Frage an Axel Schäfer von Bernhard W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schäfer,
Sie als Abgeordneter meines Wahlkreises könnten ein Interesse dafür aufbringen meine Politikverdrossenheit nicht ins bodenlose fallen zu lassen. Zwei Meldungen der WAZ vom gestrigen Donnerstag lauten:
Die deutsche Bahn AG hat 173.000 Mitarbeiter wegen etwaigem Korruptionsverdacht ausspioniert.
Banken gaben in der Krise Parteispenden: Die politisch regierenden Parteien haben von den in Schwierigkeiten befindlichen Banken wie Commerzbank, Deutsche Bank usw. im letzten Quartal 2008 mehr als 500.000 Euro Parteispenden erhalten.
Leider stimmen unsere Abgeordneten nicht frei, sondern in den meisten Fällen nach "Parteilinie" ab. Deshalb die Frage: Ist das nicht eher Korruptionsverdächtig, wie wollen Sie das Ihre Wähler derartige Eckdaten verstehen?
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Wolf
Sehr geehrter Herr Wolf,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 31. Januar 2009.
Ich kann verstehen, dass Sie der Skandal um die heimliche Überprüfung von 173.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Deutschen Bahn AG (DB AG) verunsichert hat – warum dies zur Politikverdrossenheit beiträgt leuchtet mir allerdings nicht ein.
Die Vorgänge im DB-Konzern haben uns alle erschüttert. Die Beschäftigten wurden unter Generalverdacht gestellt und durchleuchtet. Seit dem Bekanntwerden der Vorgänge im Bahnkonzern hat sich die SPD vehement für eine lückenlose Aufklärung des Skandals eingesetzt und Konsequenzen gefordert.
Es ist unfassbar, dass eine von Misstrauen und Angst geprägte Arbeitsatmosphäre offenbar zur Unternehmensphilosophie der Deutschen Bahn AG gehört. Dieses System der willkürlichen Verdächtigung widerspricht einer guten Unternehmenskultur und deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewahrt und geschützt werden. Gerade ein Unternehmen, das zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist, sollte bei allem berechtigten Bemühen um Korruptionsbekämpfung die Gesetze und die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders respektieren. Wir haben daher ohne Verzögerung die Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG am 11. Februar 2009 zur Aufklärung in den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages zitiert. Dort hat die DB AG zugegeben, auch Kontobewegungsdaten der Korruption verdächtigter Mitarbeiter und betroffener Firmen ausforschen lassen. Wer die Aufträge erteilt und in welcher Form diese erteilt worden seien ist nun Gegenstand einer Untersuchung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und eine Anwaltskanzlei, so die Konzernführung. Jedoch schon nach wenigen Tagen haben sich die Anwälte über die mangelnde Kooperationsbereitschaft der DB AG beklagt.
Wir bezweifeln stark, dass der Vorstand von den Überprüfungen und den Screenigs der Mitarbeiterdaten nichts gewusst habe. Meiner Ansicht nach ist es auch eine Frechheit, dass der für die infrage stehenden Untersuchungen und sogenannte Datenscreenings von Mitarbeiterdaten zuständige Chef der Konzernrevision nicht zur Ausschusssitzung erschienen war - obwohl seine Teilnahme angekündigt war. Fest steht: Auch nach einer weiteren Anhörung der Konzernspitze im Verkehrsausschuss am 4. März 2009 ist die Affäre immer noch nicht aufgeklärt. Viele bis heute ungeklärte Fragen warten immer noch auf Beantwortung. Wir werden das Thema so lange immer wieder auf die Tagesordnung setzen, bis endlich vollständige Aufklärung von den Verantwortlichen geleistet wurde.
Dennoch: Nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG müssen in Zukunft vor solchen Vorgängen geschützt werden, eine solche Praxis darf in keiner Firma vorkommen. Wir haben deshalb schnell gehandelt: Mit der Einführung eines Datenschutzsiegels wollen wir Anreize zur Verbesserung des Datenschutzes in deutschen Unternehmen geben. Nach einem Gesetzentwurf der Regierung (Bundestagsdrucksache 16/12011) sollen sich diese dazu freiwillig einem "unbürokratischen Datenschutzaudit" unterziehen und Datenschutzkonzepte sowie technische Einrichtungen mit dem Siegel kennzeichnen können. Dabei soll regelmäßig kontrolliert werden, ob Richtlinien zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit erfüllt werden. Diese Richtlinien soll ein mit Experten aus Wirtschaft und Verwaltung besetzter Ausschuss erlassen. Unterwirft sich ein Unternehmen dem Kontrollverfahren, darf es das Datenschutzauditsiegel verwenden und damit werben. Zugleich wollen wir mit diesem Gesetzentwurf erreichen, dass die Verwendung personenbezogener Daten zu Werbezwecken oder zur Markt- und Meinungsforschung künftig grundsätzlich nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen zulässig sein soll. Weiterhin möglich sein soll dagegen die Eigenwerbung mit eigenen Kundendaten, die im Rahmen einer Vertragsbeziehung erhoben worden sind. Ein "Koppelungsverbot" für marktbeherrschende Unternehmen soll zudem verhindern, dass ein Vertragsabschluss von der Einwilligung in die Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke abhängig gemacht wird. Ferner sollen mit dem Gesetz die Bußgeldtatbestände für Verstöße gegen das Datenschutzrecht erweitert werden.
Auf ihre Bemerkung hinsichtlich der Parteispenden kann ich Ihnen Folgendes antworten: Es ist richtig, dass die demokratischen Parteien im letzten Jahr Spenden von Banken erhalten haben. Was die Details angeht, kann ich jedoch nur für meine eigene Partei sprechen. Die SPD erhielt im März 2008 100.000 € von der Commerzbank und im Dezember 2008 ebenfalls 100.000 € von der Deutschen Bank als Parteispende (im selben Monat erhielten übrigens sowohl CDU als auch FDP je 200.000 € von der Deutschen Bank). Großspenden wirtschaftlicher Unternehmen an Parteien in der demokratischen Politiklandschaft sind üblich – Gegenleistungen gibt es dafür natürlich nicht. Zum Zeitpunkt der Spende der Commerzbank im März 2008 war eine Finanzkrise der Gestalt, wie wir sie momentan erleiden, nicht absehbar. Und wie Sie den Medien entnehmen konnten weigert sich der zweite Spender entschieden, irgendeine Art der staatlichen Unterstützung für die Deutsche Bank anzunehmen. Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen den Parteispenden aus dem vergangenen Jahr und dem Regierungshandeln in der Finanzkrise.
Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat: Parteispenden wurden nie, werden nicht und werden auch in Zukunft niemals Einfluss auf politische Entscheidungen von demokratischen Parteien haben.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Schäfer