte bekämpfen. Deswegen sollten wir uns immer klar machen, dass Kanada unsere Werte der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der offenen Gesellschaft teilt. Die Gefahren für unsere Demokratie gehen von anderen Staaten in der Welt aus. Deswegen wollen wir einen werteorientieren Handel mit unseren engsten Partnern fördern.
Ich hoffe, meine Antwort ermöglicht es Ihnen, meine Zustimmung nachzuvollziehen und beantwortet Ihre Fragen ausreichend.
Kommen Sie mit weiteren Fragen gerne jederzeit auf mich zu.
Mit besten Grüßen
Axel Schäfer